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09FEB2025
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Wissen Sie noch wie das war? Ganz am Anfang, wenn man einen Schwarm hat und beginnt sich zu verlieben? Das Kribbeln im Bauch. Wie man es kaum erwarten kann sich wieder zu begegnen. Das unsichere Gefühl, ob die eigenen Gefühle erwidert werden. Sich glücklich und aufgeregt zugleich fühlen, wenn man in der Nähe des anderen ist. Ganz behutsam geht man aufeinander zu.

An diese Stimmung des Anfangs, wenn die ersten zarten Bande geknüpft werden, erinnert mich auch das heutige Lied zum Sonntag. Es ist ein Liebeslied. Seine Vertonung ist ebenso behutsam. Geradezu sparsam kommt es daher mit wenigen Instrumenten und einer einfachen Melodie.

 

  1. Behutsam will ich dir begegnen,

dir zeigen, du bist nicht allein.

Der Engel Gottes wird uns segnen,

als Licht an unsrer Seite sein.

 

Von Strophe zu Strophe wird die Beziehung intensiver. Nach dem behutsamen Begegnen, folgt sanftes Berühren, zärtliches Streicheln bis hin zur Liebe, die schützend und stärkend einhüllen soll.

Neben dieser Zweisamkeit gibt es im Lied noch eine weitere Dimension. Ganz selbstverständlich und unspektakulär gesellt sich Gott dazu. Als Licht, das begleitet, Güte, die spürbar wird und Geist, der erfüllt.

Das Liebeslied ist auch ein Segenslied. Im Unterschied zu anderen Segensliedern, bittet es jedoch nicht um den Segen Gottes. Sondern erzählt, dass dieser immer schon da ist, wenn Menschen sich liebevoll, freundschaftlich und respektvoll begegnen.

 

  1. Mit Sanftmut will ich dich berühren,

dich stärken aus der großen Kraft.

Wir werden Gottes Güte spüren,

die Leben und Vergeben schafft.

 

Ich finde, das ist eine ganz schön große Aussage. Dass, wenn zwei sich begegnen, sie etwas zusammen tun und sich lieben, dabei Gott spürbar wird. Das macht Mut und ist herausfordernd zugleich, vor allem, weil man ja auch die Erfahrung macht, dass Liebe sich ins Gegenteil wandeln kann, dass man manchmal darum kämpfen muss, wenn sich Routine oder Krisen einstellen. Im Lied ist von solchen Momenten nicht die Rede. Aber es heißt dort, dass Gott für alle Zeit da sein wird. Ich glaube, dass „alle Zeit“ auch bedeutet in allen Lagen.

Diese wichtige Aussage kommt im Lied im wahrsten Sinne des Wortes nicht mit Pauken und Trompeten, sondern auf ganz leisen Sohlen daher.

Mir tut das gut, weil es mir zeigt, dass das Große und Wichtige nicht immer nur das ist, was sich auch laut in den Vordergrund drängt mit großem Auftritt und mächtigem Getöse. Sondern es oft auf die leisen Töne ankommt, auf zärtliches Miteinander, auf mich und wie ich anderen begegne, denn darin steckt Segen.

 

  1. Mit Liebe will ich dich umhüllen,

dich streicheln voller Zärtlichkeit.

Und Gottes Geist wird uns erfüllen

für heute und für alle Zeit.

 

Komponist

Text: Eckart Bücken 1991

Musik: Thomas Quast 1991

 

Musikquellen

  • Musik:
  • Thomas Quast Ruhama, Ruach. Atem meiner Lieder, 2022, Track 16, LC 05648
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02FEB2025
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„Lass mich dein sein und bleiben, von dir lass mich nichts treiben!“ Das klingt wie ein Liebesbrief. Und eigentlich ist es auch einer. Nur dass das angesprochene Du nicht ein geliebter Mensch ist. Sondern der “treue Gott und Herr“. Den bittet der Dichter dieses Liedes, nichts möge ihn von ihm trennen. „Lass mich dein sein und bleiben.“

Lass mich Dein sein und bleiben,
Du treuer Gott und Herr;
von Dir lass mich nichts treiben,
halt mich bei Deiner Lehr.

In den Jahren, als ich Auslandspfarrer der deutschsprachigen Gemeinde auf Mallorca war, hat die Gemeinde dieses Lied am Schluss jedes Gottesdienstes gesungen. Mich hat das immer wieder berührt.
Denn wir haben ja alle die Woche über verstreut über die ganze Insel gelebt. Der Besuch des Gottesdienstes, zu dem oft auch Touristen gekommen sind, war dann aber eine gute Gelegenheit, sich zu treffen, Kontakte aufzunehmen oder lebendig zu erhalten. Und miteinander zu feiern.
Vor allem aber: zu wissen, es gibt etwas Bleibendes, das uns verbindet. Ein verlässliches Fundament, das bestehen bleibt und uns Halt gibt. Auch wenn wir bald wieder auseinandergehen.

Lass mich Dein sein und bleiben,
Du treuer Gott und Herr;
von Dir lass mich nichts treiben,
halt mich bei Deiner Lehr.

Herr, lass mich nur nicht wanken,
gib mir Beständigkeit;
dafür will ich Dir danken
in alle Ewigkeit.

Besonders in stürmischen Zeiten braucht man ein festes Fundament. Nikolaus Selnecker, der das Lied im Jahr 1572 gedichtet hat, hat es gefunden. In seinem Vertrauen auf Gott. Und das Gebet war für ihn der Weg, sich dieses Fundamentes immer wieder neu zu vergewissern.
Ich finde es darum schön, dass dieses Lied im evangelischen Kirchengesangbuch zu finden ist. Max Reger, dessen Vertonung wir heute hören, hat ihm allerdings eine andere, nämlich seine eigene Melodie gegeben.
Das ist gut so! Denn, davon bin ich überzeugt, jeder muss seine eigene Sprache und Melodie finden, um seinen Glauben in Worte und Töne zu fassen.

Lass mich dein sein und bleiben.
Herr, lass mich nur nicht wanken,
gib mir Beständigkeit;
dafür will ich Dir danken
in alle Ewigkeit.

                                                   *

CD: Lebensgebete. Ensemble Thios Omilos. Romantische Vokalmusik aus dem 19. Und 20. Jahrhundert, Rondeau Production 2013, LC 06690

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41486
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26JAN2025
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Unser Lied zum Sonntag heute Morgen hat alles, was ein „echter Hit“ haben muss. Eine Melodie, die ins Ohr geht, wunderschöne Harmonien und das gewisse Etwas, was Gänsehaut macht oder einem Tränen in die Augen steigen lässt.

Das Chorstück wurde 1869 geschrieben, und es hat nicht lange gedauert, da war es schon ein regelrechter Hit in der Kirchenmusik. Das „Locus iste“ von Anton Bruckner.

1)      Locus iste a Deo factus est.

 „Locus iste“ heißt übersetzt „dieser Ort“. Und „Locus iste a Deo factus est“: „Dieser Ort von Gott geschaffen.“

Anton Bruckner hat die Chormotette für die Einweihung der Linzer Votivkapelle im Sommer 1869 komponiert. Aber erst Monate später ist sie dann zum ersten Mal in dieser Nebenkapelle des Linzer Doms erklungen.

Es kann erhebend sein, diese Musik in einem tollen Kirchenraum zu hören. Aber das ist nicht alles. Anton Bruckner belässt die Motette nicht in der anfänglichen ruhigen romantischen Stimmung. Dann wenn es heißt „inaestimabile sacramentum“ verändert sich die Musik. Sie wird drängend und engagiert. Auf Deutsch übersetzt heißt diese Stelle: „welch unschätzbares Geheimnis“. An so einem besonderen Ort zu sein, an einem Ort Gottes, wo ich Gott präsent erleben, das ist so wertvoll.

2)      inaestimabile sacramentum

Und gleich geht es in der Motette weiter mit: „irreprehensibilis est“ - was so viel heißt wie: „Diesem Ort fehlt es an Nichts.“ Es gibt Orte, die sind auf besondere Weise religiös aufgeladen. Manche erleben so etwas in einer alten Kathedrale, andere an einem abgelegenen See oder an der Wiege eines Neugeborenen. Es ist dieses Gefühl von „hier ist alles perfekt, in diesem Moment ist alles da, was ich gerade brauche.“ 

3)      irreprehensibilis est.

Es gibt unzählige Video-Aufnahmen dieser Musik. Ich habe eine entdeckt, da steht der Chor im Dunkeln direkt unter einer riesigen beleuchteten Weltkugel. Das könnte bedeuten: Die ganze Welt ist „Locus iste“. Dieser wunderschöne Planet. Mit seinen Naturwundern, aber auch mit den zugemüllten Weltmeeren, den Kriegsfronten und jedem anderen furchtbaren Ort.

Jeder Ort mit Gott verbunden? Also jede Kita, jede Krebsstation und jede kleine Küche.

Anton Bruckner setzt in seiner Musik am Ende ein Ausrufezeichen. Vor allem hinter das „a Deo“ – „von Gott“. Erst wird es in einem großen Crescendo immer lauter, und dann kommt nach einer ganz bewussten Pause ein sehr leises Ende.

Es hat so etwas Zartes und Zerbrechliches, dass Gott sich in dieser Welt zeigt. An seinem Ort.

4)       ... a Deo factus est.                  

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19JAN2025
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Ein älterer Pfarrer hat mir einmal von seinem persönlichen Geburtstagsritual erzählt. Jedes Jahr an seinem Geburtstag singt er – ganz für sich – dasselbe Lied: Bis hierher hat mich Gott gebracht.

Musik 1 Strophe 1 

Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte – der Text strahlt eine große Zufriedenheit, ja Dankbarkeit aus. Und vielleicht fragen Sie sich: Könnte ich das auch so singen und sagen – zum Jahreswechsel, an meinem nächsten Geburtstag? Heute morgen?
Bis hierher hat mich Gott gebracht… Bin ich damit zufrieden, wie mein Leben bis hierher verlaufen ist? Erkenn ich darin gar etwas von Gottes Güte? Oder kann so nur jemand singen, dessen oder deren Situation und Lebensbilanz besser aussieht als meine?

Musik 2 Gloria Brass

Es war, ungewöhnlich für die damalige Zeit, eine Frau, die Ende des 17. Jahrhunderts den Text unseres Liedes geschrieben hat: Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt
Und ja, sie konnte wohl mit ihrem Leben zufrieden sein. Denn vom Waisenkind, das bei adligen Verwandten aufgewachsen ist, wurde sie durch Heirat zur Landesmutter. Sie managt den adligen Großbetrieb auf der Heidecksburg im heute in Thüringen gelegenen Rudolstadt. Sie kümmert sich aber auch um die sozialen Belange der ihr anvertrauten Bevölkerung. Nebenher schreibt sie, geprägt von ihrem tiefen Glauben, hunderte von geistlichen Liedern. In ihnen geht es auch um Alltagsthemen – vom Schulbesuch der Kinder bis zum Streit ums Erbe. Liedtexte gesättigt mit Lebenserfahrung.
Der Herr hat Großes mir getan – so sagt es Ämilie Juliane selbstbewusst in der zweiten Strophe unseres Liedes. Und leiht sich damit die Worte der Maria aus dem Magnificat:

Hab Lob und Ehr, hab Preis und Dank
für die bisher’ge Treue,
die du, o Gott, mir lebenslang
bewiesen täglich neue.
In mein Gedächtnis schreib ich an:
Der Herr hat Großes mir getan,
bis hierher mir geholfen.

Es war eine außergewöhnliche Frau, die diese Zeilen gedichtet hat. Aber ich finde: Ihr Lied taugt nicht nur für Menschen mit glänzenden Biografien.
Das letzte Wort jeder Strophe heißt nämlich: geholfen. Das weist darauf hin, dass im Leben eben nicht alles glattläuft. Dass es Probleme gibt, die ich alleine nicht bewältigen kann. Das Lied ermutigt dazu, darauf zu sehen, wer oder was mir in solchen Situationen geholfen hat. In der dritten Strophe wird das Lied schließlich zur Bitte, zum Gebet. Weil klar ist: Auch in Zukunft werde ich Hilfe brauchen. Und mehr noch: Vergebung und Versöhnung. Weil ich bei allem, was ich tue, auch Fehler machen werden, mich selbst und andere verletzen. Die Dichterin findet diese Versöhnung in Christus.

Musik 3 Pianofassung

Hilf fernerhin, mein treuster Hort,
hilf mir zu allen Stunden.
Hilf mir an all und jedem Ort,
hilf mir durch Jesu Wunden.
Damit sag ich bis in den Tod:
Durch Christi Blut hilft mir mein Gott;
er hilft, wie er geholfen.

Bis hierher hat mich Gott gebracht. Und ja, auch wenn an dieser Stelle meines Lebens vieles nicht perfekt ist: Ich bin dankbar dafür, dass ich hier bin. Und stimme deshalb – wie der ältere Kollege an seinem Geburtstag – gerne mit ein in die Worte einer lebensklugen Frau.

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12JAN2025
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Für Angehörige und Freunde da zu sein, wenn sie Hilfe brauchen – für viele ist das selbstverständlich. Etwa wenn die Eltern sich nicht mehr allein versorgen können. Oder wenn ein guter Freund schwer krank wird. 

Wenn so etwas passiert, dann möchte ich mir Zeit nehmen und anderes zurückstellen, weil es jetzt wichtig ist, da zu sein. Aber wenn die Situation dann viel länger dauert, als ich es mir vorgestellt habe, dann wird es oft schwierig. Mein eigenes Leben mit all seinen Aufgaben und meinen Bedürfnissen geht nämlich auch weiter.

Deswegen hat mich das Lied von Clemens Bittlinger, dass ich heute Morgen für Sie ausgesucht habe, besonders angesprochen.

 

1) Dass mir der Atem nicht ausgeht,

wenn ich dich still begleiten will,

auf deinem Weg durch schwere Zeiten.

Dass mir der Atem nicht ausgeht,

wenn ich dich still begleiten will,

auf deinem Weg durch schwere Zeiten.

Ref.: Das wünsch ich mir, das wünsch ich dir,

und unser Gott steht uns dabei zur Seite. (1x)

 

Besonders schwierig finde ich es, für jemanden da zu sein, wenn ich nichts mehr tun kann. Einfach nur still da zu sein, etwa am Bett eines schwer kranken Menschen konfrontiert mich mit meiner eigenen Hilflosigkeit. In solchen Situationen hilft es mir, ganz bewusst meinen Atem wahrzunehmen. Denn jeder Atemzug verbindet mich auch mit dem Menschen neben mir. Ausatmen und einatmen – das ist der Rhythmus des Lebens, an dem wir alle teilhaben. Ich spüre dann, dass wir eingebunden sind in einen viel größeren Kontext. Für mich ist es der Lebensatem Gottes. Wenn ich mich ihm anvertraue, werde ich ruhiger und ich lerne Geduld zu haben – auch mit mir selbst und meiner ohnmächtigen Ungeduld.

Doch es gibt auch die Situationen, wo ich sehr wohl etwas tun kann und tun sollte. Ganz konkret. Nach dem Rechten schauen. Papierkram übernehmen. Jemanden zum Arzt oder zu einem Spaziergang begleiten. Oder etwas Gutes kochen.

In Notsituationen sind viele Menschen hilfsbereit. Das gilt im Kleinen wie im Großen. „Wenn du was brauchst – ich bin für dich da“. Und das ist meistens auch ehrlich gemeint. Aber wenn der Moment der Erschütterung vorbei ist und das normale Leben wieder sein Recht einfordert, schaffe ich es oft nicht mehr, sie einzulösen. Ich möchte daher lernen realistisch einzuschätzen, was ich tun kann und darin verlässlich sein. Denn es hängt nicht alles nur von mir ab.

 

2) Dass es die Worte nicht verweht,

mit denen ich mein Reden füll,

sobald es gilt, zur Tat zu schreiten.

Dass es die Worte nicht verweht,

mit denen ich mein Reden füll,

sobald es gilt, zur Tat zu schreiten.

Ref.: Das wünsch ich mir, das wünsch ich dir,

und unser Gott steht uns dabei zur Seite. (1x)

 

Der wiederkehrende Satz im Refrain erinnert mich daran, dass in solchen herausfordernden Situationen Gott an meiner Seite ist: Das hilft mir, herauszufinden, was jetzt dran ist. Wenn ich mich selbst von Gott getragen weiß, kann ich auch für andere da sein. Ob es nun ums Tun geht oder darum, einfach da zu sein Beides gehört für mich zum Glauben.

3) Dass wir uns nicht im Kreise drehn,                                                                               

sondern erkennen, was Gott will,

und das nicht nur in schweren Zeiten.

Dass wir uns nicht im Kreise drehn,                                                                                    

sondern erkennen, was Gott will,

und das nicht nur in schweren Zeiten.

Ref.: Das wünsch ich mir, das wünsch ich dir,

und unser Gott steht uns dabei zur Seite.

Das wünsch ich mir, das wünsch ich dir,

und unser Gott steht uns dabei zur Seite.

 

Bei Abdruck und öffentlicher Verwendung muss das Lied bei der VG Musikedition angemeldet werden Text: Clemens Bittlinger Melodie: David Plüss

 

Komponist:

T+M: Clemens Bittlinger

Musikquellen:  

CD „Glaube zieht ein“, Kleine Kantorei des Christlichen Sängerbundes, Verlag Singende Gemeinde, Wuppertal

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41365
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05JAN2025
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War er nun eher ein Dichter oder ein Musiker? Diese Frage hat Peter Cornelius ein Leben lang begleitet.
Mit dem Lied „Drei Könige wandern aus Morgenland“ hat Cornelius aber bewiesen, dass er beides beherrschte: das Dichten und das Komponieren.
Im Lied berührt mich seine im Pietismus beheimatete Herzensfrömmigkeit. Und besonders, wie sich Cornelius selbst in die biblische Geschichte von den heiligen drei Königen hineinbegibt. So als geschähe sie heute.

Drei Könige wandern aus Morgenland,
Ein Sternlein führt sie zum Jordanstrand,
In Juda fragen und forschen die drei,
Wo der neugeborene König sei.
Sie wollen Weihrauch, Myrrhen und Gold
Zum Opfer weihen dem Kindlein hold.

Kunstvoll ist das Lied mit einem viel älteren Choral verwoben. Während uns die Männerstimme die Geschichte von den Königen erzählt, singt der Chor dazu den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ von Philipp Nicolai aus dem Jahr 1597.

Und hell erglänzt des Sternes Schein,
Zum Stalle gehen die Könige ein,
Das Knäblein schauen sie wonniglich,
Anbetend neigen die Könige sich,
Sie bringen Weihrauch, Myrrhen und Gold
Zum Opfer dar dem Knäblein hold.

Wir heute sind auch unterwegs - zu unterschiedlichsten Zielen. Und manchmal weiß ich dabei nicht so recht, wohin es gehen soll. Und ob die Richtung stimmt.
Dann bietet mir die Geschichte und das Lied von den heiligen drei Königen eine hilfreiche Erinnerung. Dass es wichtig ist, Schritt zu halten mit ihnen. Und mit dem, was sie auszeichnet: ihrer Suche nach Frieden, ihrer Sehnsucht nach Erlösung.
Und auch wenn wir heute andere Dinge als Weihrauch, Myrrhen und Gold in den Händen halten – worauf es ankommt, ist: „Schenke dem Kind dein Herz!“, wie es in der letzten Strophe heißt:

O Menschenkind! halte treulich Schritt!
Die Kön′ge wandern, o wand're mit!
Der Stern des Friedens, der Gnade Stern
Erhelle dein Ziel, wenn du suchest den Herrn:
Und fehlen Weihrauch, Myrrhen und Gold,
Schenke dein Herz dem Knäblein hold!

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CD: O magnum mysterium, Weihnachten mit dem Dresdner Kreuzchor, „Die Könige wandern aus Morgenland“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41350
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29DEZ2024
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Nur noch zwei Tage, dann ist das Jahr auch schon wieder vorbei. Und schließt mit einem besonderen Tag: Silvester. In den Stunden vor dem Jahreswechsel ziehen viele Bilanz, lassen das alte Jahr Revue passieren. Auch der Entertainer Max Raabe mit seinem Lied Mit dir möcht' ich immer Silvester feiern.

 

Also eins ist mal klar, das war ein tolles Jahr. / Manches lief anders als gedacht. / Das kümmert mich nicht heute Nacht. / Wir sind immer noch schön. / Was morgen ist, wird man sehen. / Ein Stern fällt am Fenster vorbei. / Einen Wunsch hab' ich jetzt frei.

 

In der ersten Strophe finde ich mich wieder. Auch bei mir lief manches anders, als gedacht. Wie Raabe damit umgeht, finde ich stark. Der sieht mehr als das, was danebenging. Sieht: Menschen sind schön, sieht: einen wunderbaren Stern. Hält fest: Was morgen ist, das liegt nicht in meiner Hand. Ganz ähnlich formuliert die Bibel: Warum sich sorgen und dann den Tag heute und den Moment jetzt verpassen? Raabe macht damit ernst. Sieht den Augenblick, der wichtig ist und der jetzt glücklich macht: Der eine Wunsch, der hier und jetzt zählt.

 

Mit dir möcht' ich immer Silvester feiern. / Mit dir fängt alles gut an. / Mit dir könnt ich glatt den Vatikan erneuern. / Mit dir ruf ich meine Mama an. / Mit dir bekomm‘ ich noch mal einen Preis verliehen. / Mit dir krieg' ich alles hin.

 

Viele feiern Silvester mit Familie, Freunden oder Bekannten. Max Raabe „mit Dir“. Da denke ich an eine Freundin, einen Freund, einen Menschen, der für mich da ist. Mich unterstützt. Mich tröstet. Mich aufrichtet. So „Mit dir“ zu sagen, das klingt für mich auch nach einem Gebet. „Du Gott, mit dir,“ fängt das an. Mit dir kann ich die Dinge anpacken, die mir auf der Seele brennen. Die Großen und Kleinen. Wie: die eigene Mutter anrufen. Vielleicht gabs Streit. Oder schon lange keinen Kontakt. Silvester: auch ein guter Startpunkt für einen Neuanfang.

 

Oft merkt man erst am Ziel: / Das ist es nicht, was ich will. / Und manchmal, wenn man nicht dran denkt, / bekommt man es geschenkt. / Fehler sind zu verzeih‘n, sonst bleibt man allein. / Ein Stern fällt am Fenster vorbei. […]

 

Raabe packt in sein Lied viele kleine Alltagsweisheiten. Die mögen banal klingen. Und sind trotzdem so viel mehr. Überleg dir, was du eigentlich willst. Sei offen für das Unerwartete. Lass dich beschenken, von anderen, dem Moment. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten. Wunderbare kleine Silvestergedanken, von denen der Entertainer so leicht singt. Raabe fordert mich auf: Guck auf die alltäglichen Sternstunden. Und geh mit Menschen durchs Leben, die dich größer, mutiger, freundlicher machen.

 

Mit dir möcht' ich immer Silvester feiern. / Mit dir fängt alles gut an. / Mit dir könnt ich glatt den Vatikan erneuern. / Mit dir ruf ich meine Mama an. / Mit dir bekomm‘ ich noch mal einen Preis verliehen. / Mit dir krieg' ich alles hin.

 

Ich wünsche Ihnen allen diesen wachen Blick auf die wunderbaren Momente, die das Leben immer wieder bereithält. Heute, morgen und im neuen Jahr.

 

Mit dir möcht' ich immer Silvester feiern

Text: Max Raabe, Annette Humpe

Musik: Annette Humpe, Max Raabe, Christoph Israel

Decca 275 539-5

Auf: Max Raabe, Küssen kann man nicht alleine, 2011, Track 10

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22DEZ2024
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„Jetzt freu‘ dich doch mal!“ Auch mir ist diese Bemerkung schon rausgerutscht. Obwohl ich ja weiß: Das ist keine sinnvolle Aufforderung. Sich freuen – das funktioniert definitiv nicht auf Kommando. Auch nicht – oder vielleicht gerade nicht – zu Weihnachten. Allerdings: Das einprägsame Adventslied „Wir sagen euch an den lieben Advent“ wird nicht müde, genau diese Aufforderung zu wiederholen: „Freut euch, ihr Christen! Freuet euch sehr!“

Musik 

Die österreichische Lehrerin Maria Ferschl, die den Text 1954 geschrieben hat, zitiert damit die Botschaft des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philippi. Paulus ist sich sicher: Jesus, der auferstanden ist, wird wiederkommen. Und zwar sehr bald. Und dann bricht die Zeit des Friedens an, für alle und für immer. Der Herr ist nahe – Grund genug, sich zu freuen.

Im Adventslied wird diese Botschaft auf Weihnachten übertragen, darauf, dass Gott im Jesuskind zur Welt kommt. Aber passt das? Kehren denn an Weihnachten auch automatisch Frieden und Freude ein? Im eigenen Leben – oder gar für die ganze Welt?

Musik

Ich finde: Der Dichterin Maria Ferschl ist es mit ihrem einfachen Text gelungen, eine Art Adventsweg hin zur Weihnachtsfreude zu zeigen. Strophe für Strophe, Kerze für Kerze, wird es darin Woche für Woche ein Stück heller. Es geht gar nicht darum, sich auf Kommando zu freuen, sondern darum, der Freude einen Weg zu bereiten. Die zweite und dritte Strophe erzählen, wie das gehen kann:

Wir sagen euch an den lieben Advent
Sehet, die zweite Kerze brennt
So nehmet euch eins um das andere an,
Wie auch der Herr an uns getan!

Wir sagen euch an den lieben Advent
Sehet, die dritte Kerze brennt
Nun tragt eurer Güte hellen Schein
Weit in die dunkle Welt hinein
Freut euch, ihr Christen! Freuet euch sehr!
Schon ist nahe der Herr.

Die anderen annehmen mit ihren Eigenarten. Auch die, mit denen das gemeinsame Feiern vielleicht schwerfällt. Das Herz weit machen, Konflikte aushalten, Versöhnung suchen. Damit fängt es an.

Und dann: Das, was ich zu geben habe an Liebe, an Talenten, an gutem Willen in die Welt tragen und anderen zur Verfügung stellen. So wird es heller in der Welt.

Auch hier folgt die Dichterin wieder der Spur des Apostels Paulus. Auch ihm war klar: Noch ist eben nicht alles gut. Aber wir halten die Hoffnung auf die kommende große Freude wach, indem wir heute schon Spuren dahin legen.

Der Adventsweg zum Licht, zur Freude – mit Grübeln komme ich auf ihm nur schwer voran. Aber beim Singen geht es leichter. Strophe für Strophe wird es heller. Und langsam geht auch im eigenen Herz ein Licht auf:

Musik

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15DEZ2024
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O holy night

O holy night, the stars are brightly shining;

It is the night of the dear Savior's birth.

Long lay the world in sin and error pining,

Till He appeared and the soul felt its worth.

A thrill of hope, the weary world rejoices,

For yonder breaks a new and glorious morn!

Fall on your knees! O hear the angel voices!

O night divine, O night when Christ was born!

O night divine! O night, O night divine!



Led by the light of faith serenely beaming,

With glowing hearts by His cradle we stand.

So led by light of a star sweetly gleaming,

Here came the wise men from the orient land.

The King of kings lay thus in lowly manger,

In all our trials born to be our friend.

He knows our need, to our weakness no stranger.

Behold your King, before Him lowly bend!

Behold your King, your King, before Him lowly bend!



Truly He taught us to love one another;

His law is love and His gospel is peace.

Chains shall He break, for the slave is our brother;

And in His name all oppression shall cease.

Sweet hymns of joy in grateful chorus raise we;

Let all within us praise His holy name.

Christ is the Lord! Then ever, ever praise we!

His power and glory evermore proclaim!

His power and glory evermore proclaim!


Kerzen und Sterne, ein Mistelzweig an der Haustür und eine Lichterkette, die man von der Straße aus sieht. Das und noch mehr gehört für mich zur Zeit vor Weihnachten. Gerne auch ein bisschen kitschig, weil mich das innerlich wärmt, und für eine Weile das Dunkle und Schwere vergessen lässt. Vor allem aber gehört für mich Musik zu dieser Jahreszeit. Besondere Lieder, so wie jenes, das ich Ihnen heute vorstelle. Es heißt ursprünglich Cantique de Noël, also schlicht übersetzt Weihnachtslied und stammt von Adolphe Adam. Ich mag ganz besonders die englische Version, die Sie hier hören: O holy night. Oh, heilige Nacht.

Traditionell hat das Lied seinen Platz in der Vigil von Weihnachten, also in der Christmette. Dort habe ich es vor Jahren zum ersten Mal gehört, als es von einer Sopranistin und einem Bariton als Duett vorgetragen wurde. Für mich am Altar war’s der heiligste Moment der ganzen Feier. Es war dann ein großes Glück, als ich die Chorversion entdeckt habe. Sie wird im King’s College, einer berühmten Universität von Cambridge, am Heiligen Abend gesungen. Als eine der Nine Lessons and Carols. So heißt die Feier mit weihnachtlichen Bibeltexten und dazu passenden Gesängen.
Bis Heiligabend sind es noch ein paar Tage. Ich weiß. Aber ich kann mich schon jetzt nicht satthören an diesen wunderbaren Klängen, die mich an die Krippe mitnehmen. Es ist, als ob ich die Hirten und die drei Weisen aus dem Orient begleiten würde, die im Lied aufgerufen werden. Sie und ich sind gemeint, wenn es heißt: Fall on your knees! O hear the angel voices!
O night divine, O night when Christ was born!

Fallt nieder und hört die Stimme des Engels. O göttliche Nacht, in der Christus geboren wird.

John Rutter hat das Lied von Adam so arrangiert, dass die Knaben und jungen Männer von King’s College ihre sängerischen Qualitäten voll entfalten können. Zuerst die hohen Stimmen allein mit dem Text und die tiefen mit einer begleitenden Melodie, dann umgekehrt, und in der dritten Strophe schließlich alle miteinander. Dazu ein kräftiges Orgelfundament. Das ist ganz großes romantisches Kino! Und passt so gut zum Text. Er erzählt, wodurch das neugeborene Christkind künftig die Welt verändern wird. Jesus zeigt uns, wie wir einander lieben können. Wie wir es schaffen, Unterdrückung und Unfreiheit zu bekämpfen. His law ist love and his gospel ist peace. Liebe und Frieden. Nach so einer heilen Welt sehne ich mich. Wie viele in diesen Tagen. Mit dem heutigen Lied gebe ich die Hoffnung nicht auf.
Da bleibt dann am Ende nur überschwängliche Freude, so etwas wie absolutes Glück. Christ is the Lord, Christus ist der Herr, dessen Macht und Ruhm wir auf immer preisen.

 

100 Years of Nine Lessons and Carols
The Choir of King’s College, Cambridge
KGS0033
BBC Music

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41220
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08DEZ2024
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Musik 1
„Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat.“

Mit diesen Worten werden im Buch des Propheten Jesaja Menschen in der Verbannung angesprochen. Aus dem kleinen Land Juda waren sie ins weit entfernte Babylon verschleppt worden. Nun soll sich ihr Schicksal drehen. Das mächtige Babylon wird selbst besiegt.

Aus den Versen der Bibel dichtete der Hamburger Pfarrer Waldemar Rode im Advent 1937 ein Lied. Er lernte den Kirchenmusiker Hans Friedrich Micheelsen kennen, der dazu ein paar Monate später die Melodie schrieb:

Musik 2:
1. „Tröstet, tröstet“, spricht der Herr, „mein Volk, dass es nicht zage mehr.“
Der Sünde Last, des Todes Fron nimmt von euch Christus, Gottes Sohn.

Ein Volk soll getröstet werden. Dabei ist es schon nicht leicht, einen einzelnen Menschen zu trösten. Wenn ich das versuchen will, muss ich dem Leid, dem Kummer, der Trauer standhalten – ohne mich selbst davon herunterziehen zu lassen. Das ist schon nicht einfach. Aber gleich ein ganzes Volk?

Der Prophet kann das, weil er die richtigen Worte findet. Er verschweigt nicht, was falsch gelaufen ist. Waldemar Rode nimmt das auf und bezieht es auf Christus, der die Last der Sünde wegnimmt. So werden die Worte des Propheten zum Adventslied. Damit konnte Rode im Jahr 1937 Hoffnung ausdrücken, kurz bevor Gewalt und Unrecht sich himmelhoch auftürmten und entsetzliche Abgründe aufrissen.

Musik 2:
3. Ebnet, ebnet Gott die Bahn, bei Tal und Hügel fanget an. Die Stimme ruft: „Tut Buße gleich, denn nah ist euch das Himmelreich.“

Der Weg zum Himmel führt über die Buße. Die getröstet werden sollen, die sitzen auf den Trümmern ihres Scheiterns und ihrer Schuld. Waldemar Rode lässt hier Jesus selbst predigen: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ Dadurch, dass der Himmel so nahe ist, wird die Buße möglich. Gott selbst schenkt die Zukunft. Nicht irgendwann vielleicht – jetzt. Der Himmel ist Gottes Licht mitten in dieser Welt, mitten in der Not und Schuld, dem Leid und dem Scheitern, mitten in alledem, was im Großen oder in meinem kleinen persönlichen Leben schrecklich schiefgehen kann. Gott kommt – ebnet ihm die Bahn!

Musik 2:
4. Sehet, sehet, alle Welt die Herrlichkeit des Herrn erhellt. Die Zeit ist hier, es schlägt die Stund, geredet hat es Gottes Mund.

„Geredet hat es Gottes Mund.“ Gottes Wort bleibt. Das ist der Trost, der sich nicht darauf beschränkt, die Wunden zu pflegen, sondern der einen Weg nach vorne bahnt. Die Getrösteten dürfen den Blick heben und dorthin schauen: wo Gott selbst ihnen entgegenkommt. Wo es hell wird, mitten in der Finsternis.
Das Adventslied spricht von Hoffnung – in einer Zeit, die wenig Grund zur Hoffnung gibt. Den Grund gibt Gott uns. Immer.

Musik 2:
6. Hebe deine Stimme, sprich mit Macht, dass niemand fürchte sich. Es kommt der Herr, eu’r Gott ist da und herrscht gewaltig fern und nah.

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Musik
„Tröstet, tröstet, spricht der Herr“ (EG 15)

Komponist
T: Waldemar Rode 1938
'M: Hans-Friedrich Micheelsen 1938

Musikquellen

Musik 1: [BR] 66039030Z00 01-001 / Tröstet, tröstet, spricht der Herr. Choral mit Orgelvorspiel / Tröstet, tröstet, spricht der Herr. Choral mit Orgelvorspiel / Micheelsen, Hans Friedrich; Schneidt, Hanns-Martin; ... Schneidt, Hanns-Martin; Chor der Himmelfahrtsk

Musik 2: [BR] 88055530Z00 01-002 / Tröstet, tröstet, spricht der Herr. Choral, EG 15 (EKG 13) / 3 Choräle aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch (EKG) / Micheelsen, Hans Friedrich; Metzger, Hans-Arnold; ...       Vokalensemble München

https://www.kirche-im-swr.de/?m=41138
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