SWR2 Wort zum Tag

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05JUN2020
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„Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Das ist vielleicht der bekannteste Satz, der von Friedrich Hölderlin überliefert ist. Er klingt heute oft recht harmlos. Dabei ist er bei Hölderlin durch harte Lebenserfahrungen gedeckt. „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende“.

Der Satz erscheint mir wie eine Reminiszenz an eine biblische Erfahrung, die Friedrich Hölderlin genau gekannt hat.
Paulus, der Apostel hatte diese Erfahrung und Hoffnung formuliert: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, ….weder Hohes noch Tiefes …uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist.“

Wie gesagt Hölderlin kannte diese Verse aus der Bibel. Auf Wunsch seiner Mutter hat er Theologie studiert in Tübingen. Mit seinen Kommilitonen Hegel und Schelling hat er eine Art Bund gegründet. Als Losung hatten sie sich gegeben: „Reich Gottes“. Das wollten sie verwirklichen. Eine neue Kirche, ein Reich des Geistes, der Schönheit und der Liebe.

Ein paar Lebensjahre später war bei Hölderlin dieser hochfliegende Glaube ans Reich Gottes, das man hier auf Erden verwirklichen könnte, gebrochen. Gebrochen, aber nicht völlig zerbrochen. Obwohl man ihm das nicht hätten verdenken können.

Pfarrer wollte und konnte er nicht mehr werden. „Mein sonderbarer Charakter, meine Launen, mein Hang zu Projekten und um nur die Wahrheit zu sagen, mein Ehrgeiz – lassen mich nicht hoffen, dass ich.. auf einer friedlichen Pfarre glücklich sein werde.“

Er passte nicht in die schwäbische Pfarrerschaft seiner Zeit. Er passte überhaupt nicht in seine Zeit. Seine Liebe zur verheirateten Mutter seiner Schüler endete damit, dass man ihm seine Stelle als Hauslehrer gekündigt hat. Seine Dichtung wurde von denen, auf die es damals ankam, nicht anerkannt. Seine Geliebte ist gestorben. Für ihn ging das Leben abwärts ins Ungewisse. In seinem „Schicksalslied“ heißt es: „Doch uns ist gegeben/Auf keiner Stätte zu ruhn, /Es schwinden, es fallen /Die leidenden Menschen /…….. Jahr lang ins Ungewisse hinab.“

Was für ein Kontrast zum Reich der Schönheit des Geistes und der Liebe. Von dem sie jugendlich geträumt hatten. Trotzdem: „Wo Gefahr ist, da wächst das Rettende auch.“ Diese Hoffnung ist ihm nicht völlig zerbrochen. „Was wäre das Leben ohne Hoffnung?“ hat er geschrieben.

Das finde ich wirklich erwachsen menschlich. Nicht gebrochen vom Leben. Irgendwo immer noch aufrecht. Ähnlich wie Paulus, der daran festgehalten hat. “Nichts kann am Ende trennen von Gottes Liebe.“

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