SWR1 Begegnungen

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Arnim Töpel....für die Bühne

Wolf-DieterSteinmann trifft Arnim Töpel, Kleinkünstler, Musiker, Autor aus Walldorf

Wir kennen uns schon lange. Kommen beide aus Walldorf bei Heidelberg. Es wird Zeit, dass ich erfahre, warum er das macht. An die 150 Auftritte jährlich, seit 20 Jahren hat Arnim Töpel hinter sich. Als Solist auf der Kleinkunstbühne. Was will er mit Programmen wie: „Sex ist keine Lösung.“ Oder: „Nur für kurze Zeit!“ Klingt wie Werbung, ihm geht’s um mehr.

Faszinierend ist es, wenn man das mal betrachtet im Hinblick auf unser Leben. Alles gibt es nur für kurze Zeit. Und es gibt einen winzigen Zusatz, wenn ich hier in der Region spiele, dann heißt es „Nur für kurze Zeit – Bindestrich - alles gloffe – Fragezeichen.“

Mit fast 40 hat er die Kleinkunst zum Beruf gemacht. War schon verheiratet, mit kleinem Sohn. Ich hätte da Sicherheit gesucht. Er Freiheit.

Es war auch ein Fingerzeig, etwas zu wagen, was ich wagen musste. Das wollte ich auch meinem Sohn nicht zumuten, später mal, ihm mit dem Gefühl gegenüber zu treten: ‚Du hast im Kern an etwas gehindert. Ich muss auch mit meinen Freiheiten umgehen, ich muss meine Freiheiten nutzen. Ich gehöre auf die Bühne.

Mit 20 kam er sich zu jung vor für diesen Beruf. Um was zu sagen zu haben, muss man was erlebt haben, findet er. Auf der Bühne geht es ihm ums Leben. Um Lebens-Kunst.

Mit meiner ganzen Persönlichkeit stelle ich mich auf eine Bühne und versuche, die Leute dabei eben auch mitzunehmen. Es tut mir fast leid, dass ich lauter Vokabeln verwende, die im evangelischen Kontext verwendet werden. Aber so empfinde ich und ich stehe immer stärker zu mir.

Älterwerden und Rückgrat gewinnen ohne Starre. Ermutigend, dass das geht. Für ihn gehören sie auf die Bühne, Themen, die nicht ganz leicht verdaulich sind, wie zB. „rechtzeitig gehen“.

Haben dann Leute gesagt: ‚Oh so ein schweres Programm Das klingt so nach Tod, ohne jede Zukunft.‘ Ein völliger Unsinn. Für mich war das wie eine Verheißung. Weil ich glaube, dass das wirklich eine große Aufgabe in unserem Leben ist, rechtzeitig zu gehen und zwar immer wieder. Auch im Privaten. Bei nem Nachmittag.

Loslassen können, auch in kleinen Dingen. Daran kann ich spüren, wie frei ich bin. Woran hänge ich zu sehr? Gut, dass der Glaube an Gott gibt Halt und Angst nimmt vor Verlust. – Arnim Töpel steht gern als Solist vor dem Publikum.

Diese Verbindung zu den Leuten habe ich, weil ich allein bin. Auf ner Bühne zu stehen, kostet Kraft. Daran spürt man, man hat etwas gegeben. Man bekommt aber genauso auch etwas zurück.

 „Anstöße“ will er geben. Damit Menschen Möglichkeiten, die das Leben bereithält, nicht liegen lassen, sondern entdecken. Wie er für sich den Dialekt.

Meine Muttersprache bleibt Hochdeutsch, aber meine Heimatsprache ist Kurpfälzisch. Das habe ich erst entdeckt mit 20. Das war auch wie eine Offenbarung. Weil ich ein anderer war und doch. Ich war es immer noch.

Für mich ist das christliche Freiheit. Dass man sich ändern kann. Auch innerlich. Und doch seinen Wurzeln verbunden. Bei Arnim Töpel ist die Bühne auch so etwas.

Das begann alles in der evangelischen Jugend und das habe ich nie vergessen und das weiß ich immer.

 

…. und den Gottesdienst

Seit drei Jahren schreibt Arnim Töpel auch Bücher. Krimis in Kurpfälzisch. Er sucht immer neue Ausdrucksmöglichkeiten. Noch mit weit über 50. Zusätzlich zu seinen Bühnenprogrammen: Im Moment spielt er sein neuntes. Vor 4 Wochen hat er zum ersten Mal in einer Kirche gepredigt. Ich war da. Und habe ihn erstaunlich frei erlebt, ganz bei sich.

Es war für mich überraschend wie schnell ich mich wohl fühlte. Es kam eines hinzu, es gibt dort keine Kanzel. Vor der hatte ich nämlich Sorge. Da habe ich mich gar nicht gesehen, das hätte ich als eine Anmaßung empfunden Insofern war ich absolut dankbar, dass ich auf absolut gleicher Ebene war, im Grunde. Es war ein weiteres Privileg in meinem Leben, dass ich das machen durfte.

Er hat es gemacht wie jeder Pfarrer: Nicht frei über Gott und die Welt geredet, sondern über den vorgeschlagenen Abschnitt aus der Bibel: „Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“ Klingt abgehoben. Aber in seiner Predigt war Gott mitten im Leben: Sogar an der Kasse im Supermarkt. Und noch was hat geholfen, dass er sich wohl gefühlt hat.

Ich musste die Menschen nicht zum Lachen bringen. Das fand ich absolut befreiend. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich – ich mach ja auch manchmal Lesungen an ungewöhnlichen Orten – auf Friedhöfen, das ist es genauso. Das empfinde ich als sehr erholsam.

Ich nenne das ‚Unter-haltung‘. Wenn man was mitnehmen kann als Lebens-Unterhalt. Darauf hoffe ich auch, im Gottesdienst. Egal, ob ich ihn halte oder ob teilnehme. Arnim Töpel vertraut darauf, dass das passiert, wenn man sich auf die Bibel einlässt.

Ich würde jetzt nicht so vermessen sein, zu behaupten, das ist alles im Dialog mit Gott entstanden, aber ich habe mich mit dem Text auseinandergesetzt und ich hatte das Gefühl, der Text spricht mit mir und das wollte ich genau transportieren über diese Predigt. Insofern fühlte ich mich als Mittler.

Kann das nicht Lust machen, für alle die Gottesdienste gestalten, wie viel er ihnen zutraut. Er erwartet,

dass er mich fordert, dass er mich umfängt. Das Umfangen passiert über die Liturgie, über die Musik, aber das Fordern kommt über das Wort. Weil ich mich ertappe, wie ich widerspreche, wie ich zustimme. Und dann bin ich bei der Sache.

Entgegen vieler Prognosen über Kirchen hält Arnim Töpel sie für wichtig. Als Gemeinschaften. Er beobachtet, dass vieles in der Gesellschaft zerbricht. Kirchen verbinden. Niemand muss alles allein schaffen. Und geht auch nicht in einer Masse unter.

Wenn ich allein irgendwo in eine Kirche gehe, dann fühle ich mich daheim, aufgehoben, erkannt, angenommen. Und ich glaube, dass das in dieser Gesellschaft wichtiger ist denn je. Es hat nichts mehr Wert, es ist die Lust am Zerstören, am Demontieren, am Fallen sehen von irgendwem, von irgendwas. Wo ist das Positive? Für mich geht es auch immer um Hoffnung. Und das ist die Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22308
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