SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

02AUG2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Erinnern Sie sich an Daliah Lavi und ihr Lied: „Meine Art Liebe zu zeigen, das ist ganz einfach schweigen. Worte zerstören, wo sie nicht hingehören.“ Heute weiß ich, wie recht sie hatte. „Worte zerstören, wo sie nicht hingehören.“

Es gibt Sätze, die braucht niemand. Es wäre gut, sie würden nie gesagt. Damit sie nicht weh tun können. Da ist Stillsein eine Art von Liebe. So ein Satz, den man besser nicht sagt, ist zB. „Du bist doch selber schuld.“
Vor allem wenn er in so einem Ton gesagt wird. Der kann bei dem oder der, die ihn abkriegt, was zerstören. Was kaputt machen. Zum Beispiel wenn man das zu einem Kranken sagt. Was soll das helfen? „Du bist doch selber schuld.“

Und trotzdem wird was immer wieder gesagt. Schon zu Jesu Zeiten haben Leute so gedacht und geredet. In der Bibel wird das erzählt (Joh 9,1ff):
Jesus war mit seinen Freunden unterwegs, sie kamen in ein Dorf und an einem Mann vorbei, der anscheinend immer da gesessen hat. Der Mann war blind von Geburt an. Und es kam was in so einer Situation anscheinend immer wieder kommt.

Dieses Denken:
„dass der nicht sehen kann, ist nicht „die Norm“, daran muss jemand schuld sein.“
Und schon kann einer von den Jüngern den Mund nicht halten und fragt:
„Du Jesus, Meister, wer ist schuld, dass der da blind ist, der Mann selber oder seine Eltern.“ Man kann nur hoffen, dass der Mann das nicht gehört hat. Er hat genug daran zu tragen, dass er nicht sehen kann. Jetzt soll er auch noch selber schuld sein. Was reitet uns, so zu denken?

Natürlich gibt es Ereignisse, da muss man nach der Verantwortung fragen. Und nach Schuld. Wenn jemand viel zu schnell fährt und einen Unfall verursacht, da ist die Schuldfrage angebracht.

Aber es gibt Situationen, da ist die Schuldfrage so überflüssig wie ein Kropf. Bei vielen Krankheiten zB. Und ich finde, man muss da genau unterscheiden. Wann man nach Schuld fragen darf. Wenn jemand eine Krankheit trifft, dem muss man zur Krankheit nicht auch noch die „Selberschuld- Last“ auf die Seele legen. Es gibt Krankheiten, die kommen einfach. Der eine kriegt sie und man weiß nicht warum und die andere kriegt sie nicht. Und man weiß auch nicht warum.

Ich glaube: wir müssen akzeptieren, es gibt Krankheiten. Sie sind ein Teil des Lebens. Man weiß nicht warum, aber man kann miteinander damit leben. Und zwar gut menschlich und christlich. Als Kranker, als Angehörige und als Mensch in der Umgebung.

Jesus hat übrigens seinen Jüngern eine glasklare Antwort gegeben. „Keiner hat Schuld, weder er selber noch seine Eltern.“
Es gibt Sätze, die muss man runterschlucken. Wie Daliah Lavi gesungen hat: „meine Art Liebe zu zeigen, das ist ganz einfach schweigen. Worte zerstören, wo sie nicht hingehören.“

Was tut man stattdessen, wenn man eine Schuldzuweisung runtergeschluckt hat. Oder sich entschuldigt, wenn sie einem rausgerutscht ist. Dafür gibt es schöne Anregungen in der Geschichte von einem Mann, der von Geburt an nicht sehen konnte.

Die Geschichte steht in der Bibel: Zuerst macht Jesus seinen Freund*innen klar, niemand hat Schuld, dass er nicht sehen kann. Aber dann wird es richtig interessant. Vergesst die Schuldfrage, sagt Jesus, aber vergesst nicht den Menschen, der krank ist. In der Geschichte wird schön bildhaft erzählt, was gut ist.
Da heißt es:
„Der Mann, der nicht sehen kann, soll Gott erleben“ und erfahren, dass Gott nichts Dunkles ist, sondern hell, auch für ihn. So wie auch Jesus ‚Licht für die Welt‘ ist. Nicht finster. „Darum“, hat Jesus deshalb gesagt: „eifert mir nach als Christen. Versucht für andere immer was zu tun und zu sein, was das Leben heller machen kann. Sucht nicht nach Schuld, da stochert man im Dunkeln herum. Fischt nicht im Trüben. Macht Licht. Macht warm, macht herzlich.
Macht für Kranke das Leben heller.

Wie kann das gehen? Man braucht oft nicht viel Worte dazu, glaube ich. Hauptsache man steht zu dem oder der, die krank ist. Auch wenn es lange dauert. Am Anfang interessieren sich ja oft noch viele. Und dann kommt mit der Zeit das „Vergessen“. Wenn ein Mensch vergessen wird, kann sich das ziemlich dunkel anfühlen.

Also schon was von sich hören lassen, kann heller machen. Die Krankheit, die jemand aushalten muss, ein bisschen mittragen. Fragen wie es ihm oder ihr wirklich geht. Manchmal meint man als „Gesunder“, ‚ich weiß schon wie er oder sie sich fühlt.‘ Da kann man sich täuschen.

Ich denke, manchmal können schon kleine Zeichen hell machen. Wenn sie Verbundenheit und etwas Liebes ausdrücken. Mitgehen durch die Höhen und Tiefen. Für jemand beten und hoffen, wenn sie das selbst vielleicht nicht kann.
Es nicht klein reden, wenn es jemandem schlecht geht.

Aber auch, wenn jemand wieder gesund wird. Sich richtig freuen. Das Leben feiern, wenn es wieder hell wird. Nicht für selbstverständlich nehmen, wenn jemand gesund geworden ist. Und ordentlich danke sagen: Gott und den Menschen. Dafür, dass es immer wieder hell werden kann.
Weil Gott uns nicht hinters Licht führt, sondern zu sich ins Licht. Ich wünsche Ihnen eine gute, möglichst helle Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31406
weiterlesen...