Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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16MRZ2020
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„Wer schweigt, stimmt zu!“ Diesen Satz habe ich in letzter Zeit einige Male gehört.

Wer schweigt, stimmt zu. Ich glaube in der Tat, dass es höchste Zeit ist, den Mund aufzumachen. Nicht erst, wenn jemand umgebracht worden ist, wie in Hanau, in Halle oder Kassel. Weit vorher. Beim rassistischen Spruch auf dem Schulhof oder in der Kneipe. Oder auch wenn irgendwelche Typen im Stadion Affenlaute von sich geben, weil ein Spieler eine dunklere Hautfarbe hat als sie selbst. Oder wenn jemand menschenverachtend über einen anderen herzieht und anschließend munter sagt „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ Nein, darf man nicht. Schlimm genug, wenn jemand menschenverachtend denkt. Wenn er es auch noch von sich gibt, verpestet er die Luft. Kritik: immer gerne. Menschenverachtende Sprüche: nein.

Ich kann’s nicht mehr hören, wenn es dann wieder heißt: Das geht doch nur gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Was soll das? Ich habe auch Migrationshintergrund. Vorfahren von mir waren Hugenotten und sind vor der Verfolgung im damaligen Frankreich geflüchtet, andere als Waldenser vor der Verfolgung in Italien. Das ist ein paar Jahrhunderte her. Ich vermute, wenn alle, die sich für durch und durch deutsch halten, nach ihren Ahnen forschen würden, dann würden sie sich wundern.

Es geht nicht gegen Fremde. Es geht gegen uns alle. Die Nazis zur Zeit Hitlers haben Deutsche umgebracht, über die sie gesagt haben: „Die sind gar nicht richtig deutsch. Die sind jüdisch. Jüdische Deutsche sind weniger wert als atheistische Deutsche oder evangelische Deutsche oder katholische.“ Genauso machen es Raubtiere auf der Jagd: Sie versuchen, ihr Opfer von der Herde zu trennen. Dann haben sie leichteres Spiel.

Darum: „Mach deinen Mund auf!“ Das ist jetzt kein Spruch aus den letzten Wochen, sondern ein uralter, aus der Bibel. „Mach deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind. Mach deinen Mund auf … und schaffe Recht dem Elenden und Armen.“ Das hat übrigens eine Mutter ihrem Sohn gesagt, als der König geworden ist, erzählt die Bibel. Ich finde wichtig, dass wir uns das auch heute zu Herzen nehmen und unseren Kindern weitergeben und vorleben. „Mach deinen Mund auf!“ Lasst euch nicht voneinander trennen. Denn wer schweigt, stimmt zu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30531
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