SWR2 Wort zum Tag

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18AUG2020
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Vor einigen Jahren habe ich eine gute Freundin bei ihrem Schwangerschaftsabbruch begleitet. Der Vater des Kindes hatte sie sitzen gelassen. Im Grunde bin ich bei allem nur dabeigestanden. Ob ich ihr wirklich geholfen habe, weiß ich nicht. Ich habe meine Ansichten mitgeteilt und ihr zugehört. Ich bin nur Zeuge des tiefen und schweren Kampfs gewesen, der innerhalb dieser jungen Frau stattgefunden hat. Meine Überzeugung war damals klar: Ich habe Abtreibung abgelehnt. Ich war der Ansicht, dass ein Menschenleben in der Welt ist, sobald es gezeugt ist. Dass wir nicht über das Leben eines Menschen entscheiden dürfen, der sich nicht dazu äußern kann. Jedes Leben soll die Chance bekommen sich voll zu entfalten. 

Die Freundin hat viele Gespräche geführt. Neben den notwendigen Beratungsstellen hat sie sich noch andere Hilfe geholt. Sie hat mit Freundinnen gesprochen, mit Frauen, die selbst schon abgetrieben hatten und mit jungen Müttern. Es ist ihr wichtig gewesen, alle Seiten zu bedenken und zu beachten. Manche sind der Ansicht gewesen, dass sie als Frau das Recht habe über ihren eigenen Körper zu bestimmen. Hier hat man ihr geraten, sich ihr junges Leben nicht mit einem Kind zu verbauen, dort hat man ihr beschrieben wie schön und auch erfüllend es ist, ein Kind zu haben. Sie hat überall Meinungen, klare Aussagen und Überzeugungen gefunden. Sie konnte auch alles nachvollziehen. Aber irgendwie hat ihr das alles nicht weitergeholfen. 

Denn es ist leicht etwas zu einem Thema gesagt, wenn es einen selbst nicht betrifft. Von außen. Sie aber hat es betroffen. In ihr drin. Das Kind ist in ihr allein herangewachsen und die Entscheidung musste in ihr allein gefällt werden. Das habe ich irgendwann kapiert und habe aufgehört zu reden und es irgendwann geschafft sie nur in die Arme zu nehmen. Immer wieder. Und da hat sie dann geweint. Immer wieder. Ich bin dann mit zu dem Abtreibungstermin gegangen. Und ich weiß nicht, ob sie davor oder danach mehr gekämpft hat. 

Heute, etwa 10 Jahre später, hat sie zwei Kinder. Von deren Vater lebt sie getrennt, aber er hat sie nicht im Stich gelassen. Das geht auch. Die beiden Kinder sind großartig. Sie hat einen neuen Partner, der die zwei auch ins Herz geschlossen hat. Sie ist sehr glücklich.

Ich selbst bin immer noch gegen Abtreibung. Wahrscheinlich aus den selben Gründen wie damals. Aber wenn ich Abtreibung auch verurteile, so verurteile ich niemanden, der abgetrieben hat.

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