SWR1 Begegnungen

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Wolf-Dieter Steinmann, evang. Kirche, trifft Brigitte Fried, liebt als evangelische Pfarrerin das Erbe der MöncheBrigitte Fried

Soll man so ein Erbe annehmen?
„Will ich dieses Erbe annehmen?“ Bei jeder Erbschaft kann man sich so fragen. Will ich die Verantwortung für ein Haus, für Werte wirklich übernehmen? Beim kulturellen Erbe gilt das erst recht. Gibt das was für mein Leben? Brigitte Fried hat „ja“ gesagt: Als evangelische Pfarrerin fühlt sie sich als Erbin der Mönche aus dem Mittelalter. Findet z. B. bete und arbeite, die Regel der Mönche fürs Leben gut.

‚Bezieh Dich auf Gott und guck aber auch in die Welt oder sorge für Dich in der Welt.‘ Die finde ich sehr ansprechend und wohltuend.

Diese inneren Werte der Mönche und die alte Klosterkirche hat Brigitte Fried in Bad Herrenalb vorgefunden und sich fürs Annehmen entschieden. Und gibt gern weiter davon.
14 Jahre ist sie Pfarrerin in Bad Herrenalb gewesen. An dieser Kirche mit großer Vergangenheit: Im Mittelalter war sie Zentrum eines Zisterzienserklosters. Von dem steht zwar nicht mehr viel. Trotzdem fühlt sich die evangelische Pfarrerin als kulturelle Erbin der Mönche.
Dieser Ort hat einen Zauber. Mitten drin in Bad Herrenalb, nahe Karlsruhe, liegt die Klosterkirche. Drumherum hohe alte Bäume. Vor über 800 Jahren haben Zisterziensermönche hier Grund gelegt. Ringsum Schwarzwaldhöhen. Bei Hitze eine Wohltat. 14 Jahre lang war Brigitte Fried hier evangelische Pfarrerin. Ich kann verstehen, dass dieser Ort es ihr angetan hat. Sie hat das Alte gern angenommen, für heute.Klosterkirche Herrenalb

Der Chor ist noch aus den Mönchszeiten. Der ist, als die Kirche zerstört wurde, übrig geblieben. Ich muss mir das bewusst machen, dass es aus der Vergangenheit kommt. Ich liebe diesen gotischen Chor mit den großen hellen Fenstern, der so die Gedanken einfach nach oben zieht und das finde ich sehr befreiend, das erfreut das Herz.

Außer der Kirche ist vom Kloster nicht mehr viel da. Die Schweden haben gewütet im 30-jährigen Krieg. Und die Trümmer haben die Herrenalber verbaut. Aber man weiß, was die Mönche geleistet haben. Die Gegend urbar gemacht. Den Menschen besseren Landbau gelehrt.

Sie waren bekannt für ihren guten Wein. Der Bischof von Speyer hat seinen Wein immer geordert in Herrenalb.

Schön, dass auch dieses Erbe bei uns weiterlebt, nicht nur für Bischöfe. Aber viel wichtiger ist ihr. Z. B. diese ganz besondere work-life-balance der Mönche: ‚Ora et labora, bete und arbeite.‘

Wenn der Mönch morgens anfängt zu beten, sagt er als erstes: Herr tue meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige‘, er sagt nicht ‚äääh, der Tag fängt jetzt wieder an und jetzt muss ich wieder an die Arbeit.‘ Jeder Christ steht vor Gott und kann soll und will Gott die Ehre geben. Das ist gut und auch zukunftsfähig.

Also kein Wecker, der einen ins Hamsterrad des Funktionierens klingelt. Das vorgaukelt: Den Sinn des Lebens muss ich mir er-arbeiten, verdienen. Christlich ist eher: Sinn wird geschenkt. Das zeigt auch der größte Kulturschatz der Mönche, das reich bebilderte „Herrenalber Gebetbuch“, eine Handschrift über 500 Jahre alt. Da gibt es Theologie und ganz Praktisches.

Da ist zum Beispiel eine Heilige, die Apollonia abgebildet. Die hat eine Zange und in der Zange hängt ein Zahn. Zu der hat man gebetet, wenn man Zahnschmerzen hatte.

Das Erbe der Zisterzienser lebt. Brigitte Fried ist sehr beeindruckt von der heutigen Äbtissin von Kloster Lichtenthal in Baden-Baden und wie sie „Leitung“ . versteht. Ich finde es bedenkenswert, wenn man die „Führungsrolle“ so füllt.

Wie funktioniert Leitung? Die Äbtissin von Lichtenthal sagt: ‚Der Abt soll mehr helfen als herrschen‘.

Jesus hat es ähnlich gesagt, vielleicht noch radikaler: „Wer unter euch der Größte sein will, soll dienen.“ Mehr helfen als herrschen: So ein Geist in Unternehmen, Büros, Kirchen. Das könnte Hierarchie ganz neu kreativ machen. Und heute lebendig machen, was Brigitte Fried am Klosterleben fasziniert.

Ich glaube ich hätte sehr geschätzt mit anderem zusammen in einem System zu leben, das mir eine Sicherheit gibt. Ich hätte es auch sehr geschätzt in einem Haus zu sein, in dem Gott verehrt wird.

Erbe beleben
Nur ein Tagesausflug und schon kann man „Mittelalter schnuppern“ stoßen bei uns im Südwesten : Eberbach im Rheingau, Otterberg, Eußertal in Rheinland-Pfalz. Baden-Baden, Hirsau, Maulbronn, Salem, Schönthal in Baden-Württemberg. Überall stößt man auf alte Klöster. Auch in Bad Herrenalb, nicht weit von Karlsruhe.
Wozu so ein altes Erbe? Das Mittelalter ist lange her. Brigitte Fried ist auch keine Nonne, sondern evangelische Pfarrerin. Aber in ihrer Zeit in Bad Herrenalb hat sie das Erbe der Mönche schätzen gelernt. Einen Grundsatz der Mönche lieben: Den haben sie entwickelt aus der Erfahrung, dass wir doch nur Gäste sind auf der Erde.

‚Porta partet, cor magis, die Tür ist offen, das Herz weit mehr‘ ist ihr Grundsatz. Gastfreundschaft verstanden als das, was wir uns als Menschen geben können auf dem Weg zum ewigen Zuhause. So quasi als Station: wie geben einander Gutes.

Ich bin Gast auf der Erde. Der Gedanke ist mir vertraut. Aber wie wird daraus eine Lebenshaltung? Wenn ich selbst Gast bin, möchte ich freundlich empfangen werden. Frage: Sehe ich selber in jedem anderen auch den Gast? Da kann ich noch üben. -- Üben wie die Grundschüler, die beim Projekt „Ein Tag im Kloster“ mitmachen:

In die Gewänder von Mönchen schlüpfen, wie sich das anfühlt. Dann wie die Mönche einen Tageslauf erleben, der beginnt mit einem kleinen Gottesdienst in der Kirche und schließlich macht man sich an die Arbeit, sie üben mit der Gänsefeder.

So probieren die Kinder spielerisch Mönchsein, tauchen ein in ein anderes Leben. Und Brigitte Fried hat oft gesehen, wie gern sie sich anders erleben.

Sie ziehen die Kapuze auf, halten ihre Hände still, stecken die in die Ärmel hinein, die Handys und die Uhren werden alle verwahrt.

Auch Erwachsene machen mit. Gestalten Initialen wie die Mönche. Für manche eine ziemlich persönliche Erfahrung.

Was passt denn zu mir? Und so ist schon entstanden, dass einer ein Fußballtor in seinen Anfangsbuchstaben hinein gemalt hat, ein Goldschmied sein Goldschmiedewerkzeug, um so seinen Charakter darzustellen.

Am Erbe der Mönche schnuppern kann man bei uns bei Führungen, Konzerten, Klostermärkten. Aber kann man dabei echtes Erbe spüren? Brigitte Fried traut den Orten eine Ausstrahlung zu.

Man kommt unwillkürlich dazu, sich Gedanken darüber zu machen, wie haben die Menschen früher gedacht, gelebt, geglaubt? Ich hatte Gelegenheit, Maulbronn kennen zu lernen und die jungen Menschen, die dort als Schüler sind. Sie versuchen auch mit diesem Ort umzugehen und zu beleben, in ihrer Freizeit auch und die Klausur gehört ihnen.

Vergangenheit nicht nur konservieren. Im Erbe kann Leben liegen, wenn man es annimmt und verändert. Wenn man Abstand nimmt zum „modern sein müssen“, kann man Tiefe gewinnen. Wie ein Baum, der Wurzeln braucht, um neu zu tragen. Aber wenn einem alte Gemäuer gar nichts sagen? Kein Problem.

Weil Gott überall zu finden ist, gibt jeder Ort eine andere Möglichkeit, den Zugang zu Gott zu finden und es ist vielleicht eine unterschiedliche Sprache. Aber dahinter steht immer das: Ich setze mich zu Gott in Beziehung.‘

Das nehme ich mit von Brigitte Fried und den Mönchen: „Ich bin Gast auf der Erde, unterwegs zu Gott. Also, versuch gast-freundlich zu leben. Für jeden.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17901
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