SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

26JUL2020
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Was zeichnet einen guten Politiker aus? Zumal, wenn er viel Verantwortung hat, über viele Menschen. Also weit oben steht als Regierungschef oder Präsidentin. Dazu gibt es bestimmt recht unterschiedliche Meinungen. Dass sie oder er sich durchsetzen kann, werden manche erwarten. Dass sie unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen kann, ist auch wichtig. Durchsetzungsvermögen, Weitblick, Geschick auf dem diplomatischen Parkett. Mir fallen noch jede Menge andere Eigenschaften ein, die einen guten Politiker auszeichnen. Gibt es eine Eigenschaft, die besonders wichtig wäre? Völlig unabhängig von Parteipolitik habe ich in den letzten Jahren unsere Bundeskanzlerin sehr bewundert. Wie es ihr gelingt, auch in großen Herausforderungen Ruhe zu bewahren. Wie konsequent sie nach Lösungen sucht und so gut es geht die anderen mitnimmt, die sie braucht, um ihre Politik umzusetzen. Im Vergleich mit anderen, die große Macht haben, finde ich sie herrlich uneitel. Ihr Ego braucht wenig Platz. Sie steht sich als Person nicht selbst im Weg. Sie ist an der Sache orientiert. Das ist sympathisch und hilft, gute Lösungen zu finden: in der Corona-Zeit, in der Flüchtlingsfrage. Lösungen, die möglichst viele Menschen unterstützen, ja, die Menschenleben retten. Wie gelingt einem Politiker das?

Um darauf eine Antwort zu finden, lohnt sich ein Szenenwechsel. Vom 21. Jahrhundert zurück ins erste Jahrtausend vor Christus. Salomo soll König in Israel werden. Nachfolger seines Vaters David aus dem Thron. David war berühmt. Und berüchtigt für sein taktisches Geschick. Er hat immer eine Lösung gefunden, allerdings nicht immer mit sauberen Mitteln. David hat gelogen und betrogen. Er hat sogar versucht, Gott an der Nase herumzuführen, wenn es um eine schöne Frau ging oder darum seine Macht zu sichern. Alles in allem hat er sich eher durchgewurschtelt, und es ist ihm dabei für lange Zeit gelungen, seine Position zu behaupten. Um die Menschen in seinem Land hat er sich dabei nicht immer gekümmert. Dazu war er wohl auch zu selbstverliebt. Wie wir es bis heute von manchen Politikern kennen, denen ihre Wiederwahl wichtiger ist als alles andere. Die Bibel berichtet: Gott hält David im Auf und Ab der Geschichte die Treue. Er weist ihn hin und wieder zurecht, aber alles in allem bleibt König David der Garant, dass es mit dem Volk, das Gott sich erwählt hat, gut weitergeht. Nach Davids Tod richten sich jetzt alle Hoffnungen auf den Thronfolger: Salomo. Aber der ist jung und unsicher. Im biblischen Buch der Könige heißt es dazu wörtlich: Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht aus noch ein. Dein Knecht steht aber mitten in deinem Volk, das du erwählt hast: einem großen Volk, das man wegen seiner Menge nicht zählen und nicht schätzen kann.[1] Salomo ahnt, welche Riesenaufgabe auf ihn wartet. Ihm ist mulmig zumute. Kein Wunder! Was wird ihm helfen, seinen Weg zu finden - einen Weg , der gut ist für ihn und für die Menschen, deren Regent er ist? Dazu gleich mehr im zweiten Teil der SWR4-Sonntagsgedanken.  

ZWISCHENMUSIK    

Salomo wird in jungen Jahren König von Israel. Welche Eigenschaft zeichnet ihn und andere als gute Politiker und Politikerinnen heute aus? Davon handeln meine SWR4-Sonntagsgedanken.

Salomo findet seine Antwort, indem er sich mit Gott auseinandersetzt. Er besucht kein Führungskräfteseminar und bemüht auch keinen Coach. Sondern er überlegt sich, was wohl Gott von ihm erwartet, von einem, dem viele Menschen anvertraut sind, von einem, der unterschiedliche Interessen und Strömungen zusammenhalten soll. Die Möglichkeiten, die ein Mensch hat, stammen ja von Gott. Sie sind in uns angelegt, und werden dann möglichst auch genützt. Als Salomo König wird, hat er bei Gott einen Wunsch frei. Und er wünscht sich eben nicht Reichtum, Macht oder besondere Klugheit, sondern: ein hörendes Herz.[2] Das scheint ihm die entscheidende Gabe zu sein, die einer braucht, der an der Spitze steht: ein hörendes Herz. Gott gefällt das. Und mir auch. Salomo hätte Gott ja um alles Mögliche bitten können, das ihm einen Vorteil verschafft. Stattdessen bittet er darum, gut zuhören zu können. Zu verstehen, was die Menschen in seinem Land umtreibt. Wo ihre Sorgen liegen, wovor sie Angst haben, woran es ihnen fehlt. Und er will das nicht nur hören, sondern er will dem mit Herz begegnen. Also es wirklich verstehen, sich davon berühren lassen und dann nach Lösungen suchen, die seinen Untertanen gut tun. Da wird es darum gehen, dass manche nicht genug zu essen haben, dass sie ungerecht behandelt werden oder gar ihr Leben in Gefahr ist. Wie heute auch. Es wird darum gehen, wie man mit Aggression umgeht, sie zu kanalisieren, damit sie niemandem schadet. Wie man die unterschiedlichen Interessen der Menschen miteinander versöhnt und dazu offene Wege des Dialogs findet. Wie heute. Salomo wünscht sich, das alles zu wissen, die ungeschminkte Wahrheit. Er will die Sorgen der Leute zu seinen eigenen machen. Das bedeutet für mich: Nähe und Menschlichkeit. Und mir scheint, nichts anderes, nicht mehr, aber auch nicht weniger, brauchen auch wir bei uns, damit wir gut zusammenleben in unserer Gesellschaft, in unserem Land.

 

[1] 1. Buch der Könige 3,7-8

[2] 1 Kön 3,9a

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31377
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