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„Der ist noch nicht mal aufgestanden! Die haben einfach keinen Anstand mehr!“ Ein älterer Herr ruft das erbost dem Busfahrer zu, als ich ihn aus dem Bus aussteigen sehe. Was passiert ist, lässt sich ahnen, ich sehe eine Gruppe Jugendlicher im Bus weiterfahren. Mir fällt direkt eine Bekannte ein, die umgekehrt neulich erzählt hat, dass im Wartezimmer beim Arzt ein junger Mann für sie aufgestanden ist. Da war ihr erster Gedanke: Hui, jetzt isses soweit, ich seh alt aus.
Wir stehen auf, wenn wir jemanden begrüßen. Aus Respekt und auch wegen der Augenhöhe. Wir stehen auch auf, wenn wir auf einer Bühne Großartiges erlebt haben. Als Charlie Chaplin den Oscar für sein Lebenswerk bekam, gab’s Standing Ovations – 12 Minuten lang.
Für wen würde ich aufstehen? Und jetzt meine ich weder im Bus, in der Straßenbahn oder vor einer Bühne. Für wen stehe ich – innerlich – auf? Der eine mag antworten: „Vor meinen Großeltern stehe ich auf. Mein Großvater hat vier politische Systeme erlebt und war bis zuletzt einer, der nicht im Gestern hing, sondern immer den nächsten Schritt gegangen ist“. Eine andere sagt: „Mein Ausbilder in der Lehre als Schreinerin. Das war ungewöhnlich damals. Sein Betrieb war eigentlich viel zu klein, um mich auszubilden. Ich glaub, er hat’s gemacht, weil er gemerkt hat, dass ich sonst vielleicht hinschmeiße und weiter von mir denke, dass ich eh nix kann.“ „Ich stehe innerlich auf für Menschen“, sagt einer, „die mit einer schwierigen Situation umgegangen sind, von der ich nicht weiß, ob ich das geschafft hätte.“
Und eine ergänzt - sie arbeitet in einem Kindergarten: „Vor diesen kleinen großartigen Menschen stehe ich auf. Nicht weil sie etwas Besonderes leisten. Sondern weil sie so viel schaffen: Das Leben schaffen und das Großwerden. Spielend.“
Geschichten vom Aufstehen erzählen wir in der Osterzeit. Heute am Samstag, wo viele etwas länger liegen bleiben können, stehe ich innerlich auf für diejenigen, die längst hellwach sind. Die von einer Nachtschicht heimkommen. Für alle, die jetzt gerade Sterbende begleiten. Und besonders für die, die mit Ängstlichen heute im Morgengrauen schon gelacht haben. Ich nutze den Samstag, um einen Moment länger beim Kaffee die Füße hochzulegen und innerlich für sie alle aufzustehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41978Margret sitzt auf einem hellgrauen Sofa als ich komme. Ein riesiges graues Sofa, ganz niedrig. Es wirkt durchgesessen so als hätten schon viele Kinder drauf geturnt und viele Leute drauf Platz genommen. Der Sohn hat mir die Tür aufgemacht. „Ich bleib mal sitzen“, sagt Margret, die eigentlich Margarethe heißt.
Sie war früher Turnerin. In den 50er Jahren. Ein Foto von einer Frauenmannschaft in Turnerinnentrikots hängt an der Wand. Sie sagt: „Holen Sie das mal!“. Dann klopft sie auf den Platz neben sich. Ich sinke neben ihr ins Polster und muss richtig lachen, weil’s echt durchgesessen ist, das Sofa.
Sie nimmt mir das Foto aus der Hand und fängt an zu erzählen - aus dieser Zeit mit all den anderen. Sie erzählt von Salto und FlicFlac. Und während sie erzählt, sehe ich ihre Füße in den dünnen Nylonstrumpfhosen, denn sie hat keine Schuhe an. Es ist als würden sich die Zehen immer wieder leicht vom Boden abheben, vom plüschigen Teppich unter ihren Zehen. Wir sprechen noch ein bisschen weiter und irgendwann sagt sie: So, junge Frau, jetzt helfen Sie mir mal hoch!
Ich muss selbst zweimal Anlauf nehmen, dass ich aus dem Sofa hochkomme. Dann greift sie meine Arme und zieht sich routiniert an mir hoch.
„Ich find immer einen, der mich hochzieht!“ Sagt’s und lässt sich wieder zurückfallen: „Sie finden ja allein zur Tür?“
Es ist eine besondere Sache mit dem Aufstehen. Viele Male mögen wir im Leben darniederliegen. Innerlich und tatsächlich. Bei Margret denke ich mit einem Mal:
Ihre Füße haben nichts vergessen. Und ihre Seele auch nicht.
Kann sein, dass ihr Körper kaum mehr aus dem Sofa hochkommt, aber sie turnt noch. Man sieht es an ihren Füßen. Und sie kommt aus dem FlicFlac in den Stand.
Könnte doch sein, dass diese ganze Sache mit dem leeren Grab und der Auferstehung nur die eine Botschaft hatte: Egal wie sehr uns das Leben manchmal umwirft, nein, natürlich nicht egal, das ist schon das Erste: Es ist nicht egal, ob dich das Leben umgeworfen oder lahm gemacht hat. Aber auch wenn das so ist: Unsere Füße und Herzen und Seelen wissen noch: Leben sollt ihr. Turnen. Und immer einen haben, der euch aus dem Sofa hochzieht. Mit Kraft.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41977Wenn Karin übers Aufstehen redet, dann hat das immer einen besonderen Klang. Karin ist querschnittgelähmt seit einem Unfall. Wenn sie morgens aufsteht, dann um sich aus dem Bett in den Rollstuhl zu schwingen. Sie sagt immer „schwingen“, weil das eleganter klingt als hieven. Karin lacht viel. Auch über sich selbst. „Das ist mein Glück, dass mir das Lachen näher liegt als das Schimpfen.“ Karin ist Ende 50. Ich kenne sie von früher und sehe sie nach Jahren auf einem Foto in der Zeitung wieder. Sie ist auf einer Demo von Fridays for Future und an ihrem Rollstuhl hat sie ein Schild: „Aufstehen hat nichts damit zu tun, ob du stehen kannst, sondern ob du Rückgrat hast!“. Für die Demokratie-Demos der letzten Monate hat sie’s wieder rausgeholt. Und ist mit vielen anderen aufgestanden, im Rollstuhl sitzend.
Von Karin habe ich gelernt, dass Menschen, die physisch nicht stehen können, nicht unbedingt bemitleidenswert sind. Sie sind nicht behindert, sie haben eine Behinderung. Mehr noch: Sie werden behindert. Weil von Supermarkt bis Behörde oder Busfahren ihre Bewegungsfreiheit behindert wird.
„Weißt du, alle haben diese Bilder vor Augen, angefangen von der Kinderstory, dass Heidi, die aus den Bergen, ihre Freundin Klara darin unterstützt, dass sie wieder laufen kann. Am Ende läuft Klara. Und das ist das Happy End. Und Jesus, euer Jesus, er heilt andauernd Menschen, so dass sie wieder sehen, laufen, reden. Das nervt.“
Karin liebt Ostern. Sie liebt das Wort „Auferstehung“. Da geht’s um Rückgrat, nicht ums Stehen-Können.
Die ersten Christinnen und Christen haben sich dafür eingesetzt, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben. In einer Zeit, in der das politisch nicht nur völlig abwegig, sondern auch gefährlich war.
Karin bringt allen Augenhöhe bei, obwohl sie aus ihrer Position die meisten so schräg von unten ansieht. Manchmal auch angrinst. Und es immer hasst, wenn sich jemand zur ihr runterbeugt. Augenhöhe hat nichts mit Runterbeugen zu tun.
Karin liebt Ostern. Sie liebt Auferstehung. Denn da geht’s um Rückgrat.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41976Timo ist kein Frühaufsteher. Noch nie gewesen. Timo ist keiner von denen, die schon mal Kaffee anstellen und dann, während der durchläuft, Brötchen holen.
Schon als Jugendlicher ist er nicht gern aufgestanden. Nach dem Wecker-Piepsen ist er liegen geblieben, hat das Rufen seines Vaters ignoriert: „Aufstehn!“, und hat innerlich angefangen zu rechnen: „Wie viele Minuten kann ich noch im Bett bleiben, damit es zum Anziehen und, na gut, zum Waschen noch reicht, um noch eine Banane auf dem Weg zu essen und den Bus noch zu erreichen.“ Timo kannte seine Zeit genau. Und hat nie den Bus verpasst.
Trotzdem kennt Timo das Morgengrauen. Schon damals ist er manchmal im Morgengrauen aufgewacht. Er weiß noch, dass er immer im ersten Moment erleichtert war beim Blick auf die Uhr: „Ah, zum Glück, ich kann noch liegen bleiben.“ Gleich darauf kamen aber die Gedanken an den Tag. „Ah, die Mathearbeit“. Er kennt dieses Gedankenkarussell im Morgengrauen. Und hat lange gedacht, dass das nur ihm so geht.
Warum ist das so, dass manchmal morgens zwischen Traum und Tag, zwischen Nacht und Morgen Probleme so viel größer sind und der Mut so viel kleiner?
Im Morgengrauen war’s, dass sie ans Grab von Jesus kommen. Sie sind traurig. Wie sollten sie auch nicht? Sie besuchen das Grab von einem Freund im Morgengrauen. Diese Zeit zwischen Traum und Tag, zwischen Nacht und Morgen. Diese Zeit, in der uns manches vom Vortag so schmerzlich einfällt, dass es viel größer wird als gestern. Diese Zeit, in der der Mut klein ist und die Angst groß?
Ins Morgengrauen hinein haben Menschen – oder war’s Gott? – Auferstehung erzählt. Gerade nicht, um einfach zu rufen: „Aufsteh’n!“, als sei das Grauen im Morgengrauen so einfach loszuwerden. Dass Jesus auferstanden ist, ist keine Aufforderung an uns. Es ist der Anfang von jedem Tag, der kommt: Es ist dein Tag und Gott darin.
Trotzdem heißt die Sache mit der Auferstehung zum Glück nicht, dass wir extra früh aufstehen müssten, um das Leben zu atmen. Manchmal ist’s auch schön, wenn schon jemand anderes Kaffee kocht und Brötchen holt, während ich liegenbleibe und mit dem Wecker verhandle.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41975Papst Franziskus ist gestorben. Von einem Menschen, der es keiner Seite recht machen kann, sagen manche ja, dass so ein Mensch vieles richtig macht. Für mich war Franziskus so ein Mensch. Vielen in Deutschland etwa, die sich eine weltoffenere, modernere Kirche wünschten, war er zu zögerlich. So hielt er daran fest, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei. Zugleich setzte er Frauen in hohe Leitungsämter der Kirche ein. Homosexualität bezeichnete er als Sünde, begegnete queeren Menschen aber dennoch mit großer Wertschätzung. Erzkonservativen Hardlinern, die jede Modernisierung ablehnen, galt er deshalb als Verräter an der reinen Lehre. Ja, einige dieser sogenannten Würdenträger haben sogar versucht, ihn zu stürzen.
Ich habe Papst Franziskus um seine Aufgabe nie beneidet. Eine weltumspannende Kirche zusammenzuhalten in einer Welt, die so widersprüchlich und vielfältig ist, wie sie es wohl nie zuvor war. Ein fast schon übermenschlicher Anspruch. Und so sind es vor allem zwei Aspekte, die mir persönlich von seinem Pontifikat besonders in Erinnerung bleiben:
Da war sein weites Herz für die Armen, die Schwächsten, die an den Rand Gedrängten. Franziskus war einer, der Menschen gemocht hat. Ein Menschenfischer im Geiste Jesu. Einer, der Demut und Bescheidenheit nicht nur gepredigt, sondern auch vorgelebt hat. Der davon sprach, ihm sei „eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die wegen ihrer Verschlossenheit krank ist“.
Und dann ist da seine Enzyklika „Laudato si“. Sie war ihm ein Herzensanliegen und bleibt sein Vermächtnis. Die rücksichtslose Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und den Klimawandel als vielleicht größte Bedrohung der Menschheit hat kein Papst vor ihm so klar benannt. „Alles ist mit allem verbunden“, schreibt Franziskus darin. Ein Satz, an den man als Christ derzeit nicht oft genug erinnern kann, angesichts egoistischer Alleingänge überall auf der Welt.
Wer auch immer Papst Franziskus nun nachfolgt. Ich bin sicher: Seine Stimme wird fehlen. In der Kirche und in der Welt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42028Ich mag die deutsche Sprache. Sie ist so vielseitig. Kennt so viele Ausdrücke. Und doppeldeutige Begriffe. Zum Beispiel: Ausschweigen. Ist ein scherzhafter, spöttischer Ausdruck. Jemand schweigt sich aus, das heißt: Ist durch nichts zum Reden zu bringen, hält sich bedeckt.
Aus Schweigen kann aber auch heißen: Dass etwas aus der Stille, aus dem Schweigen, aus der Ruhe kommt.
Beides passt zum Tag heute. Zum Karsamstag. Ein Tag, der zwischen allen Stühlen sitzt. Gestern Karfreitag, der Tag, an dem Christinnen und Christen auf der ganzen Welt an den Tod Jesu denken. Und morgen: Ostersonntag. Ein Tag, an dem das Leben gefeiert wird.
Zwischen Tod und Leben: der Karsamstag. Ein stiller Tag, trotz aller Hektik, die vielleicht heute ausbricht. Von wegen Einkaufen und Kochen und Putzen und Auto waschen oder auch Arbeiten.
Frage ich aber, was dieser Tag bedeutet, dann gibt’s keine einfache Antwort. Der Karsamstag ist so ein Tag, der sich ausschweigt. Der nicht von allein zu erkennen gibt, was Sache ist. Weder Tod noch Leben, weder Fisch noch Fleisch. Wofür dann dieser Tag? Eine Antwort: Heute ist ein Tag zum Innehalten. Es ist ja eine alte Binsenweisheit, dass aus der Stille Großes entstehen kann. Und genau davon erzählt dieser Tag heute. Macht das auch symbolisch deutlich. Heute läuten etwa keine Kirchenglocken. Als würden sie den Atem anhalten: Um dann in der Osternacht richtig loszulegen.
So geht’s mir manchmal auch im Leben. Dass es die Ruhe braucht. Ich muss Atem holen. Vor einer neuen Aufgabe brauchts diesen Anlauf. Einem neuen Job. Oder nach einem runden Geburtstag. Überall braucht es Zeit, sich auf Neues einzustellen. Wie am Karsamstag. Der aber verspricht: Neues kommt. Und das wird gut.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41919Viele von ihnen, die mich jetzt im Radio hören, frühstücken gerade oder haben gegessen. Ein altes Ritual am Morgen. Schon bei den Ägyptern und Römern gabs morgens Obst und Mandeln, Brot und Brei, Bier oder Wein. Mit Essen und Trinken den Tag starten, das tat damals und tut heute gut, stärkt.
Der Tag heute hat noch aus einem anderen Grund mit Essen und Trinken zu tun. Mit Kraft tanken. An Gründonnerstag dreht sich alles um ein letztes gemeinsames Essen von Jesus und seinen Freunden. Ein karges und doch komplettes Mahl. Brot, Wein, Kräuter. Mehr braucht es nicht. Diese letzte Mahlzeit macht, wie unter einem Brennglas, deutlich, was für Leben und Überleben wichtig ist. Essen, Trinken und Gemeinschaft. Klingt simpel. Ist es auch.
Essen und Trinken sind für den Körper wichtig. Aber auch für den ganzen Menschen. Wenn ich Brot kaufe, dann kann ich mich manchmal nicht bezähmen. Beiße noch auf dem Weg nach Hause in das frische Brot. Schmecke und merke, wie ich belebt werde. Ein wohliges Gefühl.
Genauso gut tut es, gemeinsam mit anderen an einem Tisch zu sitzen. Miteinander reden, zuhören, erzählen vom Job und den Kindern und der Fahrradreparatur und dem Lieblingsverein. Gemeinsam essen, das heißt auch: das Leben miteinander teilen. Auch so kann mein Leben gelingen.
Heute an Gründonnerstag, ist das Bild vom letzten gemeinsamen Essen, vom letzten Abendmahl ein Gegenbild gegen den Tod. Gründonnerstag sagt: Leben beginnt immer wieder neu, wenn Menschen miteinander essen.
Deshalb will ich heute beim Frühstück und den anderen Mahlzeiten darauf achten. Statt schnell alles in mich reinzuschieben, will ich versuchen, das Leben zu spüren, das im Essen steckt. Und es mit anderen Menschen teilen. In der Kantine, in einer Arbeitspause oder wo auch immer.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41918Bürokratie. Davon kann sicher jeder ein Lied singen. Von irren Vorschriften, von x-fachen Kopien von Anträgen, von zehn unterschiedlichen Stellen, die alle mit einem Problem befasst sind. Die Rede vom »Bürokratiemonster« ist da eindeutig: Bürokratie frisst Gesellschaft und Menschen, Initiativen und kreative Prozesse auf. Und spuckt einen Dschungel an Vorschriften aus, in dem sich alle verheddern.
Aber es gibt auch eine andere Seite. Der Sozialwissenschaftler Max Weber hat schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Lanze für die Bürokratie gebrochen. Seine Idee: Bürokratie schützt vor der Willkür. Sie ist für eine vernünftige, nachvollziehbare Form der Herrschaft wichtig. Kurz: Bürokratie dient der Demokratie. Denn die Demokratie braucht eine Verwaltung, die gut und gerecht arbeitet. Demokratie heißt: Es gelten Regeln – und nicht das Recht des Stärkeren. Und dafür braucht Demokratie Bürokratie. Bürokratie sorgt dafür, dass es Behindertenparkplätze gibt, dass im Glas im Supermarkt auch wirklich drin ist, was drauf steht, dass Weiterbildungen für alle angeboten werden, dass ich zum Arzt gehen darf, wenn ich krank bin, dass Müll regelmäßig abgeholt wird. All das geht, weil es Regeln gibt. Für sie sorgt die Bürokratie.
Zu viel oder zu wenig Bürokratie? Ich halte mich an den biblischen Satz: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ (Mt 7,16). Also: Wie gut funktioniert die Bürokratie? Geht es in Regeln und Anordnungen wirklich um die Menschen, die Tiere, die Umwelt? Schützt Bürokratie die Schwächeren? Und nicht zuletzt: Wie geht Verwaltung mit den Menschen um, die ein Anliegen haben? Wenn der Mensch und seine Welt im Mittelpunkt steht, dann erfüllt die Bürokratie ihren Zweck. Das Leben planbarer und gerechter zu machen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41917Die Fastenzeit biegt in dieser Woche auf die Zielgerade ein. Zeit, Bilanz zu ziehen. Die einen wollten auf Alkohol verzichten, andere das Auto stehen lassen. Ich wollte meinen Süßigkeitenkonsum reduzieren. Hat leider nicht so gut geklappt.
Was mich in dieser Zeit aber auch begleitet hat: Die Aktion »Klimafasten«. Fasten hat hier weniger mit Verzicht zu tun. Stärker geht es um einen neuen Blick auf das alltägliche Leben. Es geht sozusagen um ein Gewohnheiten-Fasten. Die Fastenzeit ist hier eine Zeit, in der ich meinen Lebensstil überprüfen kann. Das macht die Aktion Klimafasten mit ganz konkreten Fragen und Impulsen.
So steht die letzte Fastenwoche unter der Frage: Was kann ich heute tun, damit morgen ein besserer Tag ist? Klar, heute sieht vieles so aus, als wäre die Lage morgen schlechter. Aber ich kann auch bei guten Veränderungen anknüpfen, die es gibt. Ein Beispiel: Der Rhein war vor fünfzig Jahren so verschmutzt, dass es in den Niederlanden unmöglich war, einwandfreies Trinkwasser aus Rheinwasser zu gewinnen. Heute ist der Rhein von der Quelle bis zur Mündung deutlich sauberer.
Konkret heißt das: Man kann an einem besseren Morgen arbeiten! Die Aktion Klimafasten greift einen Spruch auf, der Martin Luther zugeschrieben wird: »Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.« Heißt übersetzt: Es geht um den kleinen Anfang. Ein Samenkorn zum Beispiel. Ich weiß nicht, was draus wird. Aber ich hoffe mal, ein großer Apfelbaum. Ein kleiner Anfang, das wäre: Ganz bewusst zu Fuß zum Einkaufen gehen; eine Patenschaft für die Baumscheibe vor dem Haus übernehmen; kürzer duschen; die Heizung schon runterdrehen, auch wenn die Nächte noch kalt sind. Alles ein kleiner Anfang. Aber ein Fasten, das über die Fastenzeit hinauswirkt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=41916Es gibt so Tage, da verdichtet sich das Leben. Bei der Geburt eines Kindes. Am Grab eines Freundes. An einem runden Geburtstag. Solche Tage haben nicht mehr Stunden als andere. Aber in die passt so viel mehr rein. Gespräche, die lange dauern. Geschichten erzählen von damals. Gemeinsame Tränen voller Glück und Schmerz. Lachen, das noch Jahre später in den Ohren klingt.
So dicht sind auch die Tage in dieser Woche. Die trägt deshalb auch ganz besondere Namen: Karwoche, Heilige Woche, Große Woche. Sie umfasst die Tage zwischen Palmsonntag und dem Ostermorgen. Tage, in die ein ganzes Leben gepresst ist: Da gibt es ausgelassenes Feiern und todtraurige Stunden, da werden Liebe und Einsamkeit zum Thema, da schwören sich Menschen ewige Freundschaft und verraten sich. Eine Woche wie das Leben.
Es ist die letzte Woche von Jesus. Am Anfang kommt er nach Jerusalem. Wird wie ein Popstar empfangen. Alle wollen, bildlich gesprochen, ein Selfie mit ihm. Und Jesus macht seinem Namen als Fresser und Säufer alle Ehre. So beschimpfen ihn seine Gegner. Doch es trifft einen zentralen Kern seiner Botschaft. Viele Geschichten über Jesus haben damit zu tun, dass er mit anderen Menschen isst und trinkt. Gemeinsam Essen, das stiftet und vertieft Freundschaften.
Aber nur wenige Tage später steht er allein da. Kaum noch jemand will mit ihm zu tun haben. Und als er stirbt, da zerstreuen sich die Fans in alle Himmelsrichtungen.
Diese Bandbreite an Leben, die fasziniert mich in diesen Tagen. Sie macht mir deutlich, was alles zum Leben gehört. Höhen und Tiefen und die vielen Zwischentöne. Diese Woche hat auch mit mir und meinem Leben zu tun. Kann mir Hoffnung geben, dass alles, was passiert, wichtig ist. Vielleicht sogar einen Sinn hat.
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