SWR2 Wort zum Tag

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15AUG2020
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Wie hat mich das beeindruckt:

Unlängst gratulierte ich einer Hochbetagten - Corona bedingt am Telefon -  zum Geburtstag.

Ich fragte sie, wie es ihr geht. Und sie antwortete freudig:

„Bestens. Ich sehe Mauersegler vor meinem Fenster.

Die beobachte ich den ganzen Tag. Das sind faszinierende Nachbarn.

Die haben hier am Haus einen Nistkasten. Was sind das für tolle Flieger!“ 

Keine Klagen, keine Krankheitsgeschichten höre ich als erstes,

sondern etwas von ihrer reinen Freude an diesen Geschöpfen.

Der Blick aus der Stadtwohnung in den Himmel – unweit einer sehr belebten vierspurigen Bundesstraße – auf die besonderen Gäste in der Luft. 

Ich konnte ihre Freude sofort nachempfinden. Hatte ich nämlich gerade zuvor selber am Haus Mauerseglerkästen anbringen lassen – und warte nun sehnlich darauf, dass welche einziehen. 

Mauersegler faszinieren mich - seit meiner Kindheit.

Seit wir in einer Mietwohnung in Hannover einen völlig entkräfteten Mauersegler gestrandet auf dem Fensterbrett gefunden hatten.

Ich wusste damals noch nicht, dass diese wunderbaren Vögel immer in der Luft unterwegs sind und niemals Bodenkontakt haben.
Ihr Nistplatz ist ihr einziger Berührungspunkt mit der Erde.

Auch ich bestaune ihre Sturzflüge und Zick-Zack-Kurse.

Atemberaubend - bis zu 120 Stundenkilometer schnell.

Auf ihren tausende Kilometer langen Flügen in ihre Winterquartiere leben sie buchstäblich von Luft und Liebe. Ja, sie schlafen sogar im Fliegen.

Was für eine wunderbare Schöpfung!

Ihre Schreie/Rufe - „si-si-si“ - haben ihnen ihren hebräischen Namen in der Bibel gegeben – gerade so wie sie heute auch im modernen Arabisch sîs heißen.

Im Buch des Propheten Jeremia sind Mauersegler neben Storch und Kranich als Zugvögel erwähnt (Jeremia 8,7). Das macht sie bei Jeremia zum Vorbild für Menschen. Weil sie sich nämlich an die ihnen innewohnenden Gesetze halten, an Zeiten und Wege, die ihrer Natur entsprechen.

Es heißt bei Jeremia: Sie wissen ihre Zeit, wann sie wiederkommen sollen.

Sie sind also an die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Art gebunden. Doch in diesen Grenzen – sind sie auf ihre Art –  in ihren schwindelerregenden Flugbahnen – freie Segler in der Luft. 

Für drei Monate sind sie Gäste unter uns – und machen sich im August schon auf den Rückweg in den Süden. Sie kommen wieder – ihrer Art gemäß.

Und hoffentlich ziehen sie dann im nächsten Frühjahr auch bei mir ein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31480
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