SWR2 Wort zum Tag

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29JAN2021
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Geschichte hat manchmal einen sehr langen Atem. Das kann Neuanfänge schwierig machen. Aber Gott sei Dank. Man kann Geschichte auch in neuem Geist gestalten.
Für die Trennung der Christenheit in Evangelisch und Römisch-Katholisch z.B. ist das Jahr 1521 entscheidend gewesen und es wirkt noch. 500 Jahre später.

Manchmal kommt mir das paradox vor:
Was damals geschehen ist, prägt das kollektive Gedächtnis und hat Realitäten geschaffen. Dabei wissen die meisten von uns gar nicht mehr, was damals passiert ist. Und ökumenisches Leben hat auch neue Realitäten gesetzt. Trotzdem, der lange Atem der Geschichte wirkt.

Und was war 1521? Im Januar hat Papst Leo X. Martin Luther exkommuniziert. Mit der Bannbulle: "Decet Romanum Pontificem". Exkommunikation hieß: Luther wird aus der Kirche ausgeschlossen. Und dazu seine Lehren als „unkatholisch“ verworfen. Diese Exkommunikation ist bis heute offiziell nicht aufgehoben.

Im April beorderte dann der Kaiser Luther nach Worms auf den Reichstag, er sollte dort seine Lehre widerrufen. Luther konnte und wollte das nicht, im Gegenteil: ‚Die Heilige Schrift mit ihrer Botschaft von Jesus Christus und die Vernunft binden mein Gewissen so, dass ich nicht widerrufen kann.‘ Hat er vor dem Kaiser und den Fürsten bekannt.

Der Kaiser hat den Druck auf Luther und die Evangelischen dann noch erhöht: ‚Luther ist ein Ketzer, seine Schriften dürfen nicht weiterverbreitet werden und seine Anhänger sind geächtet.‘
Das war der Anfang der Trennung in evangelisch und katholisch.

Die katholische Theologin Johanna Rahner hat jetzt angeregt, den Bann gegen Luther aufzuheben. Mit einem symbolischen Akt und so einen neuen verbindenden Punkt zu setzen. Die Exkommunikation quasi vergessen zu machen als wirkmächtigen Teil des kollektiven Gedächtnisses. Denn das Urteil über Luther und seine Theologie ist heute sehr anders als 1521. Inzwischen sieht man, Luther war viel „katholischer“ als damals geurteilt.

Mir gefällt der Vorschlag. Dem langen Atem christlicher Trennungsgeschichte immer neu etwas entgegenzusetzen. Neuen Geist. Nicht immer die alte gebrauchte Luft atmen. Auf katholischer Seite.
Und auf evangelischer? Wir sollten uns nicht einbilden, dass wir die Freiheit des Gewissens allein gepachtet hätten. Oder dass Luther ein Freiheitsheld im modernen Sinn gewesen sei. Gewissensfreiheit ist ökumenisch. Und für Christenmenschen orientiert sie sich an der Botschaft von Jesus Christus.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32499
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