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SWR2 Wort zum Tag

20MAI2023
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Ich habe Geheimnisse. Große und kleine. Damit befinde ich mich in guter Gesellschaft. Denn eine Studie hat jüngst ergeben, dass 97% aller Menschen etwas vor ihren Mitmenschen verbergen. Dabei geht es um Beziehungsthemen, um verborgene Wünsche, ums Geld. Aber auch um Schuldgefühle und um Gedanken, für die man sich schämt.

Manchmal lüfte ich eines meiner Geheimnisse. Dann erzähle ich jemandem, was bisher noch niemand weiß. Dann offenbare ich mich.

Auch Gott trägt Geheimnisse in sich. Für mich ist Gott sogar ein Name für das größte Geheimnis meines Lebens. Wenn ich mich frage, wie alles seinen Anfang genommen hat. Und was am Ende stehen wird. Am Ende meines Lebens. Und am Ende der Welt. Gott gibt uns immer wieder Einblicke in die Geheimnisse des Lebens. In der Bibel trägt gleich ein ganzes Buch den Namen Offenbarung. Das letzte Buch. Ganz hinten. In diesem Buch werden auch Geheimnisse gelüftet. Geheimnisse über die Zukunft der Welt. Dinge, die die Menschen gerne von Gott erfahren hätten. Den Menschen, für die dieses Buch geschrieben wurde, ging es nicht gut. Sie wurden verfolgt. Mussten sich verstecken. Die Enthüllung über den Fortgang der Welt sollte ihnen Mut machen. Sollte sie trösten. Und ihnen eine bessere Zukunft vor Augen malen. Mit Bildern, die sie verstehen konnten. Die ihren Verfolgern aber ein Geheimnis bleiben mussten.

Im biblischen Buch der Offenbarung enthüllt Gott etwas über sich selbst. Und über die Zukunft der Welt. Mit starken Sätzen: „Siehe, ich mache alles neu!“, sagt Gott da. Und: „Schmerzen, Krankheit, selbst der Tod werden nicht mehr sein! Diese erste, diese böse Welt ist im Verschwinden!“ (Offenbarung 21,4+5) Es ist leider kein Geheimnis, dass wir von diesem Zustand noch sehr weit weg sind. Und es ist Gottes Geheimnis, wann etwas von den Sätzen dieser Offenbarung wahr werden wird. Für mich ist es die schönste Offenbarung überhaupt: Die Zusage, dass irgendwann alles gut wird. Seit dem biblischen Buch der Offenbarung ist es kein Geheimnis mehr: Die Übeltäter haben nicht das letzte Wort. Nicht über diese zurzeit so geschundene Welt. Nicht über mich. Darum bleibe ich zuversichtlich. Und möchte daraus kein Geheimnis machen. Sondern darüber reden. So wie jetzt!

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SWR2 Wort zum Tag

19MAI2023
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„Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.“ Auf einem Auto habe ich diesen Satz entdeckt. Als Aufkleber auf der Kühlerhaube. Er hat mich richtig elektrisiert. Ein wenig aber auch irritiert. Meine Kindheit liegt doch hinter mir. An der kann ich doch nichts mehr ändern. Auch wenn’s mich manchmal schon reizt, mir vorzustellen, was alles hätte anders werden können, wenn ein paar Dinge ganz anders verlaufen wären. Aber eine schwierige Kindheit nachträglich zu einer glücklichen umzumünzen, das geht schon gar nicht.

Womöglich ist der Satz ganz anders gemeint. Und die Kindheit, von der er spricht, liegt gar nicht hinter mir, sondern vor mir. Dann müsste die Zeit, auf die ich zugehe, etwas enthalten, was ich mit der Kindheit verbinde. Menschen um mich herum, auf die ich mich absolut verlassen kann. Wie damals auf meine Eltern. Die Fähigkeit zu staunen, gerade auch über die kleinen Dinge des Lebens, die uns Erwachsenen längst abhandengekommen sind. Etwas von der kindlichen Unbeschwertheit. Die Fähigkeit, einfach auszuprobieren, was geht.

Dass es nie zu spät ist, eine glückliche Kindheit zu haben - davon hat auch Jesus von Nazareth gesprochen. „Wenn ihr nicht wieder wie Kinder werdet, kommt ihr nie ins Reich Gottes!“ (Matthäus 18,3) Das sagt Jesus, als seine Freudinnen und Freunde von ihm wissen wollen: „Wer ist denn der Größte unter uns?“. Auch das eine typische Kinderfrage.  Wenn ich an unsere eigenen Kinder denke, erinnere ich mich gut, wie sie miteinander gerangelt haben. Und ihre Kräfte ausgetestet. Nicht nur für sich selber. Sondern als Bitte an uns als Eltern: „Überschau mich doch bitte nicht! Schließlich bin ich ganz wichtig.“ Kinder leben viel stärker einfach in der Gegenwart. Verstehen das Leben als Spiel. Und finden genau darin erstmal ihr Lebensglück.

„Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.“ Dem Autofahrer, der diesen Satz wie ein Bekenntnis auf seine Kühlerhaube geklebt hat, gings vielleicht genau darum: auszusteigen aus dem Streit um den besten Startplatz auf der Bühne des Lebens. Und etwas zurückzugewinnen von der kindlichen Art, im Hier und Jetzt zu leben und sein Glück zu finden. Wenn es dazu nie zu spät ist, dann lasse ich es doch gleich heute auf den Versuch ankommen. Ich entdecke etwas vom Glück der späten Kindheit. Und denke einfach nur an das, was heute wichtig ist.

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SWR2 Wort zum Tag

25MRZ2023
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Für einen Freund ist es der Barhocker. Eine Musikerin, nennt ohne Zögern ihr selbstgebautes Cembalo. Ein Kollege hat mir unlängst stolz seinen höhenverstellbaren Schreibtisch vorgeführt. Jeder bezeichnet ein anderes Stück als sein Lieblingsmöbel. Haben Sie auch eins? 37 Prozent der Deutschen nennen das Sofa, immerhin 20 Prozent das Bett.

Meines ist ein Sessel, den eine Polsterin vor einem Jahr in einem alten Holzgestell wieder aufgepolstert hat. Wunderbar, um abends zu entspannen. Und staunend zu genießen, wie in ein schon ausrangiertes Möbel neues Leben eingehaucht werden kann. Ich hoffe schon, dass ich diesem Möbel immer wieder genügend Zeit widmen kann.

Auch Jesus hatte ein Lieblingsmöbel. Sein Lieblingsmöbel ist der runde Tisch. Zumindest symbolisch. Tische, wie wir sie heute kennen, gabs damals ja noch nicht. Meist saß man gemeinsam im Kreis auf dem Boden.  Was man miteinander essen und genießen wollte, stand in der Mitte. Die Pflege solcher Tischgemeinschaft wurde zu einem Markenzeichen von Jesus. So oft ist er mit ganz unterschiedlichen Menschen auf diese Weise zusammengesessen, dass er in manchen Kreisen als „Fresser und Weinsäufer“ verschrien war. Dabei ging es ihm um etwas ganz anderes. Er hat auf diese Weise nämlich Menschen in seinen Kreis, an seinen Tisch geholt, für die an anderen „Tischen“ kaum Platz war. Zolleinnehmer, die mit der verhassten römischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet haben. Prostituierte, mit denen man den öffentlichen Kontakt lieber vermieden hat.  

Wenn Jesus den Menschen ein positives Bild von der Zukunft vor Augen stellen wollte, dann sah das genau so aus: Alle Menschen versammeln sich gemeinsam um einen Tisch. Ohne Unterschied. Ohne oben und unten. „Hört, wie ich mir Gottes neue Welt vorstelle, sagt er einmal: Sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und Süden, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes.“ (Lukas 13,29)

Gemeinsam entspannt am Tisch Gottes sitzen. Das ist eine schöne Vorstellung. Und vielleicht liege ich am Ende mit meinem neuen Sessel da gar nicht so schlecht.  Er lädt nicht nur ein zum Entspannen. Er passt auch wunderbar an jeden runden Tisch. Und lässt mich so jedes Mal schon im Voraus etwas vom Reich Gottes kosten.  

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SWR2 Wort zum Tag

24MRZ2023
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„Der direkteste Weg ist immer der Umweg!“ Diesen Satz von C.G. Jung habe ich vor kurzem auf einer Begleittafel neben einem Labyrinth gelesen. Und ich konnte ihm gleich spontan zustimmen. Er trifft auch meine eigene Lebenserfahrung.

Da habe ich beim Wandern ein Hinweisschild übersehen. Und schon wird die Strecke doppelt so lang. Aber sie führt überraschend an einer wunderbaren Einkehrhütte vorbei. Was mit zusätzlichen Mühen begonnen hat, hat sich am Ende als ausgesprochener Glücksfall erwiesen. Der direkteste Weg ist immer der Umweg!“ Auch im übertragenen Sinn halte ich diesen Satz für eine zutreffende Lebensweisheit. Da hat sich im Leben etwas einfach nicht ergeben wollen: Eine Stelle. Der Kontakt zu einem bestimmten Menschen. Ich musste mich dann für einen neuen Weg entscheiden. Aber am Ende hat sich genau dadurch die Tür geöffnet, die meinem Lebensweg die entscheidende Wendung ermöglicht hat.

Eine der für mich großartigsten Geschichten der Bibel ist auch eine Umweg-Geschichte. Sie erzählt von Mose. Der hat eine Zeitlang als Hirte gearbeitet. (2. Mose 3) Auf der Flucht. Um sein Leben zu retten. In der Eintönigkeit seines Hirtendaseins nimmt er eines Tages eine Erscheinung wahr. Einen Busch, der zu brennen scheint. Mose ist neugierig und sagt sich: „Ich will einen kleinen Umweg machen. Ich will schauen, was sich da abspielt.“ Und als er näherkommt, entdeckt er: Dieser brennende Busch ist keine Einbildung. Es ist der Ort einer alles verändernden Gottesbegegnung.  Denn aus dem brennenden Busch heraus beruft Gott den Mose, die Verantwortung für seine Landsleute zu übernehmen. Er soll sie aus der Sklaverei in die Freiheit führen.

Ein kleiner Umweg für Mose. Und zugleich die entscheidende Wendung auf seinem Lebensweg. Es ist dieser kleine Umweg gewesen, der Mose am Ende direkt in die größte Herausforderung seines Lebens, in seine zentrale Lebensaufgabe führt.

Nein, Umwege suche ich mir nicht selber. Sie ergeben sich. Meist gegen meinen Willen. Die Lebenskunst besteht darin, über den Umweg nicht zu jammern. Sondern ihn als Chance zu begreifen. Und Augen und Ohren offen zu halten. Ich kann sagen: Im Rückblick ist mein Leben nichts anderes als eine Aneinanderreihung von Umwegen. Aber am Ende komme ich womöglich nur so direkt ans Ziel. Ich bin gespannt, welche Umwege noch auf mich warten.

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SWR2 Wort zum Tag

23MRZ2023
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„Ich bin ein Mensch!“ Jedes Mal, wenn ich im Internet ein Ticket bei der Deutschen Bahn buchen möchte, muss ich erst einmal diesen Satz anklicken. Und bestätigen, dass ich ein Mensch bin. Natürlich weiß ich, dass es darum geht zu überprüfen, dass da wirklich der Kunde bucht, der sich eingeloggt hat. Und keine Maschine. Trotzdem berührt es mich jedes Mal irgendwie seltsam, wenn ich mein Häkchen neben diese Aussage setze: „Ich bin ein Mensch!“

Eigentlich, denke ich mir, müsste man die Bestätigung dieses Satzes in ganz anderen Situationen zur Zugangsvoraussetzung machen. Wenn nicht mit einem Kreuzchen, dann doch mit innerer Zustimmung. Dieser Satz könnte überall helfen, wo Menschen es miteinander zu tun haben. Im beruflichen Alltag etwa, wenn der Chef seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder einmal seine Macht spüren lässt. Es könnte helfen, wenn er sich vorher bewusst macht: „Ich bin auch nur ein Mensch!“ Dieser Satz könnte da seine Wirkung entfalten, wo jemand nicht auf Augenhöhe mit mir spricht. Mich ungebührlich behandelt: Dann müsste ich eigentlich antworten: „Auch ich bin ein Mensch! Respektiere bitte meine Grenzen.“

Der Satz „Ich bin ein Mensch!“ hilft mir, meine Rolle gegenüber Gott recht zu verstehen. Vom Propheten Jesaja kann ich das lernen. In der Bibel wird berichtet, wie er in sein Amt als Prophet berufen wird. (Jesaja 6,1-8) Im Tempel hat er eine Vision. Er sieht Gott, umgeben von Engeln. Das ist ein derart überwältigender Anblick, dass er vor Angst fast vergeht.  Er ahnt: Eigentlich bin ich hier am falschen Ort. „Weh mir“, ruft er, „ich bin doch nur ein Mensch! Ich bin doch gar nicht würdig, hier auf Gott zu treffen.“ Einer der Engel, so wird berichtet, berührt daraufhin die Lippen Jesajas mit einem glühenden Stück Kohle. Reinigt so gewissermaßen seine Lippen. Legt die Kraft feuriger Worte in seinen Mund. Und am Ende, als Gott fragt: „Wen soll ich beauftragen, den Menschen meine Worte weiterzusagen?“. da antwortet Jesaja sehr selbstbewusst: „Ich bin ein Mensch! Sende mich!“  

Nein, ein Prophet muss ich nicht gleich werden. Aber wenn ich wieder ein Ticket buchen muss, dann warte ich, bis die Frage erscheint und setze dann ohne zu zögern mein Kreuzchen: „Ja, ich bin ein Mensch! Und deshalb mache ich mich auf den Weg. In die Welt. Und zu denen, die mit mir als Menschen unterwegs sind.“

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SWR2 Wort zum Tag

14JAN2023
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„Alles gut!“ Immer wieder höre ich diesen Satz. Meist dann, wenn ich jemanden direkt auf eine offensichtlich schwierige Situation anspreche. „Wie kriegst du das denn alles hin?“ „Alles gut! Geht schon!“ Oder „Was sagt denn der Arzt?“ „Alles gut! Das wird schon wieder!“ Andauernd werde ich mit diesen Worten beschwichtigt.

Ich bin jedes Mal von Neuem irritiert, wenn ich diesen Satz zur Antwort bekomme. Und widerspreche auch immer wieder. Denn ich frage mich: Ist das wirklich eine realistische Einschätzung der Situation? Denn offensichtlich ist ja nicht alles gut. Oder soll damit ein ehrliches Gespräch vermieden werden? Dann würde die eigentliche Botschaft lauten: Ich kann die Situation grad nicht wirklich richtig einschätzen. Aber gut ist sie nicht.“

„Alles gut!“ Eigentlich ist dieser Satz so alt wie die Bibel. Gleich auf den ersten Seiten kommt er mehrfach vor. Im Bericht von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen. Immer heißt es am Ende eines Schöpfungstages: „Gott sah an, was er gemacht hatte. Es war gut!“ (1. Mose 1,4) „Alles gut!“ Das ist also gewissermaßen Gottes Grund-Urteil über die Welt. Ganz am Anfang. „Alles gut!“

Doch schon wenige Seiten später ist es vorbei mit dieser Bewertung. Da schlägt der Mensch über alle Stränge. Und vieles läuft aus dem Ruder. Der Mensch trägt mit einem Mal Böses in seinem Herzen. So sehr, dass Gott die Reset-Taste drückt. Und alles zurück auf Anfang stellt. In der Erzählung von der großen Flut wird davon berichtet.

Mit der Erinnerung an den Ur-Anfang höre ich das ständige „Alles gut!“ um mich herum noch einmal ganz neu. Es klingt dann nicht mehr wie die Bewertung der aktuellen Situation. Diese beiden Worte bringen eher eine Sehnsucht zum Ausdruck. Mehr noch: Sie sind die kürzeste Form eines Gebets. Alles möge wieder so sein wie am Anfang. Am Anfang des Lebens, als von der Krankheit noch nichts zu ahnen war. Am Anfang der Liebe, als diese sich noch nicht im tagtäglichen Klein-Klein zu bewähren hatte. Am Anfang, als alles noch so einfach schien. Und noch wenig davon zu erahnen war, wie sehr das Leben Menschen auch herausfordert und nicht selten überfordert.

Seitdem höre ich barmherziger auf diesen Satz. Und ich muss ihm auch nicht mehr widersprechen. „Alles gut!“ Mit diesem Gebet auf den Lippen will ich mich ganz zuversichtlich auf das, was kommt, einlassen.

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SWR2 Wort zum Tag

13JAN2023
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Ich tue mich jedes Jahr von Neuem schwer, die weihnachtlich geprägten Tage hinter mir zu lassen. In unserer Tradition dauert die Weihnachtszeit eigentlich bis zum 2. Februar. Aber kaum jemand hält so lange daran fest. Meistens werden die ausgedienten Weihnachtsbäume ohnedies gleich in den ersten Tagen des neuen Jahres abgeholt. Und spätestens am 6. Januar ist dann endgültig Schluss. Nicht so in Skandinavien.

Dort endet Weihnachten am 13. Januar. Also heute.  für diesen Termin verantwortlich ist Knut IV., König von Dänemark. Im 11. Jahrhundert hat er gelebt. Ob Knut wirklich entschieden hat, dass die Weihnachtszeit genau zwanzig Tage dauern soll, also bis zum 13. Januar, weiß niemand mehr so recht. Aber dieser Tag, knapp drei Wochen nach Weihnachten trägt in Skandinavien seinen Namen. Sankt Knuts Tag.

An diesem Tag können die Kinder die letzten Süßigkeiten verzehren, die am Baum noch hängen geblieben sind. Dann ist es endgültig um den Baum geschehen. Aber König Knut ging‘s nicht um Bäume, die aus dem Fenster geworfen werden. Sein Ziel war nicht, die Weihnachtszeit möglichst spektakulär zu beenden. Er wollte sie zunächst erst einmal verlängern.

Weil Weihnachten für ihn wie für mich etwas so Grundsätzliches, etwas Elementares zum Ausdruck bringt: Gott und Mensch kommen nicht voneinander los. Eine Kleinigkeit reicht aus, um das ganz große Wunder wahrzunehmen. Ein Kind, wie vor drei Wochen, an Weihnachten. Eine Geste der Zuwendung oft schon, die eine angespannte Situation entschärft. „Das Wort ward Fleisch und hat unter und Wohnung genommen.“ (Johannes 1,14) Dieser Satz hat keine Halbwertszeit, die nur bis zum heutigen 13. Januar reicht. Er gilt das ganze Jahr über. Eine Konsequenz könnte tatsächlich sein, dass ich einiges loswerden muss, was der Einsicht widerspricht: Gott und Mensch gehören zusammen. Da könnte ich schon einiges entsorgen. Nicht nur den Christbaum. Im Grunde alles, was mich davon abhält, in meinen Mitmenschen auch die Nähe Gottes zu entdecken. Vielleicht sollten wir den Sankt-Knuts-Tag deshalb auch bei uns  einführen.

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SWR2 Wort zum Tag

12JAN2023
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Beim Blick vom Balkon in meinem Tiroler Urlaubsdomizil lassen sich mehrere Kapellen ausmachen. Wenn man spazieren geht, gibt es kaum eine Wegkreuzung ohne ein Kruzifix. Aus Stein das eine. Kunstvoll geschnitzt die weitaus größere Zahl.

Meist findet sich auch ein Hinweis auf deren Entstehungsgeschichte. Die Pest, die das Dorf heimgesucht hat. Ein überstandener Krieg. Aber auch der Neuaufbau des Hofes nach einer Brandkatastrophe. Eine überstandene Krankheit. Die Hochzeit. Immer sind es einschneidende Ereignisse, auf die Menschen mit diesen bis heute sichtbaren Zeichen ihres Gottvertrauens reagiert haben.

Meist liegen diese Ereignisse schon Jahrhunderte oder immerhin doch einige Jahrzehnte zurück. Eine Kapelle mit der Bitte um den Erhalt dieses Planeten angesichts der Klima-Krise habe ich bisher aber noch nicht gefunden. Auch kein Kruzifix als Dank für die Bewahrung in drei Jahren, in denen das Corona-Virus gewütet hat.

Aber gefragt habe ich mich: Wie bewahren wir eigentlich die Erinnerung an einschneidende Herausforderungen unserer Lebensgeschichte? Die Bedeutung von Glauben und Religion hat sich längst gewandelt. Auch die Bereitschaft des Menschen, das Wirken Gottes im eigenen Leben überhaupt wahrzunehmen. Wir wissen heute mehr als unsere Vorfahren, wie groß unsere eigene Verantwortung ist, wenn’s um all die Bewältigung der großen und bedrängenden Probleme geht, die uns derzeit in Atem halten. Aber Gott aus diesen Zusammenhängen ganz außen vor zu lassen, das möchte ich  auch nicht.

In einem Psalm heißt es: „Gott selbst hat ein Gedächtnis seiner Wunder gestiftet.“ (Psalm 11,4). Gott hält also selber selbst die Erinnerung an sein Handeln wach. Aber ich bin sicher: Mein eigenes Erinnern hat Teil an diesem erinnernden Handeln Gottes. Auch wenn ich keine Kapelle und kein Kruzifix stifte. Aber wie denn dann? Ein persönliches Erinnerungstagebuch könnte ich führen. Meine Sorgen oder meinen Dank in einem der Fürbittbücher festhalten, die in vielen Kirchen ausliegen. Und so diese Kirche zu meiner eigenen Bitt- und Dankeskapelle machen. Wenn ich keine Kapelle mit Steinen baue, kann ich‘s zumindest mit Worten tun. Und anderen davon erzählen, dass ich Gründe genug habe, Gott etwas zuzutrauen, gerade in krisenhaften Zeiten. Und Anlass zum Danken noch obendrein.

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SWR2 Wort zum Tag

03DEZ2022
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Ich war schon überrascht. Unter meiner Geburtstagspost befand sich auch der Gruß eines Arztes, bei dem ich in Behandlung bin. Eine schöne Kunstkarte. Der Text handschriftlich geschrieben. „Ich wünsche ihnen alles Gute, vor allem Gesundheit! Wenn ich etwas dazu beitragen kann, tue ich das gerne!“

Er hat ja recht, habe ich gedacht. Ich bin wirklich längst überfällig mit dem nächsten Termin. Ehrlich gesagt: Ohne den freundlichen Gruß hätte ich mich vermutlich immer noch nicht auf den Weg in die Praxis gemacht. Der persönliche, handgeschriebene Gruß, hat mir gutgetan. Der Arzt, so habe ich gedacht, hatte mich in dem Moment im Blick. Und er hat mir auch eine klare Botschaft gesendet. Nicht ohne Erfolg!

In diesen Tagen geht mir diese Erfahrung wieder durch den Kopf. In den Wochen vor Weihnachten wird traditionell viel Post verschickt. Werbung, die mir Dinge anpreist, die sich als Geschenk eignen. Oder die ich angeblich unbedingt brauche. Organisationen, die gleich noch eine Zahlkarte mitschicken.

Ich verschicke auch gerne Post. Und ich freue mich über die, die ich selber erhalte. Am meisten freue ich mich über Grüße, die mich persönlich ansprechen. Mit ein paar handschriftlichen Sätzen, bei denen ich spüre, sie sollen mir guttun. Solche Grüße versende ich auch selber gern. Noch ganz traditionell. Mit Füller geschrieben. Mit einer Briefmarke auf dem Umschlag in den Briefkasten gesteckt. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Solche Briefe verfehlen ihre Wirkung nicht. Briefe können die Welt verändern. In der Bibel finden sich gleich eine ganze Reihe von Briefen. Interessant zu lesen bis heute. Der fleißigste Briefschreiber ist Paulus. Er musste noch ohne Computer auskommen. Dafür hat er anderen diktiert, die schneller und besser schreiben konnten als er. Aber manchmal fügt er am Ende noch seinen eigenen handschriftlichen Gruß hinzu. „Schaut! Dies schreibe ich, Paulus, mit eigener Hand.“ (Galater 6,11)

Ich möchte sie verlocken, in dieser Vorweihnachtszeit ein paar Briefe zu schreiben. Oder mindestens ein paar Kartengrüße zu versenden, ehe dafür dann wieder keine Zeit mehr bleibt. Vor allem mit eigener Hand. Vielleicht an jemandem, mit dem sie lange nicht mehr in Kontakt gewesen sind. Oder an jemanden, bei dem sie wissen, der oder die freut sich ganz besonders darüber. Weil sonst kaum jemand anders schreibt. Packen Sie ruhig auch eine Botschaft hinein. So wie mein Arzt. Bei mir hat’s ja auch geholfen.

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SWR2 Wort zum Tag

02DEZ2022
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Vor wenigen Wochen habe ich mein erstes Enkelkind bekommen. Eine unglaublich überwältigende und schöne Erfahrung! Und eine Erfahrung, die sehr gut in diese Zeit passt. Schließlich ist die Adventszeit auch vom Warten auf die Geburt eines Kindes geprägt, mit dem die Welt ein neues Gesicht bekommt.

Der Geburt unserer Enkeltochter ging auch eine Zeit des Wartens voraus. Nicht nur bei den Eltern. Nein, auch bei mir und meiner Frau. Schließlich wollten wir uns auf unsere neue Rolle als Großeltern einstellen. Advent ist es in diesem Jahr für uns also schon geworden, ehe der Advent im Kalender begonnen hat.

Das Warten haben viele Menschen in diesem Jahr aber auch aus anderen Gründen neu lernen müssen. Viele Dinge, die uns anscheinenden immer selberverständlich und in Hülle und Fülle zur Verfügung gestanden haben - plötzlich gibt es sie nicht mehr. Nudeln und Öl im Lebensmittelgeschäft. Nägel im Baumarkt. Viele Kleinigkeiten auch, die derzeit einfach nur sehr schwer zu kriegen sind. Eine neue Erfahrung für eine Gesellschaft, die die Kunst des Wartens über Jahrzehnte gar nicht mehr erst hat lernen müssen. Die Lieferketten sind unterbrochen, so wird das in den Nachrichten in der nüchternen Sprache der Wirtschaft beschrieben.

Ich frage mich: Ist also angesichts des schrecklichen Krieges in der Ukraine die Lieferkette für Frieden auch einfach unterbrochen? Und die Lieferkette für einen vernünftigen Umgang mit unserer Umwelt dazu? Vielleicht geht es ja in diesem Advent gerade darum, aushalten zu lernen, dass die Lieferketten für ein Leben, wie ich es gerne hätte, auch immer wieder unterbrochen sind?

Advent ist für mich darum eine Zeit der Zusage, dass die Lieferkette Gottes hält. Gerade auch dann, wenn ich es neu lernen muss, das Warten auf das, was das Leben ausmacht, auszuhalten. Weil die Welt eben nicht so aussieht, wie ich sie mir wünsche. Und sicher auch nicht so, wie sie nach Gottes Willen sein soll. Im Neuen Testament wird dieses Warten mit folgenden Worten beschrieben: „Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, voll von Gerechtigkeit. Weil wir der Zusage Gottes vertrauen.“ (2. Petrus 3,13) Am Ende also lohnt sich das Warten. Weil die Hoffnung auf das, was kommt, meinen langen Atem stärkt. Und weil ich meiner Enkeltochter wünsche, dass die Welt, in die hinein sie aufwächst, wieder friedlicher sein wird als im Moment.

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