SWR4 Sonntagsgedanken

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08NOV2020
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„Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf!“ Das ist genau der richtige Rat in diesen Tagen, finde ich.

Seit einer Woche leben wir wieder im Lockdown. Gastwirte und Künstler machen sich Sorgen um ihre Existenz, junge Leute vermissen ihre Freunde, Alte spüren die Einsamkeit mehr als sonst. Und das alles im November, wo einem das Grau und die nasskalten Tage sowieso schon zu schaffen machen.

Aber Jammern hilft ja nun wirklich nicht. Ich weiß, viele müssen sich wirklich um ihre Existenz sorgen, nicht bloß gesundheitlich. Gastwirten und Künstlern zum Beispiel brechen schon zum zweiten Mal die Einnahmen weg. Sie haben Grund zum Klagen und brauchen Unterstützung.

Sicher, Einschränkungen gibt es für alle. Aber ist es da nicht sinnvoller, zu überlegen, wie man sich und anderen das Leben leichter machen kann, statt zu jammern und zu schimpfen? Mit meckern und klagen macht man sich gegenseitig doch bloß das Leben schwer.

“Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf!“ Das ist natürlich kein neuer Rat. Er steht in der Bibel und stammt vom Apostel Paulus. Der hat das an die erste christliche Gemeinde in Saloniki geschrieben, das damals noch Thessalonich hieß. Ungefähr im Jahr 50 war das und die ersten Christen, hatten allen Grund, Angst zu haben und sich Sorgen zu machen. Sie waren Außenseiter, wurden angefeindet, weil sie nicht die Staatsgötter verehrten. Und Paulus hatte ihnen versprochen, dass Jesus Christus bald wiederkommen und dann alle Nöte ein Ende haben würden. Aber nun wurde ihnen die Zeit lang. Wer weiß, wenn Paulus sich nun geirrt hatte? Wenn sie falschen Hoffnungen hinterhergelaufen waren? Wenn alles umsonst war?

Da schreibt ihnen Paulus: Man kann nicht wissen, wann es soweit ist. Man kann nicht wissen, wann Gottes neue Welt anfängt, auf die wir hoffen. Aber sie wird kommen. Und bis dahin bringt es gar nichts, wenn ihr euch gegenseitig in euren Sorgen bestärkt und euch mit eurem Jammern gegenseitig das Leben schwer macht.

Nein! Bis es soweit ist, bis die schwierigen Zeiten überstanden sind, sollt ihr trotzdem leben. So gut es geht. Und es geht viel, auch in diesen Zeiten. Deshalb: „Macht euch gegenseitig Mut und baut einander auf!“ Natürlich gab es auch damals welche, die es besonders schwer hatten. Ich glaube nicht, dass Paulus das beschönigen wollte. Aber sein Appell hat mich getroffen. Was kann ich tun?  Wie kann ich es  anderen leichter machen? Ich glaube, dafür gibt es gute Möglichkeiten.

 

Ich gebe zu, das ist nicht immer einfach. Wenn alle sich Sorgen machen, wenn so viele klagen und meckern und jammern und schimpfen – dann lässt man sich leicht mitreißen. Dann sieht man ganz leicht nur noch das, was verschoben werden muss und ausfällt, was verkehrt läuft und nicht geht. Wie kann ich da anderen Mut machen? Und wofür?

In der Stadtbahn habe ich die Friseurin getroffen, die mir oft die Haare geschnitten hat Sie hat die Stelle gewechselt, hat sie mir erzählt. Und: Als im Frühjahr die Kurzarbeit anfing, hat sie sich entschlossen, die Ausbildung zur Friseurmeisterin zu machen. Wer weiß, wofür das gut ist, hat sie gesagt. Sie hat nicht einfach geschimpft und abgewartet. Sie hat überlegt, was sie in dieser Situation Vernünftiges tun kann. Und jetzt steht sie kurz vor der Prüfung. Ich fand ihre Zuversicht richtig ansteckend. Ich drücke ihr die Daumen, dass alles klappt.

Paulus hat damals in seinem Brief an die besorgten Christen in Thessalonich geschrieben: „Ihr seid doch Kinder des Lichts!“ Das hatte ja schon Jesus seinen Nachfolgern gesagt. „Ihr seid das Licht der Welt!“ Mit eurer Zuversicht, mit eurer Hoffnung auf Gott könnt ihr es für die anderen hell machen die nur noch schwarzsehen. Und erst recht denen, die wirklich im Dunkeln sitzen und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Wenn Menschen sich einander zuwenden, wenn sie teilen was sie haben und nach dem schauen, was trotz allem geht – dann geht das Leben weiter. Dann wird es heller und leichter für alle. Dann wird die Stimmung besser.

Ich glaube, wir können Lasten teilen und einander Lasten abnehmen. Manchmal denke ich, ein Soli für die besonders Betroffenen – das müsste in unserem Land doch eigentlich gehen. Menschen wie ich, deren Einnahmen jetzt weiterlaufen, könnten die nicht einen Beitrag leisten, damit andere weniger belastet sind in dieser Pandemie? Dazu ist es wichtig, nicht nur auf die eigenen Ängste zu hören. Auch nicht nur auf die Sorgen der anderen. Die sind wichtig. Aber wichtiger scheint mir, auch zu sehen und zu hören, was man denn tun kann, damit man gut durch kommt durch diese schwierige Zeit.

Also: Lasst euch nicht mitreißen von schlecht gelaunten Pessimisten. Seht nach den Möglichkeiten, die es gibt. Macht einander das Leben leichter!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32004
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