Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09OKT2020
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In der Bibel steht: Niemand füllt jungen Wein in alte Schläuche.[1]Jesus sagt diesen Satz und positioniert sich damit eindeutig. Was er zu sagen hat, für was er als Person steht, ist nicht altbacken oder von vorgestern.

Alt und neu prallen häufig aufeinander. Ich sehe die vielen jungen Leute bei Fridays for futureund viele Ältere, denen das unheimlich ist. Wie rasend schnell sich unser Leben verändert, das überfordert viele. Wie kann es gelingen, dass unser Zusammenleben nicht zerfällt?

Auch überall, wo an Gott geglaubt wird, vermischt sich der Glaube mit den überlieferten Einstellungen, mit dem, wie Menschen zu bestimmten Zeiten denken. Oft sind religiöse Traditionen erschreckend starr. Das sind dann die alten Schläuche, von denen Jesus spricht. Sie sind gar nicht in der Lage zu bewahren, was Gott will. Weil das jede Generation neu herausfinden muss, weil das zu jeder Zeit anders aussieht. Jesus fragt sich sehr genau: Was will Gott von mir? Heute. Er schaut sich dabei schon an, was überliefert ist. Aber er hat auch überhaupt keine Angst, Traditionen über den Haufen zu werfen. Er vertreibt die Händler aus dem Tempel, weil sie mit Gott Geld verdienen wollen. Er stellt sich gegen die Schriftgelehrten und verhindert, dass die Ehebrecherin gesteinigt wird, weil er das unmenschlich findet. So grausam ist der Gott nicht, an den Jesus glaubt.

Der Wein, den Jesus anbietet, ist jung. Er ist es bis heute geblieben. Seine Einstellung ist oft provokant und birgt große Sprengkraft. Immer und immer wieder zu vergeben, sich nicht um den nächsten Tag zu sorgen, sein Herz nicht an Besitz zu hängen - das ist alles ungeheuer aktuell und verlangt Konsequenzen. Es scheint mir mehr als deutlich zu sein, dass viele alte Schläuche das nicht mehr lange aushalten. Ich meine bereits das Bersten zu hören. Und ich kann nicht sagen, ob ich mich mehr davor fürchte oder mich mehr darauf freue. Die Katholische Kirche in Deutschland versucht sich einmal mehr an einem Reformprozess. Weil es etliche Bischöfe gibt, die auch spüren, dass es die alten Schläuche nicht mehr lange aushalten. Wenn sie Jesus treu sein wollen, dann müssen sie jetzt von ihrer Macht abgeben, vor allem an Frauen. Weg von den überholten Gesetzen und starren Bestimmungen, die verhindern, dass Menschen gut leben können. Jesus hätte sie längst über den Haufen geworfen.

 

[1]Mk 2,22 parr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31790
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