SWR2 Wort zum Tag

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05DEZ2020
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Es wäre schön, wenn die Adventszeit wieder öffnen könnte, was verschütt gegangen ist. Zb. wenn sie das Kind in mir zum Vorschein bringen könnte.

Nicht, um kindisch zu werden, das nicht. Dass kindisch sein nicht gut ist, hat uns der scheidende amerikanische Präsident ja gründlich vorgeführt.

Aber das Kind in sich zum Vorschein bringen. Also die Welt wahrnehmen mit offenen Sinnen. Könnte sich so nicht öffnen, was meine alt gewordenen Sinne manchmal verstellen oder verdunkeln?

Staunend und neugierig in die Welt schauen statt abgeklärt beklagen, was ist. Sehnsüchtig hoffen, dass Neues kommt, statt zu beklagen, dass in der Welt am Ende eh alles beim Alten bleibt.

Ich glaube, es tut gut, wenn ich dieses hoffende Kind in mir wiederfinde. Vielleicht mit anderen zusammen. Wie Charles Bukowski gesagt hat:
Das Problem ist, wir suchen jemanden, mit dem wir zusammen alt werden, während das Geheimnis darin besteht, jemanden zu finden, mit dem man ein Kind bleiben kann.

Wenn die Adventszeit dieses Kind wieder zum Vorschein bringt. Ich meine, dann könnte man die Augen öffnen dafür, dass in der Welt mehr Gerechtigkeit werden müsste. Dass nicht bleiben muss, was ist. Schon gar nicht, was ungerecht ist. Dann könnte man zB. sehen und sich davon berühren lassen, dass jenseits unserer Coronasorgen 150 Millionen Kinder auf der Welt Kinderarbeit leisten müssen. Anstatt, dass sie in Schule gehen und lernen für eine bessere Zukunft. Es stimmt, Corona wirft Schatten auf viele Menschen hierzulande. Aber haben wir nicht trotzdem Möglichkeiten, uns um andere Gedanken zu machen, die viel schlechter dran sind als wir?

Die Sorge, ob Weihnachten für uns schön und warm und familiär wird, so wie wir es gewohnt waren, vielleicht kann diese Sorge kleiner werden, wenn das Kind in uns mitfühlt mit anderen Kindern auf der Welt, die schlimm dran sind und jetzt auch noch von Corona bedroht?

Die Sorge um sich selbst verschließt. Der Blick für andere und die Sorge für Gerechtigkeit, dass es ihnen auch besser gehen soll, öffnet. Wie diesen kleinen Jungen, von dem ich gelesen habe. In einer Studie darüber, was Kinder unter Liebe verstehen:

Dieser 4 jährige hatte gesehen, dass sein Nachbar, ein älterer Herr, traurig in seinem Garten saß. Der Junge wusste, dass dessen Frau gestorben war. Ist zu ihm gegangen, auf seinen Schoß geklettert und da geblieben. Später hat ihn seine Mutter gefragt, was er mit älteren Herrn geredet habe. ‚Nichts‘ hat der Kleine gesagt, ′ich habe ihm beim Weinen geholfen.“ Es täte unserer Welt gut, wenn wir dieses Kind in uns finden würden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32160
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