SWR4 Abendgedanken BW

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Was bei Schnellimbissketten normal ist, gibt es jetzt auch beim Bestatter: den Schalter zum Durchfahren. Ja, es ist kein Scherz. Seit einiger Zeit ist es in Amerika möglich, sich vom Auto aus von den Verstorbenen zu verabschieden. Die Idee dazu hatte die Bestatterin Peggy Adams. Für viele unverständlich. Grotesk und pietätlos sei das. Auch ich fand das zunächst recht befremdlich!
Etwas versöhnt haben mich die Argumente von Peggy Adams. Sie sagt: „Der Tod wird auf diese Weise nicht länger ins private Kämmerlein verbannt. Gehbehinderte haben es leichter, sich zu verabschieden. Ebenso Leute, die die Nähe von Toten fürchten. Und schließlich wird ja keiner gezwungen, in seinem Wagen sitzenzubleiben."
Auch im heutigen Evangelium steht etwas, woran ich zu knabbern habe. Jesus fordert einen Mann auf, ihm nachzufolgen. Aber der bittet darum, zuerst seinen Vater begraben zu dürfen. Jesus antwortet ihm nüchtern: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!" Eine Unverschämtheit. Jesus widerspricht allen Regeln. Damals wie heute soll man doch Verstorbene würdig verabschieden, oder etwa nicht! So sehr ich mich aufrege, es hilft nichts. „Lass die Toten ihre Toten begraben." Dieser Satz steht nun einmal da. Gibt es nicht etwas, das in mir einen Hauch von Verständnis weckt? Jesus möchte, dass der Mann das Reich Gottes verkündet. Dazu soll er alles hinter sich lassen - auch die persönlichen Beziehungen. Und was ist dieses Reich Gottes? Ich kann es überall dort spüren, wo ich liebe oder geliebt werde; wo ich mich geborgen und wohl fühle. Dafür muss ich aufbrechen und etwas verändern. Jesus hat verheißen: Wer an das Reich Gottes glaubt, bleibt nicht in Trauer oder Unglück gefangen. So darf ich darauf vertrauen, dass alles gut wird - für mich und meine Angehörigen, für alle Menschen. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass ich so manches besser verstehe, wenn ich den Blickwinkel vergrößere, wenn ich mich auf Positionen einlasse, die mir zunächst fremd sind. So wie mit dem Autoschalter für Trauernde. Oder wie mit dem Satz Jesu, der mich nach wie vor etwas verstört. Vergrößere ich meinen Blickwinkel, dann komme ich zumindest auf eine Fährte: Vielleicht ist Jesus ja deshalb so radikal, weil er für das Reich Gottes steht, eine Sache, die es in sich hat und die alles andere in ein neues Licht rückt.

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