SWR2 Wort zum Tag

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20JUL2020
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Geschwister. Das Wort löst ganz unterschiedliche Emotionen aus. Es gibt Familien, da können die Geschwister überhaupt nicht miteinander. Bei anderen ist die Schwester oder der Bruder der beste Freund. Manche Geschwister bekriegen sich, etwa wenn es um das Erbe geht, andere telefonieren regelmäßig miteinander.

Ich habe viele und ganz unterschiedliche Erinnerungen an meine vier Geschwister. Eine davon: Ich muss so um die zehn Jahre alt gewesen sein, da wurde in der Nachbarschaft geheiratet. Alle haben gefeiert, niemand auf uns Kinder geachtet. Da haben meine Geschwister und ich heimlich das Kuchenbuffet geplündert. Dann sind wir mit vollem Bauch nach Hause geschlichen, haben uns gemeinsam unter einem Baum fallen lassen und konnten uns nicht mehr rühren.

Eine ganz andere Erinnerung: Wir streiten ohne Ende. Schreien uns an. Der Anlass: Ganz egal. Heute denke ich: Klar, fünf Kinder, da gibt’s laufend Rivalitäten und Machtkämpfe. Aber ich erinnere mich auch: Das hat selten lange angehalten.

Später dann wurde der Kontakt lockerer, jeder ging seine Wege. Aber immer wieder kommen wir seitdem zusammen. Zu Festen und Feiern. Und dann hat das was von früher. Alle quatschen durcheinander, es werden Witze gerissen und es wird fast immer gegessen. Wir verstehen uns – zum Glück – immer noch.

Ich weiß, dass es in anderen Familien anders ist. Dass Konflikt und Streit dominieren. Aber meine tiefe Erfahrung ist die: Geschwister bleiben. Egal, wohin es einen verschlägt. Egal, ob man sich nahe steht oder auf Distanz geht. Egal, ob man ähnliche Ansichten hat oder sich voneinander entfernt.

Blut ist dicker als Wasser heißt es. Für mich eine Aufforderung, immer wieder auf meine Geschwister zuzugehen, was immer auch sein mag. Und gut damit umzugehen, dass wir eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Erinnerungen haben. Weil die jeden von uns prägen und ausmachen.

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