Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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19AUG2020
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Im August 1520 sollte Demokratie in die Kirche einziehen. Vor genau 500 Jahren. Da erschien die Schrift: „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“, innerhalb weniger Monate kamen wohl an die 70.000 Exemplare davon in Umlauf. Für die damalige Zeit war das eine ungeheure Zahl.

Verfasser der Schrift war der noch relativ junge Theologieprofessor Martin Luther. Er hatte erlebt, dass vieles in der Kirche die Menschen klein hielt und unmündig. Zunächst hatte er versucht, eine Reform von innen zu erreichen. Aber das schien aussichtlos und so wandte er sich jetzt an die Fürsten, den „christlichen Adel“. Sie sollten die Kirche reformieren, so dass die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetzt, sondern ermutigt und für ihren Alltag gestärkt würden.

Grundlage war für Luther die Einsicht, dass alle Christen gleichen Standes seien. Alle, die getauft sind, sind gleich, alle könnten Priester, Bischof, ja sogar Papst sein. Zwar gibt es verschiedene Ämter, zu denen die Amtsinhaber hoffentlich begabt sind und ausgebildet werden. Aber es gibt keine besseren und schlechteren Christenmenschen. Luther hatte diese für damals revolutionäre Idee aus der Bibel. Im 1. Petrusbrief hatte er gelesen: „Ihr seid die königliche Priesterschaft… das heilige Volk. Ihr sollt die Wohltaten Gottes verkündigen.“ (1. Petr 2,9) Das war in der Zeit der ersten Christen zu allen Glaubenden gesagt. Und Luther fand: Das gilt noch heute! Alle Glaubenden sollten an der Gestaltung der Kirche beteiligt werden.

Für Luther hatte das tiefgreifende Konsequenzen, die er in 27 Sätzen darlegte. Ein paar davon will ich ihnen nennen:

Klöster sollten wieder das sein, was sie einmal waren: Schulen, in denen Leute gebildet wurden, damit sie regieren und predigen könnten. Das Pflichtzölibat sollte aufgehoben werden. Die Einhaltung der Fastenzeiten sollte freiwillig sein. Ablassbriefe sollte es nicht mehr geben. Zinsgeschäfte sollten unterbunden werden. Und last not least: Bordelle sollten geschlossen werden.

Das waren Reformen nicht nur in der Kirche, sondern auch Reformen der Gesellschaft, die Luther vorschlug. Über manches davon wird bis heute diskutiert, manches ist längst passiert. Luther hat sich vorgestellt, dass die weltlichen Fürsten das alles durchsetzen könnten. Obwohl: Eigentlich hätten alle Menschen dafür ja gemeinsam beraten müssen, wie man Änderungen einführt. Das war Luther aber wohl zu unsicher, die wenigsten konnten damals schreiben und lesen. Gut aber, wenn seine Reformideen nicht in Vergessenheit geraten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31497
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