SWR1 Begegnungen

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Klaus Hamburger ist 61 Jahre alt und arbeitet als Gefängnis- und Klinikseelsorger in Koblenz und Neuwied. Wichtig für seine Arbeit ist sein Leben davor. 35 Jahre nämlich hieß er nicht Klaus Hamburger, sondern Bruder Wolfgang und lebte in der ökumenischen Klostergemeinschaft von Taizé. Sein Leben dort und seine Begegnungen mit  Frère Roger, dem Gründer von Taizé, prägen ihn bis heute;  gerade auch in seinem Tun im Gefängnis und im Krankenhaus.  Seine Geschichte mit Taizé – und damit auch mit Frére Roger - begann in den 70er Jahren.

Ja so kurz vor dem Abitur bin ich dann mal rum gefahren, wir haben mal geschaut, die Welt war weit. Und eines Tages lande ich an einem Ort, der Taizé heißt. Wusste gar nicht, was ist eigentlich an diesem Ort, was läuft da. Wir waren natürlich hoch skeptisch und haben gesagt: Das ist wieder so eine neue Jugendfangversuchsveranstaltung der Kirche und da habe ich was ganz anderes entdeckt nämlich so einen Mann wie Frère Roger. (25 sec) 

Und der machte so gar keine Anstalten ihn und die andern Jugendlichen mit irgendwelchen Parolen einfangen zu wollen.
Er hatte ein ganz großes weites Herz für junge Leute. Man fühlte sich damals als Jugendlicher aufgenommen. War ja nicht so einfach. War die Zeit, als Jugendliche verdächtigt wurden, die ganze Gesellschaft ändern zu wollen. Dem Kommunismus in die Falle zu laufen und so weiter. Wenn es Dir bei uns nicht gefällt, dann geh nach drüben. Es gab ja noch die DDR.  Und dann plötzlich an einen Ort zu kommen, wo Jugendliche aus der ganzen Welt sich versammeln und wo Platz ist für alle. (Wo man singen kann,) wo man über alles reden kann ohne irgendeine  Beschränkung. Wo man dann in die Kirche gehen konnte.( Dreimal am Tag, es war ja eine monastische Gemeinschaft.)  Und wo in dieser Kirche auch nichts vorgeführt wurde, sondern wirklich Raum war für Stille und Hinhören auf das Wesentliche im Glauben, also die Bibel. Wo man nicht gegängelt wurde, sondern einfach die Möglichkeit hatte, ins Unreine zu suchen, was ist denn in meinem Leben vorbereitet.  

Den andern nicht gängeln, sondern ihm Platz lassen, ihm zuhören. Darauf kommt es für Klaus Hamburger auch in seiner heutigen Arbeit im Gefängnis und im Krankenhaus an. (10sec)

…Das Zuhören, das ist ja in der Seelsorge das Allerwichtigste. Man könnte viele Fortbildungsmaßnahmen einfach darauf beschränken, (glaube ich, zu überlegen) wie können wir Menschen sein, die wirklich zuhören, von Herzen zuhören. Sich freuen über die, die auf einen zukommen.  Sich überhaupt freuen, dass einem Menschen anvertraut sind. Aus einer ganz einfachen Haltung heraus. Und das ist im Gefängnis wie auch im Krankenhaus das Allerwichtigste.

Zuhören und Platz lassen, das hat Klaus Hamburger in seinem Leben als Bruder Wolfgang gelernt.  

Diese Freiheit, diese Weite, dieses Eingehen auf den Einzelnen und ihn einfach begleiten, so wie er ist. Das ist einfach von Taizé her, von Frère Roger her, da. 

Und noch anderes von Taizé ist in der Seelsorge von Klaus Hamburger im Gefängnis und im Krankenhaus da: Stille, Bibelarbeit, Gottesdienst und Offenheit gegenüber anderen Religionen und Konfessionen. Wie genau das gehen kann, dazu mehr nach der Musik.  

Musik

 Teil II            

Und mit Klaus Hamburger. 35 Jahre war er als  Bruder Wolfgang in der ökumenischen Brüdergemeinschaft von Taizé. Dort hatte er viele Aufgaben, u.a. hat er die Schriften von Frère Roger, dem Gründer von Taizé, ins Deutsche übersetzt, hat tausende von Jugendlichen empfangen und mit ihnen Bibelarbeiten gemacht. Heute lebt er als Gefängnis- und Krankenhausseelsorger im Rheinland. Viele Dinge von Taizé fließen in seine Arbeit ein - auch in der Justizvollzugsanstalt. 

Es war auch möglich, dort eine Zeit der Stille einzuführen und das ist ja das Markenzeichen der Gebete von Taizé  (lange Zeit gewesen….). Für mich auch damals, wie ich hin kam zum ersten Mal die Erfahrung, da ist ja ein Stille zwar von 5 Minuten oder von 7 Minuten. Ich habe festgestellt, auch das kann man  in  einer JVA machen und auch mit Häftlingen, die zunächst mal nicht in die Kapelle kommen, um dort zu beten, sondern um einfach mal – verständlicherweise – aus ihrem Haftraum herauszukommen.  

Aber nicht nur Stille, sondern auch Bibelarbeiten à la Taizé gibt es in der Justizvollzugsanstalt.

Ich halte keine Predigt (da oben) ohne dass ich den Bibeltext nicht vorher den Inhaftierten vorgelegt habe, in einer Gesprächsgruppe, die ich jeden Mittwoch dort habe. Da sind auch Muslime drin, da sind Christen drin, Atheisten drin, wie sie sich nennen. Ist ja auch ganz egal. Es hat noch niemals da kein Ergebnis gegeben. Immer kommen die Leute auf irgendetwas. …… Die Bibel liegt immer dadurch offen da,  öffnet sich und ist wirklich Teil des Lebens. ….. Und da wär ich wohl auch nicht drauf gekommen, wenn ich nicht von Taizé her käme.  

Wie in Taizé gibt es im Gefängnis auch eine Kapelle und da ist es Klaus Hamburger ganz wichtig, dass sie ein Raum ist für alle, gleich welcher Religion oder Konfession.  

Das ich dort auch im Gottesdienst darauf achte, dass selbst ein Muslim, der da teilnimmt – von christlichen Konfessionen ganz zu schweigen – dass da jeder auch seine Berechtigung hat und seine Würde behält. … Auch mit dem religiösen Erbe, das er mitbringt. ... dass Orthodoxe beispielsweise vor der Ikone beten und eine Kerze aufstellen können. Das hätte ich ohne Taizé alles nicht gemacht.  

Auch in seiner Einstellung zu Leben und Tod ist Klaus Hamburger von seinen Erfahrungen in Taizé geprägt.  Als im August 2005 Frère Roger durch die Messerattacke einer geistig verwirrten Frau im Alter von 90 Jahren in der Kirche starb, war er – als Bruder Wolfgang – dabei. Für ihn war das damals keine Katastrophe.  

Ich konnte mir nie vorstellen, dass der so geordnet stirbt. Dass er in so einem Bett liegt, immer bleicher wird und dann noch so ein großes Wort sagt, auf den Lippen, was dann so weitergetragen wird, außen rum die Brüder. Das hätte zu seinem Leben irgendwie  nicht gepasst. Und es war jemand, der immer auch auf Risiko gegangen ist. Das sag ich mir auch wieder bei meiner Arbeit, wenn wir da mal was passiert. Da könnte mal was sein, mehr  im Gefängnis als im Krankenhaus. Aber: ohne Risiko gibt’s nix auf der Erde.  

„Danke, Frère Roger“, so heißt ein Buch, in dem Klaus Hamburger seine persönlichen Erinnerungen an den Gründer von Taizé aufgeschrieben hat. Und ich sage: „Danke Klaus Hamburger“, dass er den Geist von Taizé auch in ein Krankenhaus und in eine Justizvollzugsanstalt trägt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21904
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