Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07OKT2020
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Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.So heißt es im Neuen Testament der Bibel, im Matthäusevangelium, Kapitel sieben. Jedes Mal wenn ich höre, dass einer sich auf sein Christentum beruft, muss ich an diesen Satz denken. Jesus hat ihn seinerzeit aus dem gleichen Grund gesagt. Weil ihm aufgefallen ist, dass da bisweilen eine Lücke klafft: zwischen dem, was einer redet und dem, was er tut.

Mir fällt das besonders auf, wenn es um das Flüchtlings-Thema geht. Ich weiß: Viele können oder wollen dazu nichts mehr hören. Wir sprechen aber an dieser Stelle immer wieder darüber. Weil die Not nicht geringer wird, und das eine Schande ist. Weil es uns schmerzt zu sehen, dass die Existenz von Menschen mit Füßen getreten wird. Kinder zu sehen, die auf der Straße schlafen müssen, Jugendliche ohne Perspektive für ihre Zukunft. Dazu können wir nicht schweigen. Wir sehen in ihnen wie in jedem Menschen ein Ebenbild Gottes. Wir denken daran, wie Jesus gehandelt hat, wenn er es mit Menschen in Not zu tun hatte. Er hat nicht gerechnet, weder nach Herkunft oder Vorgeschichte gefragt, sondern geholfen. Zumal wenn ein Menschenleben in Gefahr war; da hätte er sogar sein eigenes geopfert. So weit gehen wir nicht. Aber wir verlangen Menschlichkeit und Respekt vor jedem Geschöpf, weil es der Kern unseres Glaubens ist: Den Nächsten zu lieben, auch den Fremden, sogar den Feind.

Aber was ist mit denen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen? Und was mit denen, die keine Christen sind? Haben wir nicht schon viel zu viele aufgenommen, so dass unsere Kultur durch sie in Gefahr gerät? Solche und ähnliche Bedenken bekommen wir regelmäßig zu hören. Das ist in Ordnung. Es braucht in einer freien, offenen Gesellschaft den Austausch von Argumenten. Für mich ist aber dann die Grenze erreicht, wenn jemand sich mit solchen Argumenten auf sein Christsein beruft. Ich spreche keinem ab, dass er Christ ist. Aber als Christ kann man nicht jede Meinung vertreten. Wer Christ ist, kann sich nicht zuerst um sich selbst und seinen Wohlstand sorgen oder um den Fortbestand der Kirche. Es ist nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar, ein Leben gegen ein anderes aufzurechnen. Und es genügt auch nicht zu beten oder Worte zu machen. Das reicht nicht für das Himmelreich, sagt der Evangelist Matthäus. Wer dort hin will, muss sich an dem orientieren, was Jesus getan hat, und es dann auch selbst tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31788
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