SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

21MRZ2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Woran halte ich mich fest in schwieriger Zeit? Das ist ein Gedanke, der mich im Moment fast jeden Tag beschäftigt. Ein Tag gleicht dem anderen so sehr. Es passiert wenig Unvorhergesehenes. Ich muss achtgeben, dass ich nicht mit dem Einerlei verschmelze. Mein Radius ist klein. Gefühlt spielt sich alles um mein Haus herum ab. Um so mehr suche ich nach dem, was mich in der Welt verankert. Mich kleinen Menschen im großen Kosmos. Kann sein, dass andere diese Frage nicht aussprechen. Aber in ihnen drin, glaube ich, da schafft sie auch: Was gibt mir Sicherheit, wenn so ein kleines Virus mein Leben und das der ganzen Welt verändert?

 

In der Politik schmiedet man in unsicheren Zeiten Bündnisse. Zweckbündnisse sind das in der Regel. Sie werden eingegangen, weil unterschiedliche Parteien ein gemeinsames Interesse haben. Leider funktionieren solche Bündnisse nicht immer reibungslos. Was damit zu tun hat, dass jedes Land eigene Interessen hat und nicht immer bereit ist, diese hintanzustellen, wenn es ums Gemeinsame geht. Als es nicht so gut geklappt hat mit der Verteilung des Impfstoffs in der EU, ist schnell der Ruf laut geworden, das mächtige und große Deutschland solle für sich selbst sorgen. Ohne Rücksicht auf die anderen in Europa. Mit dem, was ein Bündnis bedeutet, verträgt sich das schlecht. In einem funktionierenden Bündnis sollten alle die gleichen Rechte haben, und wenn’s drauf ankommt, die Starken die Schwächeren beschützen, für sie sorgen. Damit das wenigstens einigermaßen garantiert ist, schließt man Verträge und regelt das Miteinander durch Gesetze. Damit keiner auf dumme Gedanken kommt. So ist das in Bündnissen, die einem bestimmten Zweck dienen.

 

Ganz anders in der Bibel. Wenn da von einem Bündnis die Rede ist, geht es um Beziehung, nicht um Verträge. Gott schließt mit dem Volk Israel einen Bund. Nicht auf Zeit, nicht mit Hintergedanken. Er gilt ein für alle Mal. Im Alten Testament steht Israel stellvertretend für die ganze Menschheit. Seinem Gott,JHWH, ist es wichtig, dass dieses Bündnis auf Vertrauen gründet. Eben wie in einer richtigen Partnerschaft. Er bietet der Menschheit eine Grundlage an, auf der alles steht, was es auf dieser Welt gibt. In guten und in bösen Tagen. Eben auch dann, wenn das Leben ins Wanken gerät. Es soll ein Bund für ewige Zeiten sein, wenn es nach Gott geht. Und die Israeliten sind zunächst auch einverstanden, weil sie kapieren, dass sie davon nur profitieren können. Wer würde es schon ablehnen, Gott auf seiner Seite zu haben? Wenn einem Böses widerfährt; wenn man schwer krank wird oder in das tiefe Loch einer Depression fällt. Ich jedenfalls nicht. An manchen Tagen denke ich: Gott ist der Einzige, auf den wirklich Verlass ist.

 

ZWISCHENMUSIK

Was gibt in schwieriger Zeit Halt? Danach frage ich heute in den SWR4-Sonntagsgedanken. Die Bibel berichtet: Gott schließt mit Israel einen Bund. Stellvertretend für die ganze Welt. So haben die Menschen damals ihren Glauben charakterisiert: als Beziehung, wie in einer funktionierenden Partnerschaft. Darauf können sie sich verlassen. Gott vergisst sein Versprechen nicht. Das gibt Sicherheit, zumal in den schwierigen Phasen ihrer Geschichte. Immer wieder entdecken die Menschen Zeichen, die ihnen die Gewissheit geben: Der Bund steht. Noah und sein Rettungsschiff überleben; am Himmel erscheint der Regenbogen als Bundeszeichen. Mose empfängt die Zehn Gebote; sie ordnen das Leben. Und machen den Bund mit Gott konkret und alltagstauglich.

Um umgekehrt? Wie steht es um die Treue der Menschen? Zu einem Bund gehören ja immer zwei. Die Bibel verschweigt nicht, dass es dabei Probleme gibt. Menschen sind eben Menschen. Wir vergessen, was wir versprochen haben. Wir verlieren den Mut. Wir finden Alternativen, die vielleicht besser sein könnten. Oder machen uns gar selbst zu unserem eigenen Gott, damit wir kein schlechtes Gewissen mehr zu haben brauchen, wenn wir die Gebote brechen.

 

Ich begreife die Corona-Zeit auch als eine Prüfung meines Glaubens. Es kann doch nicht wahr sein, dass Gott uns das alles abverlangt, dass so viele sterben, andere ihre Existenzgrundlage verlieren. Hat Gott vergessen, was er versprochen hat: uns die Treue zu halten? Ich halte diese Frage für erlaubt. Aber es zeigt auch ein ordentliches Maß an Ichbezogenheit, wenn ich Gott dafür die Schuld in die Schuhe schiebe. Je länger ich darüber nachdenke, desto deutlicher wird mir: Ich muss meine Unterstellung umdrehen. Habe am Ende ich Gott vergessen und den Bund mit ihm schleifen lassen? Um Missverständnissen vorzubeugen, ich meine nicht, dass Gott uns die Pandemie als Strafe schickt, weil wir ihn vergessen hätten. Das hat Gott nicht nötig. Trotzdem vermisse ich Gott in der augenblicklichen Notsituation oft. Und ich glaube, das verlangt meine Aktivität. Ich muss etwas tun, nicht abwarten. Ich muss Zeichen setzen, die vom Bund Gottes mit der Menschheit erzählen.

 

Bevor ich zu jammern beginne, denke ich an die, die schlechter dran sind als ich.

Bevor ich über die Fehler der Politiker schimpfe, packe ich selbst an, wo ich helfen kann.

Bevor ich von anderen etwas erwarte, bin ich selbst an der Reihe.

Zu einem Bund gehören immer zwei. Da denke ich mir: Womöglich hat Gott seinen Teil schon geleistet, schon lange bevor ich dran gedacht habe. Und jetzt bin ich dran.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32748
weiterlesen...