SWR2 Wort zum Tag

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17AUG2020
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2005 habe ich meine Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen. Als ich dann in der Pflege gearbeitet habe, ist immer davon die Rede gewesen, dass man sparen muss. Deshalb sei es nicht möglich mehr Personal einzustellen oder den Stellenschlüssel zu verbessern. Es ist recht unverblümt formuliert worden, dass das Pflegepersonal vor allem eines ist: Ein Kostenfaktor. 

Dieses Jahr höre ich allerorts, dass der Pflegeberuf systemrelevant ist. Die Pflegenden sind vor allem eines: Helden. Ich kann natürlich nicht für alle Pflegekräfte sprechen, aber ich komme mir angesichts dieser steilen Karriere meines Berufsbildes gelinde gesagt, etwas veräppelt vor. Auf jeden Fall nicht ernst genommen. Es ist natürlich schön, dass die Pflege derzeit Anerkennung erfährt und dass Menschen den Pflegekräften applaudieren oder Geschenke in Krankenhäuser schicken. Aber die Rede vom Helden mag ich gar nicht. Es ist für mich ein sehr hilfloser Begriff. Plötzlich wird sichtbar, dass man auf bestimmte Tätigkeiten angewiesen ist. Und die, die diese Tätigkeiten ausführen, werden dann zu Helden erklärt. Das betrifft nicht nur die Pflege, auch LKW Fahrer, Reinigungspersonal oder Angestellte im Supermarkt waren bislang nicht gerade in der Öffentlichkeit angesehene Berufe. Jetzt nennen wir sie Alltagshelden. 

Ich glaube, weil wir diese und andere Berufsgruppen vor der Corona – Pandemie unterbewertet haben, loben wir sie jetzt in den grünen Klee. Da schimmert so etwas wie ein gesellschaftliches schlechtes Gewissen durch. Denn eigentlich haben wir es doch schon immer gewusst. Es ist uns schon immer klar gewesen, dass es ohne die angesprochenen Berufe nicht geht. Aber irgendwie ist uns das offenbar egal gewesen. Ich kenne keine Pflegekraft, die ihren Beruf gewählt hat, um ein Held zu werden. Sondern weil es wirklich ein toller Beruf ist. Wenn man ihn in einem angemessenen Rahmen ausüben kann. Dieser Rahmen ist die letzten 20 Jahre so verformt und demoliert worden, dass man es schon heldenhaft nennen könnte, diesen Beruf überhaupt auszuführen. Auch ohne Covid-19. 

Helden sind meist tragische Figuren. Und werden schnell vergessen. Sie bekommen als Dank irgendwelche Orden oder Medaillen. Aber Pflegende und auch die anderen „Alltagshelden“ brauchen das nicht. Sie brauchen eine anständige Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen und genügend Kollegen und eine grundsätzliche Anerkennung ihrer Leistung. 

Ich würde mich freuen, wenn wir damit aufhören würden von Helden zu sprechen. Stattdessen sollten wir unser Miteinander so gestalten, dass wir kein Heldentum mehr brauchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31383
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