SWR2 Wort zum Tag

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13AUG2020
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Wie viele Spannungen hat Corona bis heute ausgelöst.

Und ein Ende ist nicht abzusehen.

Vor allem in Gruppen: Wie verschieden wird das Infektionsrisiko empfunden!

Welten prallen da aufeinander. Auch in Gottesdiensten ist das so.

Für die einen, können es gar nicht genug Vorsichtsmaßnahmen sein.

Sie achten peinlich genau darauf, dass kein Blatt Papier mit nicht desinfizierten Händen ausgeteilt oder weitergereicht wird.

Wehe ein Wort wird ohne Mund-Nase-Schutz gesprochen. 

Anderen erscheint das alles übertrieben und unnötig.

Die stehen nah beieinander und schütteln den Kopf über diese strengen Regeln.

Das sei alles zu viel Vorsicht. 

Wie soll man damit umgehen?

Als Antwort sagte mir eine Freundin aus der Schweiz: „Wer Angst hat, hat recht!“ Anders käme man da nicht weiter. „Du kannst Corona-Ängste nicht wegdiskutieren, nicht allein mit Argumenten überwinden. Angst ist eine Empfindung. Die gründet tief.“ 

Das heißt dann wohl: Es ist sinnvoll, erst einmal Ängste zu respektieren.

So wenig wie ich einem Kind im Schwimmbad die Angst vor dem Sprung vom Dreimeter Brett nehmen kann, indem ich ihm etwas über die Oberflächenspannung des Wassers erzähle, – so wenig gelingt es, Verängstigten in der  Corona-Pandemie  mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ihre Ängste auszureden.

Wer Angst hat, hat recht! Das ist wohl der erste Schritt. 

In einem zweiten Schritt allerdings, finde ich, gehört auch ein Fragezeichen dahinter.

Hinter die Angst - und dass immer recht habe, wer Angst hat.

Jesus hat einen differenzierten Umgang mit der Angst in einen spannungsreichen Satz gefasst: „In der Welt habt ihr Angst – aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33)

Die Angst ist da. Sie hat einen Grund und sie hat ein Recht.

Aber das ist nicht das Ende. Angst muss nicht ersticken, lähmen.

Es gibt ein Über-Winden, einen Weg hinaus.
Das hieße: Corona ist eine reale Bedrohung – wie andere auch. Doch: Ich bin und bleibe auch in höchsten Nöten von Gott getragen!

Ich glaube schon, wenn sich beide Seiten – die sehr Ängstlichen und die sehr Unbeschwerten – von ihren Empfindungen erzählen, ohne sich überzeugen zu wollen, kann etwas in Bewegung kommen.

In Angst erstarrte – und die leiden unter der Pandemie ganz fürchterlich – sie könnten einen maßvollen Umgang mit ihrer Angst vor einer Infektion finden.

Und die ganz Unbeschwerten könnten mitbekommen, dass es berechtigte Ängste und sinnvolle Vorsichtsmaßnehmen gibt. Solche nämlich, die die drohende Verbreitung wirksam verhindern können. 

Dann hätten beide Seiten Recht.

Das wäre noch schöner.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31478
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