SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

05JAN2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Merkwürdig genug: genau den Lockdown, den wir schmerzlich aushalten müssen, macht die Natur draußen ganz  selbstverständlich. Der berühmte Winterschlaf bringt es auf den Punkt. Bäume und Büsche stehen untätig herum, die Äcker liegen brach, die Natur hat sich zurückgezogen, um im Frühling wieder kreativ explodieren zu können. Und wir, wir haben einen Rückzug im Lockdown zu bestehen, um endlich wieder zum normalen Leben zu kommen. Wegen Umbau geschlossen, könnte man fast sagen.

Aber was ist das normale Leben?  Anders als bisher wird es in jedem Fall. Nicht nur die immensen Schuldenberge zwingen dazu, nicht nur die Mutationsfreude des Virus. Viel wichtiger noch sind die ökologischen Fragen, denn offenkundig profitieren die Viren von dem gestörten Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Aber am wichtigsten sind doch die inneren Veränderungen, an unseren Lebenseinstellungen muss sich was ändern, und es ist schon im Gange. Schockartig ist allen bewusst geworden, dass wir sterblich sind.  Der Tod gehört zum Leben, er macht es so spannend und so gefährdet. Aber nicht eigentlich der Tod, sondern die Angst vor ihm. Die kann hektisch und panisch machen, die führt zu Gesundheitswahn und Lebenssucht. Normal wäre das Leben, wenn wir es als befristete Zeit gestalten könnten. Wenn wir nicht mehr unsterblich sein wollen müssen und uns für unersetzlich halten. Wir hätten mehr Zeit füreinander, und wir bekommen zu spüren, dass wir einander brauchen. „Der eine lebt vom andern, allein kann keiner sein“, heißt es im Kirchenlied.  Da erinnern wir uns der Lebensart Jesu. Von ihm heißt es in der Bibel, er habe die befreit, „die ihr Leben lang durch die Angst vor dem Tod der Knechtschaft verfallen sind“ (Hebr 2,14).

Ob damit das Leben wieder freier wird und normaler? Ob das Zurückfahren vieler äußerer Dinge im Lockdown darauf zielt, dass wir uns innerlich neu sortieren - wie die Bäume und Äcker draußen. Dann wäre der österliche Frühling nicht weit, denn mitten im Winter schon ist ein Ros entsprungen, und dank der Geburt Jesu ist die erneuerte Lebensart schon im Gange.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32359
weiterlesen...