Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

     

SWR2 / SWR Kultur

    

SWR3

  

SWR4

      

Autor*in

 

Archiv

06OKT2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Mein erstes Konzert, bei dem ich im Chor mitgesungen habe, war das Requiem von John Rutter. 14 Jahre war ich damals, und ein Requiem nicht unbedingt das, was andere in meinem Alter hoch und runter gehört haben. Doch die Musik hatte mich gepackt. Ich weiß noch gut, wie ich in die Klänge abgetaucht bin. Wie tröstlich ich die Musik fand und wie kraftvoll.
John Rutters Musik hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Weihnachten ist für mich ohne seine Weihnachtslieder fast nicht vorstellbar. Und ich kann kaum mehr zählen, wie oft ich im Chor das Segenslied „The Lord bless you and keep you“ gesungen habe.

Auch unser Lied zum Sonntag ist von John Rutter. Es heißt „For the beauty of the earth“ also „Für die Schönheit dieser Welt“ und passt ganz wunderbar zum heutigen Erntedankfest:

Musik 1

„Unser Herr, zu dir erheben wir unsern frohen Dank im Lied.“
Mit dieser Zeile endet jede Strophe dieses großen Lobgesangs. Den Text hat vor 160 Jahren Folliot Pierpoint geschrieben, und John Rutter hat ihn 1980 vertont. Strophe für Strophe besingen die Sängerinnen und Sänger Berg und Tal, Baum und Blumen, Sonne, Mond und Sternenlicht. Dann stehen wir Menschen im Fokus des Dankes und die Liebe, die uns untereinander verbindet. Der Liedtext zählt Brüder, Schwestern, Eltern und Kinder auf. Und er dankt für die Freunde. Für die, die hier auf der Erde sind und, so heißt es im Text, für die Freunde dort. Also für die, die bereits gestorben sind. Bei John Rutter klingt das so:

Musik 2

John Rutter hat einmal gesagt: „Als ich mit dem Komponieren begann, sagte ich mir, dass es sehr wichtig ist, den Text, den man vertonen will, nicht nur im Kopf zu verstehen, sondern ihn ins Herz zu nehmen.“ Ich finde, das hört man seiner Musik an. Sie ist ein Glaubenszeugnis. Sie kommt von Herzen und sie geht zu Herzen. Für manche mag sie dadurch ein wenig kitschig sein, doch mich trägt und umhüllt seine Musik. Gerade, wenn Schweres mein Leben zudeckt.

Und heute ermutigt sie mich, bewusst nach dem Ausschau zu halten, wofür ich dankbar bin. Und wie das Lied fange ich mit dem an, was mich umgibt: die Weite des Himmels, der herrliche Duft von Herbst, von Trauben und Laub, und die Musik aus dem Radio. Und ich bin ganz fasziniert: einmal mit dem Danken angefangen, entdecke ich viel leichter immer Neues, wofür ich danken kann.

 

Aufnahme

Titel: For the beauty of the earth.

Hymnus für vierstimmigen gemischten Chor und Klavier oder Orgel, Fassung für Chor, Flöte, Oboe und Harfe

Komponist: John Rutter

Interpret: Chamber Choir of Europe, Leitung: John Rutter

Festkonzert anlässlich der Verleihung des Preises der Europäischen Kirchenmusik 2019 an John Rutter

Übersetzung (deutsch): Karl Rathgeber

SWR Archiv-Nummer: M0572283

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40707
weiterlesen...
29SEP2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute ist der „Tag des Erzengels Michael und aller Engel“. Es ist ein komischer Feiertag, denn wie schade für Michael, dass er seinen Namenstag mit allen anderen Engeln teilen muss. Und wie bedauerlich erst für die große Zahl an Engeln, von denen es anscheinend so viele gibt, dass nicht jeder mit einem eigenen Gedenktag gewürdigt werden kann. Einem dieser namenlosen Engel hat der Dichter Hugo Ball zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Trost wenigstens ein kleines Gedicht gewidmet. Und der zeitgenössische Komponist Peter Schindler hat es in Töne gesetzt. Es heißt Morgenengel:

Früh, eh der Tag seine Schwingen noch regt,
alles noch schlummert und träumet und ruht,
Blümchen noch nickt in der Winde Hut,
eh noch im Forste ein Vogel anschlägt,
schreitet ein Engel durchs tauweiße Land,
streut aus den Segen mit schimmernder Hand.

Dieser Morgenengel bleibt nicht nur ohne Namen, er wirkt auch im Verborgenen. Die Morgendämmerung ist seine Zeit, früh, eh der Tag seine Schwingen noch regt. Noch nicht einmal ein Vogel ist wach, der doch lange schon vor irgendeiner menschlichen Seele das Licht eines neuen Tages heraufziehen spürt. Ein Engel schreitet durchs tauweiße Land, womöglich barfuß, aber das stört ihn nicht, denn er widmet sich mit Hingabe seiner Aufgabe: „Streut aus den Segen mit schimmernder Hand.“ Als hätte die Welt den ganzen Segen vom gestrigen Tag schon wieder aufgebraucht und müsste nun auf’s Neue damit überschüttet werden. Und dann erwacht die Schöpfung aus ihrem Schlummer:

Und es erwachet die Au und der Wald.
Blumen bunt reiben die Äuglein sich klar,
staunen und flüstern in seliger Schar.
Aufstrahlt die Sonne, ein Amselruf schallt.
Aber der Engel zog längst schon landaus.
Flog wieder heim in sein Vaterhaus.

Kein Mensch betritt die Szenerie dieses Gedichts. Nur die Vögel sind schon da, und die Au und der Wald und die Blumen regen sich im ersten Sonnenlicht. Aber auch sie sind dem Morgenengel nicht begegnet. Ehe ein Geschöpf ihn bemerken kann, ist er schon wieder weitergezogen. Was für eine schöne Vorstellung, dass die Welt ganz ohne mein Zutun jeden Morgen neu gesegnet wird. Von Engeln, die sich dafür zwischen Tau und Tag an die Arbeit machen. Mit schimmernden Händen Segen ausstreun, damit ich morgens in einer gesegneten Welt aufwachen kann.

Musikangaben:
Text: Hugo Ball (1868-1927)
Komposition: Peter Schindler (geb. 1960), Nr. 2 aus dem Zyklus „Engel-Lieder“ (2019)
Aufnahme: Anja Petersen (Sopran) und Peter Schindler (Piano) (31.01.2021), Youtube

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40703
weiterlesen...
22SEP2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Darf ich vorstellen: eine Grille. Mit ihrem Zirpen hat sie gleich einen großen Auftritt im heutigen Lied zum Sonntag. Aber das kleine Tierchen ist nicht allein auf unserer imaginären Bühne. Da ist noch einer, der ihr zuhört: der heilige Franz von Assisi, der im 13. Jahrhundert gelebt und gewirkt hat. Was mit der Grille und dem heiligen Franziskus passiert sein soll, das steht in einem Gedicht aus der Feder des Konstanzer Kirchenmannes Ignaz Heinrich von Wessenberg, geschrieben vor etwa 200 Jahren. Es beginnt so: „Franziskus einst, der heilge saß vor seiner Zell und Psalmen las. Der Abend durch die Wipfel glüht, als durch der Dämmrung Stille mit hellem Flügelschlag ihr Lied ertönen lässt die Grille.“ Diese kleine Story wird sogar zur Musik, wenn der romantische Komponist Carl Loewe sie als Lied mit Klavierbegleitung vertont.

 

Musik 2: Legende „Der heilige Franziskus” von Ignaz Heinrich von Wessenberg (unter dem Titel „Das Lob Gottes”) und Carl Loewe; mit Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton) und Jörg Demus (Klavier)

 

Franziskus einst, der Heilge saß

vor seiner Zell und Psalmen las.

Der Abend durch die Wipfel glüht,

als durch der Dämmrung Stille 

mit hellem Flügelschlag

ihr Lied ertönen lässt die Grille.

 

Jetzt könnte sich Franz von Assisi gestört fühlen in seinem Psalmengebet, von einer Grille. Aber er hat die Tiere ja hoch geschätzt und sogar den Vögeln gepredigt. Deshalb fühlt er sich im Gedicht von Wessenberg auch gar nicht gestört, sondern inspiriert. Ohne lange zu überlegen, schlägt er sein Gebetbuch zu und betet einfach mit der Grille mit.

 

Musik 3: „Der heilige Franziskus” (Fortsetzung)

 

Gott preist das Grillchen für den Tau,

der es erquickt auf grüner Au.

Der Heilge schlägt den Psalter zu,

denn schöner, wollts ihm scheinen,

ruf’ ihm das fromme Grillchen zu:

Wie groß ist Gott, wie groß ist Gott,

wie groß ist Gott im Kleinen!

 

„Wie groß ist Gott im Kleinen!“ Das ist doch ein schönes Motto für den heutigen Sonntag. Vielleicht höre oder sehe ich Heiliges und Göttliches in manchen kleinen Dingen: in einem Lied, in einem glücklichen Moment. Vielleicht sehe ich etwas Schönes in der Natur: die Wolken oder einen imposanten Baum im Wald beim Spazierengehen. Oder ich höre den Gesang der Vögel mit ganz neuen Ohren. Franz von Assisi macht es uns vor: Er war aufmerksam und konnte über das Kleine staunen. Nicht nur über den wunderbaren Gesang einer Nachtigall, sondern auch über das Zirpen einer Grille.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40691
weiterlesen...
15SEP2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein bisschen Wehmut schwingt schon mit: Nun sind die Sommerferien vorbei. Und überall im Land hat wieder der normale Arbeitsalltag angefangen. Auch wer keine Kinder oder Enkel im schulpflichtigen Alter hat, konnte in den letzten Wochen von der entspannteren Stimmung profitieren: auf Straßen, in Geschäften, bei der Arbeit. Jetzt müssen sich alle wieder ins Zeug legen. Da heißt es, sich einen Ruck geben. Vielleicht auch mit einem Lied:  

In Gottes Namen fang ich an, was mir zu tun gebühret;
mit Gott wird alles wohlgetan und glücklich ausgeführet.
Was man in Gottes Namen tut, ist allenthalben recht und gut
und kann uns auch gedeihen.

Eigentlich erstaunlich: Nur vier Lieder finde ich im Evangelischen Gesangbuch in der Rubrik „Arbeit“. Und im katholischen Gotteslob suche ich das Stichwort vergeblich. Dabei verbringt der Mensch doch nicht erst im 21. Jahrhundert einen Großteil seiner Zeit mit Arbeiten: Mit Erwerbsarbeit, Care-Arbeit, Hausarbeit, Erziehungsarbeit. Und es gibt sogar eine eigene protestantische Arbeitsethik. Vor allem in den auf Calvin zurückgehenden Kirchen der Reformation wird da Erfolg im Beruf auch als Zeichen göttlicher Gnade und Zuwendung verstanden. Etwas davon klingt auch in diesem Lied an:

Gott ist’s, der das Vermögen schafft, was Gutes zu vollbringen;
Er gibt uns Segen, Mut und Kraft und lässt das Werk gelingen;
Ist er mit uns und sein Gedeihn, so muss der Zug gesegnet sein,
dass wir die Fülle haben. 

Lebens-Fülle wird heute aber vermehrt in den Zeiten gesucht, die nicht der Arbeit gewidmet sind. In der Generation meiner Kinder ist es recht selbstverständlich, sich auch nach einem langen Studium nicht mit vollem Elan ins Arbeitsleben zu stürzen. Viele jungen Menschen wollen keinen 100% Job annehmen, um möglichst schnell Karriere zu machen, sondern lieber ihre Zeit mit anderen sinnvollen Dingen füllen: Sie möchten Zeit mit anderen verbringen, Zeit für eigene Interessen haben, Zeit zum Entspannen und ja, auch Zeit für ehrenamtliches gesellschaftliches Engagement. Denn die eigene Arbeit soll auch denen zugutekommen, die mit wirtschaftlichem Erfolg nicht gesegnet sind – auch davon singt unser Lied:

Wer erst nach Gottes Reiche tracht‘ und bleibt auf seinen Wegen,
der wird von ihm gar reich gemacht durch seinen milden Segen.
Da wird der Fromme froh und satt, dass er von seiner Arbeit hat
auch Armen Brot zu geben. 

Wenn also ab sofort wieder überall im Land fleißig in die Hände gespuckt wird, dann wünsche ich Ihnen, dass sich dadurch nicht nur das Bruttosozialprodukt steigert, sondern dass Sie Freude haben an ihrer Arbeit und Segen erfahren:

Drum komm, Herr Jesu, stärke mich, hilf mir in meinen Werken,
lass du mit deiner Gnade dich bei meiner Arbeit merken;
gib dein Gedeihen selbst dazu, dass ich in allem, was ich tu,
ererbe deinen Segen.

Fangen Sie es morgen in Gottes Namen gut an!

-------------------------------

Musikangaben:
Text: Salomo Liscow (vor 1672), 1674
Melodie: Johann Crüger (1653)
Aufnahme: Detlev Korsen am 27.09.2018 in der St. Johannis-Kirche in Verden an der Aller(Youtube)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40659
weiterlesen...
08SEP2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

1) Orgelmusik

Dieses Lied geht ans Maximum. Denn das „Großer Gott, wir loben dich“ strotzt nur so von der Überzeugung, dass Gott der Allergrößte ist. Dass er es immer schon war und für ewige Zeiten bleiben wird. Gott als Maximum, in jeder Kategorie.

2)

Großer Gott, wir loben dich;

Herr, wir preisen deine Stärke.

Vor dir neigt die Erde sich

und bewundert deine Werke.

wie du warst vor aller Zeit,

so bleibst du in Ewigkeit.

 

Ganze elf Strophen zählt dieses Lied. So als ob es sich selbst nicht an diesem einen Gedanken sattsingen könnte, dass alles, aber auch wirklich alles, Gott nur loben kann. Die Engel zum Beispiel, der Himmel und die Luft, alle möglichen Heiligen und die, die jetzt gerade leben. Weil Gott so groß ist, ist Loben einfach das Allerbeste.

 

3) Spieldosenmusik

 

Ehrlich gesagt bröckelt die Sicherheit dieses Liedes für mich. Ich zweifle daran, ob Gott wirklich für immer und ewig der Allergrößte ist. Ich zweifle nicht an ihm, aber an diesem Bild, das ich mir von ihm gemacht habe.

 

(während nächsten Abschnitt beginnt Musik 4)

Eine Kollegin hat mich darauf gebracht. Sie hat mich gefragt: „Wie wäre es, wenn Gott nicht der Größte und der Mächtigste ist? Was, wenn er eher so klein ist wie ein winziger Gedanke? Wenn Gott so klein ist, dass er überall dazwischen passt?“

Die Idee meiner Kollegin spricht mich inzwischen sehr an. Mich fasziniert dieser Gedanke, dass Gott vielleicht so winzig ist, dass er zum Beispiel zwischen zwei zündende Ideen passt, die ich gerade habe. Oder so klein, dass er sich verstecken kann in der Sehnsucht, die mich plötzlich packt.

Jahrelang habe ich so nicht gedacht. Aber eigentlich ist es doch naheliegend. Immerhin hat sich Gott ja auch sehr klein gemacht, als er in Jesus einmal in der Geschichte Mensch geworden ist.

Gott ist ganz sicher mit keinem Größenverhältnis zu fassen. Gott als der maximal Größte oder Gott als kleiner Gott. Vielleicht ist beides gleich falsch, oder gleich richtig.

 

Im katholischen Gotteslob steht unter den langen elf Strophen des Liedes ein einziger Satz. Da steht: „Glauben heißt: ich halte ein Leben lang aus, dass ich Gott niemals begreifen werde.“

In all den Gedankenspielen rund um Gott kann ich mich verlieren, denn ich werde wohl immer an Grenzen meiner Vorstellungskraft stoßen. Dann möchte ich weiter vertrauen, oder eben trotzdem an Gott festhalten. In der elften Strophe unseres Liedes ist dieses Vertrauen ganz eng mit einer Sehnsucht verknüpft: Dass Gott uns – trotz seiner Größe oder Winzigkeit – nicht allein lässt: „Auf dich hoffen wir allein: lass uns nicht verloren sein.“

 

5) Herr, erbarm, erbarme dich.

Lass uns deine Güte schauen;

deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen.

Auf dich hoffen wir allein:

Lass uns nicht verloren sein.

 

 

1) Max Reger, Großer Gott wir loben dich op. 135a, Nr. 10 Rosalinde Haas, M0012586(AMS)

 2) Das Solisten-Ensemble, Gerhard Schnitter, M0598485(AMS)

3) Polyphon-Spieldose, Großer Gott wir loben dich M0547004(AMS)

4) Großer Gott wir loben dich, German Songbook, Dieter Falk 0730780(AMS)

5) Großer Gott wir loben dich, Choral: gut!, Arno Schneider, Uwe Steinmetz, Lilienfelder Canotorei; Athesinus Consort Berlin; Klaus-Martin Bressgott, M0345565(AMS)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40534
weiterlesen...
01SEP2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Eine beschwingte, tänzerische Melodie hat unser Lied heute. Kein Wunder, sie stammt ja auch ursprünglich von einem Liebeslied:

Strophe 1 Kreuzchor

Die beschwingte Melodie passt aber auch wunderbar zu dem geistlichen Text, den Johann Gramann dem Lied im 16. Jahrhundert gegeben hat: Nun lob, mein Seel den Herren. Eine Nachdichtung des 103. Psalms.

Beschwingt – das heißt ja eigentlich: wie auf Schwingen. Und gleich zu Beginn des Psalms und des Liedes ist genau davon die Rede: Du wirst wieder jung wie ein Adler. Weil Gottes Trost dir Flügel verleiht. Ein schönes Bild – aber vielleicht auch ein bisschen übertrieben?

Nein, mit Gott hebt man nicht automatisch ab, schwingt sich nicht leichtfüßig über alles Erdenschwere hinweg. Aber das legt der Psalm auch nicht nahe. Da ist nämlich auch von den Niederungen des Lebens die Rede: von Schuld und Gebrechlichkeit. Und von Gott, der dann da ist: Errett‘ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß, dichtet Johann Gramann. Mit Nachdruck werden diese Verse in der Motette von Heinrich Schütz wiederholt:

Schütz, Motette

Das väterlicher und mütterliche Bild von Gott, auf dessen Schoß ich mich verkriechen kann mit allem, was ich mitbringe – das berührt mich. Auch weil die weiche, liebevolle Seite Gottes im Psalm 103 eine besondere Begründung erfährt: Gott erbarmt sich über uns wie ein Vater über seine Kinder, weil er weiß: Wir sind schwache, vergängliche Geschöpfe.

Strophe 3 solo Mertens

Ja, unser Leben ist vergänglich. Und doch – oder gerade deshalb – sind wir von Gott geliebt und geachtet. Daran hält der Psalm fest.

Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, heißt es gleich zu Beginn. Diesen Satz nehme mit in den Tag – und die beschwingte Melodie unseres Liedes dazu. In der Hoffnung, dass sie mir und auch Ihnen heute tatsächlich Flügel verleiht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40617
weiterlesen...
25AUG2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

1) Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann.
Von seinem Angesichte trennt uns der Sünde Bann.
Unsterblich und gewaltig ist unser Gott allein,
will König tausendfaltig, Herr aller Herren sein.

2) Und doch bleibt er nicht ferne, ist jedem von uns nah.
Ob er gleich Mond und Sterne und Sonnen werden sah,
mag er dich doch nicht missen in der Geschöpfe Schar,
will stündlich von dir wissen und zählt dir Tag und Jahr.

3) Auch deines Hauptes Haare sind wohl von ihm gezählt.
Er bleibt der Wunderbare, dem kein Geringstes fehlt.
Den keine Meere fassen und keiner Berge Grat,
hat selbst sein Reich verlassen, ist dir als Mensch genaht.

4) Er macht die Völker bangen vor Welt- und Endgericht
und trägt nach dir Verlangen, lässt auch den Ärmsten nicht.
Aus seinem Glanz und Lichte tritt er in deine Nacht:
Und alles wird zunichte, was dir so bange macht.

5) Nun darfst du in ihm leben und bist nie mehr allein,
darfst in ihm atmen, weben und immer bei ihm sein.
Den keiner je gesehen noch künftig sehen kann,
will dir zur Seite gehen und führt dich himmelan.

 

 

 

 

Wer Gott anschaut, muss sterben. An verschiedenen Stellen der Bibel wird auf diesen Umstand hingewiesen. Am deutlichsten wohl, als Mose ausdrücklich danach verlangt. Aber Gott gibt ihm zur Antwort: Mein Angesicht aber wirst du nicht sehen können. Denn kein Mensch kannmich sehen und am Leben bleiben[1]. Damit muss sich jeder abfinden, der mehr wissen will, als Gott von sich aus bereit ist preiszugeben. Und nun? Ist damit eine unüberbrückbare Grenze definiert und Gott weit weg? Die erste Strophe unseres Lieds heute legt das nahe: Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann.

 

Strophe 1

 

Jochen Klepper, Dichter des Lieds, ist es ungemein wichtig herauszustellen, wie groß Gott ist. Der Grund dafür liegt unmittelbar auf der Hand, wenn man weiß, wann und unter welchen Umständen Klepper den Text für das heutige Lied gedichtet hat. 1938, in einem Land, im dem sich die Nationalsozialisten selbst zur Herrenrasse erklärt hatten. Der evangelische Theologe und Pfarrer hält dem mutig entgegen, dass nur Gott unsterblich ist und ihm allein der letzte Respekt gilt, keinem Menschen. Er ist der Herr aller Herren; und steht damit eben auch über den politischen Machthabern des sogenannten Dritten Reichs. Das werden die Nazis nicht gerne gehört haben. Und den Druck auf Klepper erhöht haben; auf ihn und seine Frau, die Jüdin war, und die beiden Töchter, die sie mit in die Ehe gebracht hat. Für diese verhängnisvolle Situation musste Klepper die andere Seite des göttlichen Geheimnisses betonen – wie es in der zweiten Strophe ausgedrückt ist.

 

Strophe 2

 

Klepper sucht in dieser Welt einer menschenverachtenden Diktatur nach etwas, das ihm Halt gibt und Wärme. All seine Hoffnung wirft er auf den, der sich für jedes Geschöpf interessiert; der ihm persönlich nahe ist, weil er liebt, was er geschaffen hat; der selbst Mensch in Jesus geworden ist. Das ist die Kehrseite der Allmacht Gottes. Mensch geworden ist er Teil von jedem von uns. So schwach wie wir, verletzlich, angewiesen auf Freundschaft und Liebe.

Lange hat Klepper das geholfen durchzuhalten. Als die Flucht der jüngsten Tochter ins rettende Ausland scheitert und ihre Deportation droht, sehen sie keinen Ausweg mehr. Die ganze Familie nimmt sich das Leben. Wie furchtbar ist dieses Schicksal, wie grausam, was gottlose Menschen anderen antun! Denen in der Vergangenheit und denen unserer Tage ist ins Stammbuch geschrieben, was unser Lied in seiner vierten Strophe zum Ausdruck bringt.

 

Strophe 4

 

Liednachweis:

Gott wohnt in einem Lichte. Vorspruch und Lied-Motette für Männerquintett a cappella               

Eine Deutsche Messe / A German Mass

Schlenker, Manfred; Klepper, Jochen

Ensemble Nobiles

 

Gott wohnt in einem Lichte für Chor und Klavier        

Ja, ich will euch tragen - Jochen Klepper und seine …

Gesius, Bertholomäus; Klepper, Jochen; ...

Das Solistenensemble; Schnitter, Gerhard

[1] Exodus 33,20

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40554
weiterlesen...
18AUG2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute Morgen bin ich dankbar. Einfach nur dankbar für alles, was ich sein lassen darf. Den Terminkalender habe ich beiseitegelegt. Was nach Arbeit aussieht, muss warten. Was unerledigt ist, bleibt liegen. Heute ist Sonntag! Heute will ich mich auf das konzentrieren, was einfach nur da ist. Das frühe Licht des Morgens. Die Stille auf der Straße, die nur selten von einem vorbeifahrenden Auto unterbrochen wird. Stimmen um mich herum, die entspannt und freundlich klingen. Die tröstliche Musik, die aus meinem Radio kommt. Ich denke: ist das alles nicht ein herrliches Geschenk? Und höre dieses Lied von dem Liedermacher Fritz Baltruweit, das wie gemacht ist für einen solchen Morgen.

Jeder Tag,
den wir miteinander leben,
jeder Tag ist uns geschenkt,
ist uns von Gott gegeben.
Jeder Tag, jeder Tag ist ein Geschenk,
ist uns von Gott gegeben.
Jeder Tag ist ein Geschenk.

Jedes Licht,
das wir miteinander sehen,
jedes Licht ist uns geschenkt.
Bleib nicht im Dunkel stehen.
Jeder Tag, jeder Tag ist ein Geschenk.
Bleib nicht im Dunkel stehen.
Jeder Tag ist ein Geschenk.

Am Sonntagmorgen treten für mich die Spannungen des Alltags für ein paar Stunden in den Hintergrund. Heute muss ich nichts verdienen, nichts herstellen, um nichts kämpfen. Ich darf mich dem widmen, was mir und anderen Freude macht.
Und: träumen darf ich natürlich! Sogar mitten am Tag. Von einer Welt, die besser ist, als sie sich in den Nachrichten präsentiert. Von Menschen, die sich getragen fühlen von Worten, die die Schwerkraft des Alltags wenigstens für Momente aufheben. Die auf andere zugehen und mit ihren Talenten Leben ins Leben bringen. Und uns alle dem Frieden ein Stückchen näher. Auch ein solcher Traum ist ein Geschenk. Diesen Traum zusammen mit anderen zu träumen und mich dafür einzusetzen, will ich mir nicht abgewöhnen.

Jeder Traum,
den wir miteinander spinnen,
jeder Traum ist uns geschenkt,
mit allen unsren Sinnen.
Jeder Tag ist ein Geschenk
mit allen unsren Sinnen.
Jeder Tag ist ein Geschenk.

Und schließlich: nicht zu vergessen das Singen! Die Melodien des Lebens anstimmen, die Mut machen und Zuversicht verbreiten! Vielleicht meinen Lieblingschoral oder Lieblingssong. Lieder helfen, schwere Wegstrecken zu bestehen. Und wer nicht singen will, kann einfach zuhören und auf diese Weise mitschwingen. Und so will ich heute Morgen meinen Dank zum Klingen bringen. Für die Gabe des Lebens, die mir an diesem Sonntagmorgen ganz besonders kostbar ist.

Jedes Lied,
das wir miteinander singen,
jedes Lied ist uns geschenkt,
bringt unsern Dank zum Klingen.
Jeder Tag, jeder Tag ist ein Geschenk,
bringt unsern Dank zum Klingen.

Jeder Tag ist ein Geschenk.

CD: Auf dem Weg. Lieder und Playbacks. Track 6: Jeder Tag ist ein Geschenk. Michaeliskloster Hildesheim, Studiogruppe Fritz Baltruweit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40517
weiterlesen...
11AUG2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Hohe Berge – alles ist so viel größer als die kleine Welt, die mich normalerweise umgibt. Wenn ich unten im Tal zu den Gipfeln aufschaue, zieht mich eine Sehnsucht nach oben und zugleich erkenne ich, wie klein ich dagegen bin.

 

Lied:     Ich seh empor zu den Bergen,

voller Sehnsucht: Wo ist Hilfe?

Mein Beistand kommt von dem Einen.

Alle Welt ist in seiner Hand.

 

In unserem Lied zum Sonntag heute klingt der alte Psalm 121 an. Dieser Psalm trägt die Überschrift „Wallfahrtslied“. Ute Passarge und Andreas Lettau haben ihn als Lied neu gestaltet. Man kann sich die Szene gut vorstellen, wie da ein Pilger auf dem weiten und mühsamen Weg nach Jerusalem unterwegs ist. Vielleicht ist er erschöpft und fragt sich, ob sein Weg noch richtig ist. Und er scheint allein zu sein – mit sich und den mächtigen Bergen. Und mit der Frage: Wo ist Hilfe?

Da kommt eine andere Person ins Spiel. Sie gibt eine Antwort auf die bange Frage des Pilgers: Da ist jemand, der immer für dich sorgt. Ein ständiger Wegbegleiter.

 

Lied:     Er lässt deinen Fuß niemals wanken,

und der dich behütet, schläft nicht.

Er wird die Augen nie schließen,

er, der herrscht über Raum und Zeit.

 

Der Psalm ist wie ein Dialog gestaltet. Der Pilger schaut nach oben mit all seinem Fragen und seinem Sehnen. Dabei richtet er sich innerlich auf - zu Gott hin. Im Lied ist das wunderbar in der aufsteigenden Melodie ausgedrückt. In der Antwort hört er jedoch  nicht Gottes Stimme selbst. Der, der antwortet, spricht von Gott: „Er lässt deinen Fuß niemals wanken, er lässt dich niemals im Stich“. Ich höre darin den Zuspruch von all den Menschen, die Gott so erlebt haben. Das ist typisch für die alten Psalmen, dass sie solche  Erfahrungen verdichten. Wenn ich mit diesen alten Texten bete oder sie in Liedern zitiere, dann bete ich daher nicht allein, und schon das gibt mir Kraft und neue Zuversicht.

 

 

Lied:     Dein Gott bleibt bei dir wie ein Schatten,

und er lässt dich niemals im Stich.

Die Sonne soll dich nicht blenden

Und nicht stören der Mond bei Nacht.

 

Vielleicht ist das mit dem Beten so ähnlich, wie wenn man einen hohen Berg besteigt. Ganz oben kann man Gott begegnen. Das sind besondere Momente. Meistens sehe ich diese hohen Gipfel nur von weiter unten. Manchmal bin ich auch unsicher, ob meine Route noch stimmt. Ob es tatsächlich einen Weg gibt, der zu Gott führt. Da tut es gut, mit all den anderen verbunden zu sein, die auch zu ihm unterwegs sind.  

 

Lied:     Ich seh empor zu den Bergen,

voller Sehnsucht: Wo ist Hilfe?

Mein Beistand kommt von dem Einen.

Alle Welt ist in seiner Hand. 

 

Wenn ich bete, geht  es daher nicht um diese oder jene Worte, sondern dass ich mich innerlich auf den Weg mache. Und dabei lasse ich mir zusagen, dass Gott mich dabei behütet. Bei jedem Schritt. So wie im Lied von heute Morgen.

 

Lied:     behüte all deine Schritte

bis ans Tor seiner Ewigkeit.

 

Gesang: Sophie Malzo  Eigenproduktion (sophie.malzo@gmx.de)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40374
weiterlesen...
04AUG2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Du hast mir das Herze genommen, meine Schwester, liebe Braut!

Von wem ist hier die Rede? Dieses uralte Liebeslied steht in der Bibel – in einer ganzen Sammlung solcher Lieder, dem Hohelied. Zwei junge Menschen singen über ihre Liebe.

Aber warum steht das in der Bibel?

Nun: Gott ist Liebe. Was, wenn nicht Liebeslieder, sollte dort stehen! Und dann hat man die Liebe hier als Gleichnis verstanden – für die Liebe zwischen Gott und Israel, oder zwischen Christus und der Kirche. Von wem ist hier also die Rede? Wenn Sie wollen: Von Ihnen!

 

Achtstimmig ist dieser festlich-schöne Gesang. Der junge Johann Crüger hat ihn im Jahr 1620 in Berlin für eine Hochzeit geschrieben. Wir kennen Crüger vor allem für seine Melodien auf Texte von Paul Gerhardt, die meisten davon regelrechte Kirchen-Schlager. Und nun dieses biblische Liebeslied! Ein wunderbares Menü tischen uns der alte Orient und das barocke Berlin gemeinsam auf – ein köstliches Hochzeitsmahl: „Deine Lippen sind wie ein triefend Honigseim. Honig und Milch ist unter deiner Zungen, und deiner Kleider Geruch ist wie der Geruch Libanon.“

 

„Liebe Braut: Wie schön und lieblich bist du!”

Die Idee, dass Gott in seine Menschen verliebt ist wie ein Bräutigam in seine Braut, die gefällt mir! Wie aufregend und bunt wird mein Leben, wie glühen meine Wangen, wie leuchten meine Augen! In welch leuchtenden Farben liegt der Weg meines Lebens vor mir!

Wenn Glaube so fröhlich und bunt sein kann, so heiter und so zärtlich – dann wird er ganz sicher Berge versetzen!

Die Liebe zwischen zwei Menschen als Gleichnis für die Liebe zwischen Gott und Mensch – das ist ein so genialer Gedanke, dass man sofort auf ihn kommen müsste, wenn er es nicht schon in die Bibel geschafft hätte. Gott hat sich in uns verliebt. Wie sollten wir nicht Tag und Nacht daran denken, wie wir diese Welt in den Lustgarten verwandeln können, als den Gott sie gemeint hat! Wir werden geliebt. Was sollte uns aufhalten?

Text: Hoheslied 4,9-11
Melodie: Johann Crüger

Du hast mir das Herze genommen
(für 8-stimmigen gemischten Chor und Basso continuo)
Wie mit vollen Chören (MarienVokalconsort, MarienEnsemble, Dir.: Marie-Louise Schneider)
Rondeau LC 06690 / 07 / [WDR] 6187956107.001.001

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40439
weiterlesen...