Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05MRZ2021
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Wenn man an Gott glaubt, dann fühlt man sich ein bisschen wie Christian Streich beim SC Freiburg, finde ich. Christian Streich ist der Trainer vom SC Freiburg. Neulich habe ich einen Zeitungsartikel über ihn gelesen, als er seinen Vertrag wieder um ein Jahr verlängert hat. Seit neun Jahren trainiert Christian Streich schon die Fußballer aus dem Breisgau. Er ist damit mit Abstand der dienstälteste Trainer der Bundesliga. Zum Vergleich: Während Christian Streich Trainer in Freiburg ist, hatte der VfB Stuttgart 16 verschiedene Übungsleiter.

Ich finde, an Gott glauben ist wie Trainer beim SC Freiburg sein, weil ich mich bei Gott ähnlich gut aufgehoben fühle. Ich darf bei Gott auch Fehler machen. Er gibt mir eine zweite Chance und traut mir zu, dass ich es besser machen kann. Auch dann, wenn ich mit meinem Leben sozusagen im hinteren Tabellendrittel liege. Und sogar, wenn ich mal absteige. Das ist Christian Streich mit dem SC Freiburg 2015 passiert. Trotzdem ist er Trainer geblieben – ganz gegen die Gesetzmäßigkeiten, die sonst im Profifußball gelten.

Die Gesetze im Profifußballs sind bekanntlich knallhart: Wenn die Leistung nicht stimmt, muss der Trainer weg. Natürlich geht es auch beim SC Freiburg um Leistung, sonst würde der Verein nicht in der ersten Bundesliga spielen. Aber offenbar zählen neben der Leistung eben auch noch andere Dinge, wie etwa Treue und Vertrauen.

Gott beurteilt einen Menschen nicht nach dem, was er leistet. Das war besonders dem Reformator Martin Luther wichtig. Als Mönch im Kloster hat er auch nach knallharten Gesetzmäßigkeiten gelebt. Er musste Leistung bringen, und die Einstellung musste stimmen: Gute Werke und ständige Reue ­– ansonsten drohte der Abstieg in die Hölle. Es war für Luther eine Befreiung als er erfahren hat: Gott schenkt mir den Himmel, ich muss nichts dafür tun, sondern darf Gott einfach vertrauen.

Den Himmel bekommt man geschenkt. Das hat nicht etwa dazu geführt, dass Luther die Hände in den Schoß gelegt hat. Im Gegenteil, das hat ihn motiviert: Er hat diskutiert und gestritten, Bücher geschrieben und Vorlesungen gehalten und anderen begeistert von seinem neuen Glauben weitererzählt.

Und das ist dann auch wieder ähnlich wie beim SC Freiburg, finde ich. „Das ist ein Geschenk, dass man so arbeiten darf“, hat Christian Streich gesagt. Das besondere Verhältnis zwischen Verein und Trainer führt nicht dazu, dass Christian Streich in Freiburg eine ruhige Kugel schiebt. Im Gegenteil: Jedes Wochenende kann man ihn hochmotiviert und total engagiert an der Seitenlinie sehen – bestimmt auch morgen wieder.

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