Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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05OKT2020
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Wer viel mit anderen Menschen zu tun hat, weiß: Das geht nicht immer und mit allen gut. Unterschiedliche Meinungen, Sympathie und Antipathie, schnell daher gesagte Worte und Konflikte prallen oft aufeinander. Das ist an der Tagesordnung. Es passiert mir selten, dass ich mich mit jemandem richtig zerstreite. Meistens dann, wenn ich in einer Situation den Überblick verliere, wenn ein Wort das andere gibt, schnell und unüberlegt daher gesagt, grob, verletzend.  In so einem Augenblick denke ich nicht weit genug, meine im Recht zu sein, achte bloß darauf, nicht den Kürzeren zu ziehen. Aber später, nach einer gewissen Zeit, wenn ich länger darüber nachdenke und es mir gelingt, über der Sache zu stehen, dann kann es sein, dass ich feststelle: Daran war ich Schuld. Es war mein Fehler, dass wir unfreundlich und ohne Lösung auseinander gegangen sind.

Wenn ich das merke, habe ich ein schlechtes Gewissen, und würde das, was geschehen ist, gern rückgängig machen. Aber das geht natürlich nicht. Ich habe nur zwei Möglichkeiten. Entweder versuche ich das Problem mit mir selbst abzumachen und irgendwie einen Weg zu finden, damit zu leben. Bis das funktioniert, dauert es aber eine Weile. Und ich spüre: Das ist im Grunde keine Lösung. Das Problem ist nur unterdrückt. Und jedes Mal, wenn ich der betreffenden Person wieder begegne, steht der alte Konflikt im Raum und ist uns im Weg. Ganz offensichtlich ist das nur die zweitbeste Variante. Bleibt als Alternative: Ich wage mich aus der Deckung und gehe auf den zu, mit dem ich im Clinch liege. Und zwar mit der festen und alleinigen Absicht, mich zu entschuldigen. Ich gebe unumwunden zu, dass ich etwas falsch gemacht habe, und dass es mir leidtut. Ja, das kostet Überwindung, dazu muss ich über meinen Schatten springen. Aber wenn mir das gelingt, und mein Gegenüber die Entschuldigung annimmt, dann ist das wunderbar. Dann ist das für mich etwas vom Schönsten, das es unter Menschen gibt. Und ich fühle mich hinterher buchstäblich frei, innerlich aufgerichtet und glücklich. Ich glaube, wer das einmal so erlebt hat, der kann daraus für sein weiteres Leben nur profitieren.

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