SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

05MAI2020
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Herr V lebt in einer Einrichtung für Menschen mit psychischen Problemen. Er ist vorsichtig, zurückhaltend, ja ängstlich, Schatten auf seiner Seele. Ich kenne ihn seit Jahren. Er kommt gerne in den Gottesdienst und zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen kam er jeden Tag zu uns in die Kirche.

Die ist offen und immer ist jemand da zum Reden. Die Kirche ist außer seinem Arzt der einzige Ort, an dem er mit jemand sprechen kann außerhalb der Einrichtung. Jeden Tag eine Portion Seelsorge, ermutigen, trösten. So schafft er es durch diese Tage. Dann hat er auf einmal angerufen. ‚Ich darf nicht mehr raus.‘ hat er gesagt.

Das war, als zu dem Besuchsverbot in stationären Einrichtungen auch noch das Ausgangsverbot dazu gekommen ist. „Das ist zum Schutz für uns alle, hat er gesagt, ich muss die anderen mitschützen. Die sind nicht alle so vernünftig. Ist schon gut, dann bleibe ich eben in meinem Zimmer und höre Musik“. Es fällt ihm nicht immer leicht mit den anderen Bewohnerinnen im Hof zu sein, er kann den Humor nicht immer vertragen, die Deutlichkeiten. Also im Zimmer bleiben.

Ich versuche, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Und immer wieder frage ich ihn, ob es an diesem Tag etwas gibt, was er tun kann, das ihn glücklich macht. Wir machen Kopfreisen. Letzte Woche in einem unserer Telefonate höre ich ihn das erste Mal seit Corona kichern.

Er erklärt mir „Happiness is a state of mind“- Glück ist Einstellungssache.
Dieser Satz erinnert ihn an eine junge Betreuerin, die er vor Jahren erlebt hat. Die Erinnerung an sie lässt ihn aufleben. Glück ist Auferstehung – jeden Tag in jeder Seele!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30850
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