SWR2 Wort zum Tag

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04SEP2020
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Meine Tochter und ich stehen in einer Kirche. Und da fragt sie mich plötzlich: „Warum sind die Fenster in den Kirchen eigentlich bunt?“ Ich sage zu ihr: „Kirchenfenster erzählen oft Geschichten und für die Menschen früher waren sie eine Art Bilderbuch. Selbst wenn ich in der Kirche sitze und den Gottesdienst nicht verstehe, kann ich immerhin die bunten Fenster anschauen und mich an die biblischen Geschichten und das Leben der Heiligen erinnern.

„Der Mensch dort oben am Fenster leuchtet richtig hell.“ unterbricht mich meine Tochter. Die Sonne steht günstig und die Umrisse der Heiligen Maria leuchten ganz besonders. Das bunte Licht fällt bis auf den Boden, als wäre ein leuchtender Teppich vor uns ausgerollt.

„So würde ich auch gerne leuchten.“ sagt sie mit großen Augen. Ich muss schmunzeln. Und im gleichen Moment denke ich: Das tust du! Das sage ich ihr dann auch: Du leuchtest immer (wieder) für mich. Und ganz besonders dann, wenn du dich freust und mit strahlenden Augen zu mir schaust. Oder wenn du ganz liebevoll etwas mit deinen Geschwistern teilst. Dann leuchtest du für mich. Es freut sie richtig, das von mir zu hören.

Ich denke ähnlich wird es wohl auch bei den Heiligen gewesen sein. Sie hatten bestimmt schon eine positive Ausstrahlung als sie gelebt haben. Sie haben angepackt und geholfen - motiviert von ihrem Glauben an Gott. Durch das, was sie gesagt und getan haben, haben die Menschen gespürt, dass es den Gott von dem Jesus erzählt hat, wirklich gibt. Mehr noch, die Heiligen waren in gewisser Weise transparent, also durchsichtig für Gott und die Welt. Das ist für mich wie bei einem Diamanten, der das klare weiße Licht in tausend bunte Farben bricht. Sie haben also schon damals so geleuchtet wie sie auch heute noch an den Fenstern leuchten.

Kann ich das auch? Natürlich muss ich nicht gleich den Anspruch haben ein Heiliger zu werden, das wäre wohl auch etwas vermessen.

Aber mich persönlich motivieren solche Lichtgestalten schon. Frère Roger Schütz, der die Gemeinschaft von Taizé gegründet hat, hat mal gesagt: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“

Für mich konkret heißt das zum Beispiel zuhören und ernst nehmen ohne gleich Ratschläge zu geben. Oder jemandem helfen, weil er oder sie gerade Hilfe braucht. Wenn ich das vom Evangelium lebe, was ich verstanden habe, werde auch ich durchsichtig für Gott und die Welt wird etwas heller und bunter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31493
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