SWR2 Wort zum Tag

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14AUG2020
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„Wir werden ... wahrscheinlich einander viel verzeihen müssen.“

So hat  Gesundheitsminister Jens Spahn im April (22.4.) die ergriffenen Maßnahmen in der Corona-Krise kommentiert.

Ein bemerkenswertes Wort, finde ich.

„Wir werden ... einander viel verzeihen müssen“.

Jens Spahn blickt auf staatliches Handeln zurück –  u n d voraus.

Er weiß darum, dass es eine Zeit gibt, wo sein und unser aller Handeln kritisch betrachtet werden wird - auch jetzt – angesichts einer drohenden zweiten Infektionswelle.

Waren die ergriffenen Maßnahmen viel zu streng – oder viel zu lasch? 

Sein Wort ist mehr als ein Freibrief für staatliches Handeln, den sich der Minister selber ausstellt. In seiner Haltung und in seinem Ton höre ich:
„Kann sein, ich selber habe als Gesundheitsminister Dinge veranlasst, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht als richtig – sondern als falsch betrachtet werden.

Wir alle können uns mächtig geirrt haben.“ 

Jens Spahns Wort appelliert an uns:

Wir werden uns etwas zu verzeihen haben, von dem wir jetzt noch nicht wissen können, dass es fehlerhaft ist.

Das gilt für das Verhalten in der Politik - und genau so auch im Beruf, als Erziehende, in der Partnerschaft, in der Familie. „Nur wer schläft – sündigt nicht.“ 

Jens Spahn erinnert so an unsere menschliche Bedingung:

Wir werden auch mit noch so gut überlegten und gut gemeinten Taten,

Schaden anrichten und schuldig werden können.

Genau das Wissen darum ist eine Weisheit, die unser Miteinander tragen helfen kann.

Damit es nicht in Vorwurf, Streit und Zwietracht auseinanderbricht,

wo Anlass zu einer Bitte um Verzeihung ist. 

Freilich: Ob um Verzeihung gebeten wird – ob Verziehen werden kann –

und ob sich so Versöhnung und ein neues Leben eröffnet – das bleibt immer offen.   

Es kann sein und es soll so sein, sagt Jens Spahn mit seiner Bemerkung.

Schön, wo das möglich wird – nicht nur im Blick auf die Corona-Krise:

Dass ich Fehler erkenne und bereue, um Vergebung bitte.

Jesus, der offenkundiges Unrecht am eigenen Leib verspürt hat, hat am Kreuz in die Welt gerufen:
„Vater, vergib ihnen, dennsie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,24)

Kein Vorwurf – kein Wunsch nach Vergeltung!

Wie oft ist dieses Jesuswort vom Kreuz überhört worden!

Wie könnte es uns zum Verzeihen und Frieden stiften animieren. 

Wir werden einander noch viel zu verzeihen haben – immer  wieder.

Und, so hoffe ich, verzeiht uns auch der, der unsere bewussten und unbewussten Untaten kennt, der uns das Leben schenkt und noch erhält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31479
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