SWR2 Wort zum Tag

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06JAN2021
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Dreikönig sagen heute die meisten. Und in der Tat ist die biblische Geschichte von den drei Weisen aus dem Vorderen Orient voller Tiefsinn. Wie schön, von einem himmlischen Lebensstern geführt zu werden und ans Ziel zu kommen. „Epiphanie“, sagte man früher, Epiphanias, Erscheinung des Herrn. Es ist zusammen mit Ostern das älteste Fest der Christen, und heute feiert die Hälfte der Christenheit, die ostkirchliche, ihr Weihnachtsfest. Beides sind Lichtfeste, beides Festtage der Erleuchtung und Aufklärung.  Bei beiden ist die Freude im Spiel, dass die Tage wieder länger werden und die Sonne sich wieder stärker durchsetzt.

„Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes“, so lautet ein Jubelruf über das Auftreten Jesu aus biblischen Zeiten. Der Missionar Titus damals, der dann wohl der erste Bischof in Kreta wurde, schreibt das. (Titus 3,4).  Er kann sich vor Freude nicht einkriegen.  Für ihn ist Jesus das Gottesgeschenk schlechthin. Mit ihm ist „Rettung“ verbunden, „Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist“. Also etwas höchst Erfreuliches, eine Lebenswende. Was könnte das heute heißen?

Bleiben wir bei Alltagserfahrungen. Fast automatisch kommt Glanz in das Gesicht der Eltern und Großeltern, wenn sie ihre Kinder oder Enkel wiedersehen. Sieht man befreundete Mitmenschen auf sich zukommen, verändern sich Mimik und Körpersprache.  Von jetzt auf gleich kann ein vorher griesgrämiger oder ernster Gesichtsausdruck sich ändern. Offenkundig geht vom Gegenüber eine Ausstrahlung aus, die nicht ohne Folgen ist. Ist es nicht immer so? Wie zaubern wir ein Lächeln ins Gesicht der Anderen? Wodurch tauen wir selbst auf? Liebende wissen es längst, und es prägt ihre glücklichsten Stunden. Nie ist der Mensch schöner und offener als in der Liebe. Und im Wahrer-Werden und Gut-Sein. Welch eine Erleichterung nach endlich geglückter Aussprache und Beichte! Da kann ein Strahlen von innen auftauchen, das für sich spricht. Nicht vergessen seien die Sterbestunden, welch ein Glanz oft auf den Gesichtern der Heimgehenden, wenn es geschafft ist. Epiphanie. Da kommt ans Licht, was im grauen Alltag oft verstellt und eingetrübt ist. Und welch eine Kunst auf andere so zuzugehen, dass sie entspannen und sich öffnen und sogar strahlen! 

Ich könnte natürlich auch an Erfahrungen in der Natur draußen erinnern: das blendende Licht im Schnee, die Spiegeleffekte des Lichtes und das Spiel der Farben und Schatten, das Meer und die Berge und immer die Sonne. Aber mindestens so wichtig ist der gesellschaftliche und politische Raum. Was war das für ein Ereignis, als die Mauer fiel. Wie viel Freude und Jubel auf den Gesichtern! Endlich brach durch, was so lange ans Licht drängte: mehr Gerechtigkeit, mehr Kontakt, mehr Licht. Erschienen ist, was vorher fast undenkbar schien. Und welch langer Weg bis dahin - jetzt z.B. bei den tapferen Mitmenschen in Belarus oder in den Lagern der Flüchtlinge. Schon ist mehr Freiheit in Sicht, schon zeigt sich das Licht, aber wieviel Kampf noch, und wie hoch oft der Preis. 

Kühn sagt das heutige Fest: die ersehnte Menschenfreundlichkeit ist erschienen. Definitiv und nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Zwar liegt noch viel im Argen, und für so viele scheint kein Grund zum Strahlen. Aber der Durchbruch ist definitiv geschafft, und daraus kann jeder Mut und Kraft schöpfen. Die Hoffnungslosigkeit hat ein Ende. Zu feiern ist die Ausstrahlung Jesu, zu feiern ist sein Glanz auf dem Angesicht so vieler Menschen, die ihm folgen. Wie viele in diesen 2000 Jahren haben sich davon bestimmen lassen, und tun es heute. Von Jesu Menschenfreundlichkeit her fällt Licht auf alle Ereignisse des Lebens, auf das Kindsein und das Sterben, auf den Kampf um Gerechtigkeit und die Last des Alltäglichen. Mit seiner Gestalt und Geschichte verbindet sich ein neuer Blick auf das Leben und die Geschichte überhaupt. Sie stehen nun definitiv unter dem Vorzeichen des Gelingens, das Gute behält das letzte Wort. Mit den Worten Dietrich Bonhoeffers gesagt: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32360
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