SWR2 Wort zum Tag

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04JUN2020
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„Hinter uns steht nur der Herrgott – Ein Chirurg erinnert sich.“ So hat Hans Killian seine Autobiographie überschrieben. Killian war Chirurg und einer der Begründer der modernen Anästhesiologie im 20. Jahrhundert. Eine befreundete Kollegin hat mir gesagt: Seine Biographie hat es in sich.

„Hinter uns steht nur der Herrgott“. Man sieht beide quasi vor sich: Gott, der dem Chirurgen wie einem jüngeren Kollegen vertrauensvoll die Hand auf die Schulter legt.

Was ist das, habe ich mich gefragt. Ärztliche Selbstüberschätzung, von wegen „hinter mir steht Gott?“ Ich glaube nicht, da sieht einer eher seine Grenzen. Hans Killian hat an das „Walten des großen Unsichtbaren“ geglaubt. Und war überzeugt, dass Gottes Antlitz „ernst und gütig hinter allen Gestalten und Ereignissen durchscheint.“ Er spürte „die Fruchtlosigkeit aller Bemühungen,“ so schreibt er, „wenn Gott sein Nein zum Leben eines Kranken spricht, und die Freude, wenn wider alle Vernunft und Wissenschaft, das Wunder der Heilung geschieht.“

Denn Gott steht nicht nur hinter dem Arzt, er steht auch hinter dem Patienten. Oder der Patientin. Darum erinnert Killian am Ende seines Buches besonders an den Dank- und Abschiedsbrief einer schwer kranken, schwangeren Frau. Sie wusste, dass sie sterben würde. Ihr Kind konnte Killian retten, aber nicht das Leben der jungen Frau. Kurz vor ihrem Tod hat sie ihm noch geschrieben: „Ach ja, das ewige Leben und die ewige Seligkeit. Von den Kanzeln wir die frohe Botschaft gepredigt, aber wenn es dann ans Sterben geht, gebärden sich die Menschen, vor allem die Angehörigen, als wenn einem das größte Unglück widerführe.“ Das wollte ihr trotz ihrer Schmerzen und Angst nicht einleuchten.

„Ich will mich nicht besser machen, als ich bin“ hat sie geschrieben. „Auch ich habe oft Angst vor dem Sterben, die dumpfe Furcht der Kreatur vor dem Sturz in den schwarzen Abgrund des Nichtseins.“ Aber dann habe sie an ihr Kind gedacht und es angesehen als lebendigen Beweis für die Liebe Gottes. Und hat geschrieben:
„Ich habe das Leben immer geliebt, die Musik, die Blumen, die ganze Schönheit dieser Welt...Das alles loszulassen, fällt nicht leicht. Und doch, da Sie als mein Arzt mir in den schwersten Zeiten beigestanden haben, möchte ich ihnen noch einmal versichern: Ich gehe in der Gewissheit, alles drüben wiederzufinden, verklärt und von irdischen Schlacken befreit.“

Am Ende stand bei Hans Killian, dem Arzt wie bei seiner Patientin die Einsicht in die Grenzen dessen, was ärztliche Kunst vermag: „Der Arzt kuriert, aber Gott heilt.“

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