SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

21DEZ2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die längste Nacht des ganzen Jahres ist vorbei. Heute ist Wintersonnwende. Die Tage werden ab sofort wieder länger.

Dieser Tag ist in der katholischen Kirche lange Zeit als „Thomastag“ bekannt gewesen. Der Apostel Thomas gilt als Inbegriff des zweifelnden Menschen. Er glaubt lange nicht, dass Jesus von den Toten auferweckt worden ist. Er zweifelt so stark, dass er nur glauben will, wenn er Jesus selbst mit eigenen Augen sieht. Mehr noch: Er will sogar die Wunden Jesu berühren, wenn er glauben soll.

Thomas ist so etwas wie der Oberzweifler in Glaubensfragen. Das hat zwei Seiten. Es ist vernünftig nicht einfach alles was man gesagt bekommt sofort zu glauben. Kritischer Verstand ist auch in unserer Zeit mit ihren vielen Informationen und Fake-News gefragt. Thomas kann mir hier ein Vorbild sein, weil er nicht einfach nur glauben, sondern tatsächlich begreifenwill – nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit den Händen. Er will wirklich spüren, dass es wahr ist, dass Jesus lebt. 

Wer aber so sehr zweifelt, dass er aus dem Strudel der Fragen nicht mehr herauskommt, für den kann sich das so anfühlen, wie in einer langen dunklen Nacht zu leben. Ein Freund von mir leidet daran, dass er so sehr am Glauben zweifelt. Es gibt auch Leute, die melancholisch werden, weil sie nicht (mehr) glauben können.

Im Bild gesprochen kann auch die längste Nacht einmal zu Ende gehen, so wie bei Thomas. Er findet zum Glauben, als er Jesus ganz persönlich begegnet. Und dann spricht er ein großes Bekenntnis. Voller Bewunderung sagt er: „Mein Herr und mein Gott.“

Wenn ich durch zähes Zweifeln und Fragen durchkomme und am Ende glauben kann, dann werde ich sogar umso glaubhafter.

Konkret bedeutet das für mich: Ich setze mich mit dem Glauben kritisch auseinander. Dafür lese ich Texte, die mir die Bibel aus einem neuen ungewohnten Blick zeigen. Oder ich informiere mich darüber, wie moderne Naturwissenschaft und der Glaube sich eben nicht ausschließen, sondern ernsthaft ergänzen. Das diskutiere ich auch gerne im Freundeskreis. Dadurch nehme ich alles das ernst, was meinen Glauben an Gott infrage stellt. Glaube wird nie über jeden Zweifel erhaben sein. Aber was ich glaube kann vernünftig sein und sich weiterentwickeln. Sodass auch jeder Zweifler sagen kann: „Stimmt, das kannman glauben, es ist möglich.“

Ich selbst spüre und begreife etwas vom Glauben zum Beispiel in der Musik im Advent oder vor der weihnachtlichen Krippe. Trotz meiner Fragen kann ich dann auch immer wieder sagen: „Mein Herr und mein Gott.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32254
weiterlesen...