Oktober 1990. Knapp ein Jahr vorher war die Mauer gefallen. Und dann ging es plötzlich ganz schnell: Innerhalb kürzester Zeit wurden weitreichende Entscheidungen getroffen: Eine gemeinsame Währung, gemeinsames Wirtschaften, der Einheitsvertrag. „Wir sind ein Volk!“ haben viele gesagt und gewollt. Die Friedensgebete in der ehemaligen DDR haben ihren Teil dazu beigetragen. Und manche haben schließlich gesungen: „Nun danket alle Gott“. 30 Jahre ist das jetzt her.

Aber nicht alle konnten damals jubeln. Viele haben sich Sorgen gemacht: Wie soll das gehen für die Sozialkassen? Was wird dann aus meiner Arbeitsstelle? Wer soll das alles bezahlen?
Solche Sorgen waren auch nicht unbegründet – das wissen wir heute. Nicht alle Entscheidungen damals waren richtig.

Und trotzdem: Ich finde, die Einheit ist ein ganz großes Glück, und vieles ist gelungen. Eigentlich sollten wir das heute richtig feiern. Aber stattdessen ist in diesem Jahr plötzlich wieder alles anders und große Feierlichkeiten müssen ausbleiben.

Wieder wurden in kürzester Zeit weitreichende Entscheidungen getroffen. Und wieder weiß man nicht, ob alles richtig war, was entschieden wurde.

Wir mussten zu Hause bleiben, haben auf Freunde und Familie verzichtet oder darauf, auszugehen und Feste zu feiern. Wir haben Masken genäht, Nachbarschaftshilfen organisiert und Einkaufsdienste übernommen. In manchen Momenten war ich echt überwältigt von dem „Wir-Gefühl“, das dabei entstanden ist.

Aber viele machen sich auch Sorgen, wie damals nach der Wende: Wie soll es weitergehen für die, die ihre Arbeit verloren haben? Wer soll das alles bezahlen? Wie sieht die Zukunft aus?

Ich wünsche mir, dass wir in 30 Jahren auf diese Zeit jetzt zurückschauen mit einem ähnlichen Gefühl: Nicht alle Entscheidungen waren richtig, manches tut noch lange weh, aber gemeinsam, mit Rücksichtnahme auf einander, haben wir es auch durch diese Zeit geschafft. Vielleicht sollten wir Christen heute dafür beten.