Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

     

SWR2

    

SWR3

  

SWR4

      

Autor*in

 

Archiv

24MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Noch eine Woche bis Ostern. Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt die Karwoche. Unglaublich, was in dieser Woche, den biblischen Berichten zufolge, alles passiert ist. Bis ins Detail ist alles dokumentiert, was Jesus erlebt hat. Wenn ich die Berichte darüber in den Evangelien lese, wirkt es auf mich fast so, als wollten sie herausfinden, an welcher Stelle die Dinge doch noch einen anderen Verlauf hätten nehmen können, einen, der nicht zu seinem schrecklichen Tod am Kreuz geführt hätte.

Und so erlebe ich es auch, wenn ich als Pfarrerin zu einem Todesfall gerufen werde. Die Angehörigen erzählen mir oft in allen Einzelheiten von den letzten Lebenswochen oder -tagen. Wie bei einer Spurensuche: Haben wir etwas übersehen? Worauf hätten wir mehr achten sollen? Wäre der Tod noch einmal zu vermeiden gewesen? Oder hätte er wenigstens leichter sein können? 

Jesus hat wohl sehr klar und deutlich vorausgesehen, was in Jerusalem auf ihn zukommen würde. Immer wieder hat er in Gesprächen Andeutungen gemacht, dass er damit rechnet, sterben zu müssen. Die Jünger, die ihn auf Schritt und Tritt begleitet haben, konnten oder wollten das aber nicht verstehen. Schon gar nicht an diesem fantastischen Palmsonntag. Richtig high waren sie am Abend dieses Tages. Die Ankunft ihrer kleinen Gruppe in der Stadt, Jesus mittendrin auf einem Esel, war zu einem regelrechten Triumphzug geworden. Die Menschen auf den Straßen hatten ihm zugejubelt, einzelne sogar Palmzweige abgerissen und ihm aus Kleidern einen roten Teppich vor die Füße. Er war ihr Held; wie einen König hatten sie ihn begrüßt, mit lauten Hoch-Rufen.

Ich bin froh, dass es diesen Palmsonntag, für Jesus am Ende seines Lebens gegeben hat. Ein Tag wie unter einer warmen, wohligen Segensdusche, voller begeisterter Zuwendung. Ich hoffe, dass die Jubelrufe und die Sympathie, die ihm da entgegengeschlagen sind, ihn noch eine Weile getragen haben, so wie der Esel, das sanftmütige Tier. Ich wünsche mir, dass all das ihm Kraft gegeben hat in den Situationen, in denen er schon bald ganz allein gewesen ist. Ich wünsche uns allen solche Tage, die bis ans Ende tragen. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39567
weiterlesen...
17MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Im Alten Testament gibt es eine ganz eigenwillige, auf den ersten Blick fast abstoßende Geschichte. Dort führt Gott seinen Propheten Ezechiel im Traum in eine weite Ebene. Über diese Ebene verstreut liegen lauter Totengebeine. Gott fragt den Ezechiel, ob er denn glaube, dass diese ausgetrockneten Gebeine wieder lebendig werden könnten? Und Ezechiel antwortet weise: „Herr und Gott, das weißt nur Du.“

Die toten Gebeine sind ein Bild für das zerschlagene Volk Israel, das zur Zeit des Propheten in der Verbannung lebt. Gott scheint seinen Propheten zu fragen: „Glaubst du daran, dass das Schicksal sich wenden kann, erhoffst du noch etwas?“ Ezechiel jedoch spielt den Ball ein zweites Mal zurück. „Es liegt an dir, ich lege es in deine Hand.“ Und Gott will, dass diese zerschlagenen Gebeine wieder lebendig werden. Ein Ruck geht durch die Szene, aus toten Gebeinen werden nach und nach Menschen aus Fleisch und Blut.

Der Künstler und Pfarrer Sieger Köder hat diese Vision in einem Buntglasfenster der Heilig-Geist-Kirche in Ellwangen dargestellt.

Dem Fenster hat er den Titel „Belebung“ gegeben. Diese Belebung hat er so gestaltet: Am unteren Rand sieht man den Propheten sitzen, wie er auf eine Schriftrolle schreibt: „Ich bringe Leben in Euch“.Wie durch einen gewaltigen Sog werden rechts und links von ihm Gebeine nach oben gezogen und wieder zu Skeletten zusammengefügt. Gefesselte Hände werden frei, wie im Zeitraffer werden nach und nach Gesichter und Körper sichtbar. Menschen aus Fleisch und Blut sitzen miteinander um einen Tisch, essen und trinken zusammen, sind sozusagen zurück im Leben.

Diese Geschichte beim Propheten Ezechiel mit den Totengebeinen wird oft auch als Vision für die Auferstehung gedeutet.

Für mich ist es auch ein Bild für die kleinen und großen Auferstehungen mitten im Tag, mitten im Jahr. Wenn ich mich ausgemergelt und wie tot fühle, wenn Trauer mich zerschlägt, ich erschöpft bin von Pflichten und Nöten oder entseelt durch allzu viel Alltagstrott – dann denke ich an dieses Fensterbild in der Kirche. Es ermutigt mich, dass auch wieder andere Zeiten kommen. Es lässt mich hoffen, dass auch das, was in mir wie versteinert ist, wieder lebendig wird. Und es entlastet mich, dass ich das alles nicht selbst schaffen muss. Dass da noch ein Anderer am Werk ist, der mir hilft, der mich belebt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39518
weiterlesen...
10MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Volltreffer! Auf den Gottesdienst heute freue ich mich total. Heute wird nämlich Till getauft. Er geht in die dritte Klasse, und er hat ganz allein beschlossen, dass er das gerne möchte, als im Religionsunterricht von der Taufe die Rede war.

Ein Lied für seinen Taufgottesdienst hat Till sich auch selbst ausgesucht: Ein Volltreffer Gottes bist du, singt man da im Refrain. Und jede Strophe beginnt mit der Zeile: Wunderbar bist du gemacht...

Und es stimmt: Till ist ein Volltreffer. Ja, er kann nicht so gut sehen und auch sonst fällt ihm manches schwer. In der Schule braucht er teilweise Unterstützung. Manchmal ist Till davon selbst genervt. Aber er hat eine der wichtigsten Botschaften des christlichen Glaubens gründlich verstanden. Nämlich, dass jeder einzelne Mensch wunderbar geschaffen ist – auch und gerade weil niemand von uns perfekt ist.

Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst,
das Menschenkind, dass du dich seiner annimmst?
So fragt jemand in einem Psalmgebet aus der Bibel (Psalm 8, 5-6). Und staunt:
Kaum geringer als Gott – so hast du den Menschen geschaffen.
Du schmückst ihn mit einer Krone – so schenkst du ihm Herrlichkeit und Würde.

Till hat das verstanden. Er glaubt daran, dass er wunderbar gemacht ist – ein Volltreffer eben: Obwohl er nicht perfekt ist, und obwohl er weiß, dass er auch nicht immer alles gut macht, es manchmal Streit und Ärger gibt.

Deshalb fand Till es auch ganz stimmig, als ich mit ihm darüber gesprochen habe, warum Wasser in der Taufe eine so wichtige Rolle spielt:
Weil sich das Leben manchmal leider auch so anfühlt, als ob einem das Wasser bis zum Hals steht – oder man sogar untergeht. Und weil das Wasser ein Zeichen dafür ist, dass wir immer wieder Mist bauen – und es guttut, den abzuwaschen zu können. Aber das alles ändert eben nichts an der einzigartigen Würde, mit der Gott jeden Menschen krönt.

Ich wünsche Till, dass er diese Botschaft mitnimmt aus seinem Taufgottesdienst – und sie im Herzen behält. Und vielleicht sogar weitergibt an andere: Auch du, ja genau du, bist ein Volltreffer. Und wunderbar gemacht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39499
weiterlesen...
03MRZ2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Mein Kollege Andreas hat mal wieder gezeigt, dass es auch anders geht.
Mitten in Heidelberg, auf einem belebten Platz, steht ein laut fluchender Mann. Vermutlich ist er obdachlos, auf jeden Fall sieht er mitgenommen und wenig gepflegt aus. Doch nicht nur deshalb wollen viele Leute lieber schnell an ihm vorbei. Mit den übelsten Schimpfwörtern beleidigt er alle um sich herum. Am besten schnell weitergehen – ich jedenfalls habe mich nicht getraut, diesen Mann anzusprechen. Doch Andreas, mein Kollege, macht etwas völlig Anderes. Er geht auf den Mann zu und fragt: „Warum schreist Du so? Was ärgert Dich?“ Die Antwort überrascht mich, denn der Mann sagt: „Niemand achtet auf mich und gibt mir ein bisschen Kleingeld. Mir fehlen doch nur 50 Cent.“ Andreas kramt in seinen Taschen. Er findet noch ein 50-Cent-Stück, gibt es dem Mann, wünscht einen schönen Tag und geht weiter. Laute Schimpfwörter waren dann erstmal nicht mehr auf dem Platz zu hören.

Ich bin sprachlos. So einfach kann es gehen. Andreas hat nicht spekuliert, was mit dem Mann los ist. Statt einen großen Bogen um ihn zu machen, geht er auf ihn zu. Fragt nach. Und das verändert alles.

Jesus hat das ähnlich gemacht. Auch er hat nicht einfach irgendwas vermutet, sondern hat die Menschen, die zu ihm gekommen sind, gefragt: „Was willst Du, dass ich Dir tue?“ Und er ist auch denen nicht aus dem Weg gegangen, die – so heißt es in der Sprache der Bibel – von einem unreinen Geist oder von Dämonen besessen sind. Diese unreinen Geister zerren die Menschen hin und her. Vielleicht sind es Ängste, die einen von innen auffressen. Oder Mächte, die übermächtig geworden sind. Doch egal, wie man sie nennt – all diese Gedanken, die Besitz ergreifen und viel zu groß werden, – sie schaden den Menschen. Und sie isolieren sie. Wer besessen ist, wird anderen fremd und wird ausgrenzt. Jesus lässt sich davon nicht aufhalten. Er will, dass alle Menschen gut und ohne Angst miteinander leben können.

Wahrnehmen und ansprechen, nachfragen statt vermuten – das will ich mir merken. Nicht nur für extreme Situationen, wie bei meinem Kollegen Andreas. Sondern auch, wenn jemand mürrisch und sogar beleidigend ist. Wenn jemand etwas tut, was ich nicht verstehe. Anstatt mich angegriffen zu fühlen, schaffe ich es vielleicht nachzufragen. Und wer weiß – vielleicht endet das Gespräch dann nicht in lautem Geschrei, sondern mit einem freundlichen Wort.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39447
weiterlesen...
25FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Der herbeigeführte Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny durch das Regime hat mich traurig und wütend gemacht. Ein Gefühl der Ohnmacht schleicht sich ein. Gleichzeitig bewunderte ich, dass Nawalny sich alles andere als ohnmächtig zu fühlen schien. Aber wie war es ihm möglich, vor Gericht stets so selbstbewusst und ungebrochen aufzutreten?

Eine Antwort darauf habe ich kürzlich in einem seiner Schlussworte gefunden, die er vor Gericht gehalten hat. Dort erklärte der ehemalige Atheist: „Jetzt bin ich ein gläubiger Mensch und das hilft mir sehr bei dem, was ich tue. Denn es gibt so ein Buch, das mehr oder weniger genau beschreibt, was man in welcher Situation zu tun hat. Es ist natürlich nicht immer einfach, sich daran zu halten, aber ich versuche es im Großen und Ganzen.“

Mit dem Buch meinte er die Bibel. Und sein Leitsatz war das Wort von Jesus: Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.

Diese Aussicht, dass einmal Gerechtigkeit herrschen wird, hat Nawalny aufrecht gehalten. Diese Erwartung prägte seine Haltung.

Was erwarten wir angesichts zahlreicher Krisen? Was prägt unsere Haltung? Es ist schlimm und kann nur noch schlimmer werden? Oder hungern wir einer Gerechtigkeit entgegen, die nicht aufzuhalten sein wird?

Meine Erwartung entscheidet darüber, ob ich aktiv durchs Leben gehe oder ob ich die Flügel hängen lasse.

Wieso hat das etwas mit dem Glauben zu tun? Im apostolischen Glaubensbekenntnis, das heute in den Gottesdiensten gesprochen wird, heißt es, von Jesus Christus, der im Himmel ist: Von dort wird er kommen.

So wie Jesus vor 2000 Jahren erwartet wurde und auf diese Erde gekommen ist, so will er nach seiner Ankündigung wiederkommen und für Frieden und Gerechtigkeit sorgen. Das ist die Erwartung der Christen. Das ist der Grund, nicht zu resignieren, sondern sich weiter zu engagieren.

Und so kann ich Nawalny in seiner Unbeugsamkeit rückblickend besser verstehen. Sicher war sein Weg ein unglaublich schwerer Weg. Und für ihn blieb sein Hunger nach Gerechtigkeit ungestillt. Doch die Ungerechtigkeit und ihre Handlanger werden nicht den Sieg behalten. Es gilt, je länger die Nacht desto näher der Morgen.

Wie sagte doch der ehemalige Bundespräsident Heinemann: Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr kommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39414
weiterlesen...
18FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Möge der neue Tag dir den Blick für die Schönheit der Welt schärfen!“

Mit diesem Segenswort aus Irland möchte ich Sie in diesen Sonntag begleiten.

„Bene dicere“ ist das lateinische Wort für segnen. Übersetzt heißt es „Gutes sagen“. Und genau das ist der Sinn eines Segens: Mir etwas Gutes zuzusagen.

Ich glaube, dass diese schöne Tradition im Lauf der Zeit ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Wenn ich in die Schule gegangen bin, hat mir meine Mutter öfter mal mit dem Finger ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet. Das ist auch eine Form des Segens. Gott begleite und behüte dich, bedeutet es.

Hier bei uns im Schwarzwald ist es noch üblich, „ade“ zu sagen, wenn jemand sich verabschiedet. Auch das ist eigentlich ein Segen. Sei „mit Gott“ unterwegs. Deutlich wird das in der längeren Form „adieu“. Übrigens: Die gleiche Bedeutung hat auch das vielerorts bekannte „tschüß“.

Mich stimmen Segensworte positiv. Sie sprechen mir Mut zu. Das macht es mir leichter, in den Tag hinein zu gehen. Wie oft stelle ich fest, dass ich einfach nur so in den Tag hineinstolpere. „Möge der neue Tag dir den Blick für die Schönheit der Welt schärfen!“ öffnet meine Augen für das, was ich sonst gar nicht sehe: Die Welt ist schön. Es ist ein neuer Tag. Ich darf neu anfangen.

Aus Irland kenne ich viele Segensworte, eine sehr alte Tradition dort. Die irischen Segensworte sind sehr bildhaft. Sie lassen sich gut verstehen. In Irland hat der Glaube an Gott sich intensiv entwickelt. Viele Klöster sind entstanden. Vor 1.500 Jahren verlassen irische Mönche die Insel, um ihren Glauben weiterzugeben. So sind sie nach Mitteleuropa gekommen. Mit ihrer bildhaften Sprache haben sie sich schnell die Sympathien erobert. Sie haben mit ihrer naturverbundenen, weltoffenen Art deutliche Spuren hinterlassen. Sie haben viele Klöster gegründet und so die Germanen und die Alemannen zum Glauben gebracht.

Die irischen Segensworte haben in den letzten Jahren viele Freunde gefunden. Am Beginn einer Reise werde ich immer wieder einmal gebeten, einen Reisesegen zu sprechen. Da nutze ich gerne ein irisches Segenswort.

Und so wünsche ich Ihnen auch heute für diesen Tag: „Möge der neue Tag dir den Blick für die Schönheit der Welt schärfen!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39334
weiterlesen...
11FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Besonders im Winter brauche ich immer wieder mal einen Energieschub, sonst bleibe ich im trüben Grau um mich herum buchstäblich stecken. Ich gehe dann tanken.

Meine Tankstelle ist eine Schatzkiste. Bis zum Rand gefüllt mit Bildern und Fotoalben. Da drin sind ganz alte, dicke Alben, noch mit eingeklebten Bildern, aus neuer Zeit dann eher selbst gestaltete Fotobücher. Voller Leben und voller Energie. Schätze.

Das Buch aus Andalusien von vor 5 Jahren strahlt mich an: Atlantikküste. Tagsüber heiß, abends angenehm kühl.  Ein Bild vom Meer, Sonnenuntergang. Und da ist er wieder, der Tag vor fünf Jahren und wie er sich angefühlt hat. Seine Energie. Wie ein warmer Wind, der aus dem Fotobuch heraus mein Gesicht erreicht und noch mehr mein Herz.  

Vor mir das Meer. Wellen kommen und gehen. Gleichmäßig und doch jede unterschiedlich. Kraft, die mir entgegenkommt und wieder geht und wieder kommt. Unter mir Sand. Ungezählt. Noch warm von der Sonne des Tages. Über mir ein funkelnder Himmel. Unendlich. Und doch von einem gezählt.  Und da mittendrin: Ich. Gewollt. Erschaffen. 

Dieses Gefühl ist wieder ganz präsent: Dass ich ein Teil dieses Ganzen bin. Auf einmal ist da so viel Vertrauen. Gottvertrauen, Selbstvertrauen, Lebensvertrauen.

Die Tür geht auf. Meine Partnerin, dick eingehüllt in eine Wollstrickjacke - angemessen für Anfang Februar - schaut mich an. „Du strahlst so.“, sagt sie. „Ja, ich war grade tanken.“ Wir verstehen uns. Und dann beginnen wir zu planen, das nächste Wochenende. Den Geburtstag. Und den Sommerurlaub. Damit es Nachschub gibt für die Schatztruhe. Und weil es so gut ist in der Gegenwart zu sein und  doch zu zehren von dem, was war und zu träumen von dem, was kommt.

Meine Zeiten in Gottes Händen. Bei ihm wird eins, was in mir manchmal auseinanderfällt. Das, was war, das, was ist und das, was kommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39314
weiterlesen...
04FEB2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Am 4. Februar 1906, heute vor 118 Jahren, kam in Breslau der große evangelische Theologe und Bekenner Dietrich Bonhoeffer zur Welt. Er bot den Nazis die Stirn, ging in den Widerstand und wurde nach zwei Jahren Haft auf Hitlers Befehl am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg ermordet.

 

In seinen geheimen Aufzeichnungen aus dem Gefängnis macht er vor allem die Dummheit dafür verantwortlich, dass die Nationalsozialisten damals an die Macht gekommen waren. Dummheit ist „gefährlicher als Bosheit“, schreibt er. Gegen die Bosheit könne man protestieren oder sie notfalls mit Gewalt verhindern, gegen Dummheit aber sei wenig auszurichten. „Dummheit ist kein angeborener Defekt“, meint Bonhoeffer. „sie wird erworben. Menschen werden dumm gemacht, beziehungsweise lassen sich dumm machen!“ [1])

 

Mir scheint: Dummheit und Verdummung führen auch heute wieder dazu, dass man dumpf-dreisten Parolen auf den Leim geht und Rechtsradikale immer mehr Zulauf bekommen. Das Drehbuch ist stets dasselbe: „Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen“, sagt Bonhoeffer. Viele fallen heute auf Falschmeldungen herein und verbreiten sie ungeprüft übers Netz. Mit Hass-Botschaften aufgefüttert, werden Feindbilder und absurde Umsturzfantasien in Umlauf gebracht. 

 

Ist gegen Dummheit wirklich kein Kraut gewachsen? Klar – Dumme igeln sich ein, Belehrungen prallen ab. Aber Fragen kann man stellen, die verlangen nach Begründungen. Das verunsichert und macht manche doch nachdenklich. Vor allem jungen Menschen wird man viel erzählen müssen, wie das damals war, als die Dummen den Nazis zur Macht verholfen hatten. Und was daraus wurde: Ein Völkermord, in dem man über sechs Millionen Juden ums Leben brachte, und ein Weltkrieg mit 70 Millionen Kriegstoten.

 

Was vor Verdummung schützt, ist gründliche Information, etwa durch sorgfältige Zeitungslektüre. Darüber hinaus setzt Bonhoeffer auf die Kraft des Glaubens: „Die Furcht Gottes ist der Weisheit Anfang“, so zitiert er aus Psalm 111.

 

Ich meine auch: Wer an Gott glaubt, entwickelt keine blöden Allmachtsfantasien, der orientiert sich vielmehr an der Aussage Jesu: „Der Größte unter euch soll euer Diener sein“ (Matthäus-Evangelium 23,11).

 

 

 

 

[1]) Dietrich Bonhoeffer: „Widerstand und Ergebung“, hrsg. von E. Bethge, Gütersloh 1969, S. 14 f.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39290
weiterlesen...
28JAN2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Manchmal würde man vor Glück am liebsten die Uhr anhalten. In ganz besonderen Momenten. Aber irgendwann heißt es dann doch: Weitergehen. Hinein ins Leben. Auch in die Niederungen des Alltags.

Petrus hatte damit zu kämpfen. So erzählt es eine Geschichte aus der Bibel, die heute in vielen evangelischen Gottesdiensten vorgelesen wird. Petrus war ein enger Freund von Jesus. Einer von seinen Jüngern. Er hatte keine Lust, vielleicht auch keine Energie, um weiterzugehen. Gerade erst hatte er mit Jesus und einigen anderen ein Highlight erlebt. Sie hatten einen Berg erklommen und hatten dort ein beeindruckendes Gotteserlebnis. Jesus war wie in Licht getaucht. Er wurde „verklärt“, so heißt es in der Geschichte. Was auch immer man sich darunter vorstellen mag: Es muss ein toller Moment gewesen sein. Petrus war jedenfalls hin und weg. Am liebsten wäre er hier geblieben. Hier, in diesem Moment, an diesem Ort. Er hat sich nicht gut vorstellen können, jetzt wieder aufzubrechen und weiterzugehen. Wer weiß, was alles kommt, was die Zukunft bringt.

Petrus hätte den Moment gerne festgehalten. Aber dann hört er Jesus sagen: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“

Ich weiß nicht, wie lange Petrus und die anderen damals gebraucht haben, um sich aufzuraffen und tatsächlich weiterzugehen. Jedenfalls durften sie sich nicht auf dem Berg der Verklärung eintopfen. Jesus hat sie mit sich zurückgenommen in die Niederungen des Alltags. Er hat sie ins normale Leben reingeschickt. Wohlgemerkt: er hat sie nicht allein losgeschickt. Nein, er ist mit ihnen mitgegangen, mit ihnen aufgebrochen.

Petrus hat später neue Herausforderungen erlebt. Manches war schwer für ihn, und rätselhaft, anderes schön. Sein Alltag ist nicht „verklärt“ worden durch das, was er auf dem Berg erlebt hatte. Aber er ist weitergegangen, zusammen mit den anderen. Und ich denke, in manchem Moment wird er sie wieder gehört und gebraucht haben: diese Stimme, die ihm Mut gemacht und gesagt hat: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“

Bibelstelle: Matthäus 17, 1-9

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39231
weiterlesen...
21JAN2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ein ganzes Buch aus der Bibel lesen. Wäre das nicht was für einen Sonntag im Winter? Auf der Couch oder im Sessel, mit einer Kerze auf dem Tisch daneben? Ich empfehle für heute das Buch Jona im Alten Testament. Zum einen, weil es kurz ist; in einer Viertelstunde ist man durch. Aber auch deshalb, weil das kleine Buch viele Fragen aufwirft, zum Weiterdenken anregt und am Ende eine schöne Perspektive parat hat. Sie heißt in etwa: Egal, was auf dieser Welt geschieht, Gott wird ganz zum Schluss immer barmherzig sein. Was in der Zwischenzeit alles passierten kann und wie leicht man sich vertun kann, wenn man scheinbar ganz genau weiß, wie Gott denkt und handelt, davon erzählt das Buch um den Propheten Jona in seinen vier Kapiteln.

Es ist ja nicht so, dass einem die Barmherzigkeit Gottes nachgeworfen wird. Wer anderen Böses antut, wer auf Kosten des Nachbarn lebt oder sonst Schuld auf sich lädt, muss damit rechnen, dass Gott ihn irgendwann zur Rechenschaft zieht. In der Stadt Ninive scheint es eine enorme Zahl schlechter Menschen zu geben. Deshalb schickt Gott Jona dorthin, um ihnen mit Strafe zu drohen. Jona will aber nicht so Recht. Entweder hat er früher schon mal schlechte Erfahrungen damit gemacht, anderen im Namen Gottes zu drohen. Oder er hat von Anfang an die Ahnung, dass es Gott schließlich doch leid tun wird, und er dann für die Katz Mühe und Risiken auf sich genommen hat.

Jona kann sich aber auch nicht so mir nichts dir nichts aus der Affäre ziehen. Gott kann offenbar hartnäckig sein, wenn er etwas von einem will. Weglaufen nützt nichts. Als Jona dann tatsächlich nach Ninive geht und das Strafgericht Gottes androht, läuft es anders, als gedacht. Am Ende – und das ist die eine Pointe des Buchs – am Ende will Gott barmherzig sein. Weil das am meisten seinem Wesen entspricht. Hier jedenfalls, weil es den sündigen Menschen in Ninive leidtut und sie Besserung geloben. Allerdings steht auch am Ende ein verdatterter Prophet. Hin und hergerissen von den widersprüchlichen Botschaften, die er von Gott vernimmt, weiß er jedenfalls nicht mehr, woran er bei dem Gott ist, an der er bisher geglaubt hat. Und das, genau das, ist gut so. Weil es dem Respekt entspricht, dem man vor Gott stets haben sollte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39183
weiterlesen...