SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

26APR2020
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Vor Hoffnung unruhig sein

Ohne Hoffnung ist das Leben nur die Hälfte wert. Das erlebe ich im Moment ganz intensiv. Das Leben ist ja schon einige Zeit merkwürdig anders. Normalität gibt’s nicht. Und trotzdem hoffe ich, dass sich das wieder ändert. Gar nicht unbedingt so, dass alles wieder so wie früher wird. Von mir aus darf es ruhig anders werden. Denn im Moment lerne ich, trotz aller Probleme: Viel Neues bricht auf. Das sind die langen Gespräche am Telefon mit meiner Mutter. Dafür hatte ich sonst weniger Zeit. Mit unseren Kindern verabreden wir uns zur Videokonferenz. Ich lese mehr. Habe den Eindruck, dass sich mein Leben verlangsamt. Und dass das nicht so schlecht ist. Klar: Manches nervt. Keine Besuche, keine Umarmung, kein vertrautes Gespräch. Wer kann sich schon auf zwei Meter Abstand gut unterhalten? Und es ist wirklich ziemlich komisch, auch mit Menschen, mit denen ich sehr vertraut bin, so auf Distanz zu gehen. Da weiß ich manchmal gar nicht, wie ich mich verhalten soll. Aber, das ist meine Hoffnung, das wird auch wieder anders.

Hoffnung habe ich gelesen, kommt von dem alten Begriff hopen. Meint:hüpfen, vor Erwartung unruhig rumspringen, zappeln. Das gefällt mir. Wenn ich hoffe, dann werde ich innerlich unruhig, fange vor Erwartung an zu zappeln. Ich setze darauf, dass sich meine Wünsche erfüllen.

Hoffnung ist aber noch mehr. Hoffnung ist eine Haltung. Sie sagt: Ich bin positiv auf die Zukunft ausgerichtet. Bin optimistisch. Bin so der Typ: Die Hoffnung stirbt zuletzt.Auch wenn ich weiß, dass alles begrenzt und endlich ist. Deshalb ist diese Hoffnung mit viel Realitätssinn durchsetzt. Keine Wunschträume, keine Illusionen, was alles sein könnte. Eher: Ich glaube daran, dass nach Krisen wieder bessere Zeiten kommen.

Es gibt nicht umsonst auch das Gegenteil: Schwarzmalerei, Verzweiflung, Angst und Sorge. Das dauernde Gefühl: Es wird noch schlimmer werden und noch schlimmer kommen.

Hoffnung ist auch deshalb eine der christlichen Tugenden. Der Grund? Glaube setzt auf Hoffnung. Selbst in größter Verzweiflung. Der Hoffnung, dass die Angst, dass sogar der Tod überwunden wird. Das klingt großspurig. Aber im Kleinen erlebe ich das eigentlich tagtäglich. Dass ich dauernd mit einem Hoffnungsvorschuss lebe. Ich hoffe, dass mir auf dem Fahrrad nichts passiert, ich hoffe, dass es den Kindern gut geht, ich hoffe, dass ich und alle anderen gesund bleiben. Ohne Hoffnung leben? Das geht gar nicht.  

Die Netze wieder auswerfen

Ohne Hoffnung lässt sich das Leben kaum bewältigen. Darum geht es heute in den Sonntagsgedanken.

Wir befinden uns noch in der Osterzeit. In den christlichen Kirchen würde heute im Gottesdienst eine hoffnungsvolle Geschichte gelesen. Worum es geht? Jesus ist gestorben und seine Freunde sind nach Hause gegangen. Arbeiten wieder als Fischer. Aber ohne Erfolg. Die Netze, die sie in der Nacht auswerfen, sie bleiben leer. Als sie ihre Boote ans Ufer bringen, verzweifelt und enttäuscht über ihre Pleite, da steht Jesus am Ufer. Aber die Fischer erkennen ihn nicht. Jesus sieht, dass sie nichts gefangen habe. Er drängt sie. Fahrt noch mal raus und werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus. Sie verlassen sich auf diesen merkwürdigen Mann – und können das Netz kaum noch einholen, so voller Fische ist es. Da erst erkennen die Jünger, dass sie mit Jesus sprechen.

Für mich eine Geschichte der Hoffnung. Jesus macht Hoffnung: Probiert es einfach noch mal. Von Resignation keine Spur.

Die Netze einfach noch mal auswerfen. Das finde ich ein starkes Bild. Denn oft genug erlebe ich ja auch, dass nichts in meinem Netz hängen bleibt. Da wollte ich ein gutes Gespräch führen – und wir kriegen uns doch wieder in die Haare. Da wollte ich gelassener bleiben – und rege mich doch wieder auf. Da wollte ich eine Bemerkung nicht persönlich nehmen – und kann doch nicht über meinen Schatten springen.

Dagegen gibt es kleine Zeichen und Augenblicke der Hoffnung. Eine Welle, die ein Boot trägt. Ein Netz, voll zappelnder Fische. Ein Mensch, der einem neuen Mut schenkt. Jemand, der mich aus meinem alten Trott reißt, aus Frustration und Müdigkeit und mich in die Gänge bringt.

Deshalb heißt Hoffnung für mich, es einfach nochmal zu probieren. Einen neuen Anlauf zu machen. Sich nicht von Sorge oder Ärger auffressen zu lassen. Sondern immer wieder von vorne zu beginnen. Und zu erleben: Das Leben lässt sich mit Hoffnung einfach besser bewältigen. 

 

Zum Sonntagsevangelium Johannes 21,1-14

1 In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tibérias, und er offenbarte sich in folgender Weise. 2 Simon Petrus, Thomas, genannt Dídymus, Natánaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. 3 Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. 4Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. 7 Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. 8 Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot – sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. 9 Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. 10 Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt! 11 Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. 12 Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch. 14 Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.

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