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Das Versprechen, grenzenloses Wachstum werde unseren Wohlstand sichern, hat sich als falsch erwiesen, ja als zerstörerisch für unsere Umwelt und unser Klima. Eigentlich müssten wir jetzt vieles runterfahren: Energieverbrauch, Fernreisen, Fleischkonsum und vieles mehr. Doch reine Verzichtsappelle sind unattraktiv. Viele Menschen wollen ihnen nicht folgen. Besser wäre ein hoffnungsvolles, ermutigendes Zukunftsbild, das deutlich macht: Auch anders ist ein gutes, vielleicht sogar ein besseres Leben möglich. Denn oft ist anders nicht weniger, sondern besser. Wenn ich zum Beispiel Handys oder andere Geräte erst ersetze, wenn sie kaputt sind, und nicht schon, wenn es ein Folgemodell mit geringem Mehrwert gibt, schränkt das meine Lebensqualität kaum ein. Es befreit mich vielmehr vom Konsum- und Modedruck. Fahrradfahren ist nicht der mühsame Ersatz für Menschen ohne Auto, sondern die bessere Lösung für Gesundheit und Umwelt. Bahnreisende können sich genussvoll an der Landschaft freuen – anstatt sie in großer Höhe mit dem Flugzeug zu überspringen. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Freilich genügen diese kleinen, wenn auch wichtigen Schritte nicht. Wir brauchen einen weiten Horizont, vor dem solche Einzelschritte ebenso sinnvoll und hoffnungsstiftend erscheinen wie die nötigen politischen Entscheidungen.
Hier sehe ich eine Aufgabe für die Kirchen. Sie haben die frohe Botschaft Jesu. Und aus ihr können sie ein hoffnungsvolles Zukunftsbild gewinnen. Zwei Botschaften des Evangeliums gehören gewiss dazu:
Die eine lautet: „Fürchtet euch nicht“: Die notwendigen Veränderungen bringen Risiken und Wagnisse mit sich. Und es wird Rückschläge geben. Das kann verunsichern und ängstigen. Da ist es wichtig, aus begründetem Gottvertrauen Furchtlosigkeit und Hoffnung zu stiften.
Die zweite Botschaft lautet: „Steh auf“: Das sagt Jesus zu Gelähmten, ja selbst zu Toten. Jesus Christus ist selbst aufgestanden, auferstanden, nach seiner größten Krise, seinem Tod. Und nach Krisen wieder aufzustehen, das ist unerlässlich für alle, die etwas ändern wollen.
Ich wünsche mir so ein hoffnungsvolles Zukunftsbild. Damit wir den Wechsel zu einem besseren Leben wagen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38459„Jetzt es ist endlich soweit.“ Und: „Oh mein Gott es ist schon so weit“"
Zwei Blickwinkel auf den gleichen Sachverhalt. Wobei Sachverhalt stimmt nicht ganz, denn es spielen auch Gefühle dabei eine große Rolle: Unser ältester Sohn zieht aus. Ja, ich weiß, das haben schon Millionen von Eltern erlebt und auch wir werden es überleben. Und doch ist es ein großer Schritt – für beide Seiten.
Für ihn ein Schritt in die Eigenverantwortung: Wohnung suchen, Verträge abschließen usw. – unglaublich – für ihn – was es an Verträgen abzuschließen gibt. Für uns ein Schritt des Loslassens und Vertrauens: Wird er alleine zurechtkommen, Freunde finden, sich in der anderen Stadt wohlfühlen?
Wir sehen das zukünftig meist leere Zimmer vor unseren Augen – er die Freiheit der ersten kleinen eigenen Wohnung.
Wir fragen uns, was wir jetzt alles weniger einkaufen müssen und wie das zu Hause sein wird, wenn er nicht mehr mit am Esstisch sitzen wird. Er fragt sich, warum es nicht schon immer jeden Tag Spaghetti mit Soße geben konnte.
Wir helfen beim Umzug, planen und denken mit, sammeln Geschirr und Besteck zusammen und er denkt sich – wird schon werden. Es ist nicht leicht für uns und für ihn vielleicht auch nicht, Aber doch fühlt es sich wohl für beide Seiten ganz anders an – vermute ich.
Für ihn ist es ein Anfang. Für uns ein Abschied. Hier ein nach dem Auszug leerer Raum, dort mit dem Einzug ein Raum, der mit neuem, anderem Leben gefüllt ist.
Das ist wohl der Lauf der Dinge. Zumindest raunen wir uns das als Eltern zu, wenn wir mit unserem ältesten Sohn zusammensitzen, wenn wir einen Augenblick inne halten und schauen, was gerade passiert. Und das sind die Augenblicke, da haben wir eine gemeinsame Sicht auf die Dinge, wenn wir z.B. nach dem Umzugstag nochmal zusammensitzen und sich die Sichtweisen überlappen und verschränken.
Dann können wir alle ein wenig spüren und nachvollziehen von dem, was den anderen gerade bewegt. Das tut gut. Denn uns wird bewusst, was uns verbindet, auch wenn wir unterschiedliche Blickwinkel haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38435Einmal im Jahr ist es bei mir zuhause dran: Das Ausmisten. Unnötiger Krempel, den ich angesammelt habe, wird in Säcke und Kisten gepackt und auf den Wertstoffhof gefahren. Das ist für mich immer unangenehm gewesen. Lange Autoschlangen vor der Einfahrt der Deponie und oft mürrische Mitarbeiter, die scheinbar ungern ihren Job machen. Horror für mich!
An meinem neuen Wohnort war es nach dem Umzug mal wieder soweit. Ausmisten und dann der lästige Weg auf den Wertstoffhof. Mit all den negativen Erfahrungen im Kopf. Aber alles war ganz anders. Es gab keine Autoschlange. Die Mitarbeiter haben mir sehr freundlich erklärt, in welchen Container was reinkommt. Einer kam zu meinem Auto, half mir beim Ausladen und sortierte sogar meinen Müll, den er gleich entsorgte.
Etwas abseits baute ein anderer Mitarbeiter für seinen Kollegen und sich einen Sitzplatz auf. Einen Tisch, zwei Gartenstühle mit Polstern und einen großen Sonnenschirm darüber. Eine gemütliche Sitzecke mitten auf dem Wertstoffhof!
Die Bediensteten dort müssen nicht nur funktionieren. Sie dürfen auch Mensch sein. Das habe ich auch gemerkt an der Weise, wie sie mit mir umgegangen sind. Sie waren hilfsbereit, gut drauf – einfach menschlich eben.
Ich bin dankbar für diese Erfahrung, die mir auch für meinen Job etwas gezeigt hat: Du darfst vor allem erstmal Mensch sein, dich einbringen mit allem, was zu dir gehört. Dann kann jeder Job Spaß machen. Auch auf dem Wertstoffhof.
Ich bin kurz danach noch einmal dorthin zu den Männern gefahren. „Ich habe Glas und Flüssigkeiten zu entsorgen“, habe ich gesagt. Der Mitarbeiter hat mich fragend angeschaut. Und dann hat er hat gelacht und mir freundlich auf die Schulter geklopft, als ich den Kofferraum aufgemacht habe. Zufrieden lächelnd sind er und sein Mitarbeiter dann mit dem Kasten Bier weggegangen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38400Der Sonntag ist ein Segenstag. Eine Frau in meiner früheren Gemeinde hat einmal gesagt: „Den Segen im Gottesdienst, den brauche ich einfach. Sonntag ist mein Segenstag. Sonst ist die ganze Woche nix.“
„Der Herr segne Dich und behüte Dich…“ - so lautet der Segen, mit dem evangelische Gottesdienste enden. Dieser Segen ist nicht einfach noch ein Wort zu den vielen, die schon gesprochen wurden, sondern eine Tat. Er befähigt dazu, mit Mitgefühl und Solidarität miteinander umzugehen – segensreich halt. Einer, der daran erinnert hat, ist Dietrich Bonhoeffer. Er hat geschrieben: „Segnen heißt, die Hand auf etwas legen und sagen: du gehörst trotz allem zu Gott.“
Trotz allem –das war für Bonhoeffer wichtig, denn er musste in seinem Leben so vielem trotzen, was sein Leben angegriffen hat. Er ist verfolgt und von den Nazis hingerichtet worden. Und doch hat er zeitlebens daran festgehalten: nicht aufgeben, sondern segnen und sich für das Gute einsetzen. Für ihn stand fest: „Wir haben Gottes Segen empfangen im Glück und im Leiden.“
Diese Worte von Bonhoeffer kommen mir oft in den Sinn. Mein Leben ist so viel leichter als seines, ich kenne nicht die Gefahr und das Leid, dem er ausgesetzt war. Aber die Fragen: „Hat das alles einen Sinn? - wie kann das Gute sich durchsetzen?“ - diese Fragen kenne ich auch.
Auch mit einem Segen ist nicht alles leicht. Da sind schwere Zeiten nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist es, wie Bonhoeffer sagt: „Trotz allem.“ Trotz aller Schwierigkeit kann etwas Gutes entstehen. Segen heißt für mich: Gott ist auch in schweren Zeiten bei Dir.
So hat es die Frau in meiner Gemeinde erfahren. Sie hat gesagt: „Wenn etwas nicht leicht ist, wenn ich allein bin, dann nehme ich diesen Segen aus dem Gottesdienst mit heim: Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. -Das lässt meine ganze Woche in einem anderen Licht erscheinen.“
Ich glaube, sie hat da etwas Wunderbares für sich entdeckt. Die Leuchtkraft des Segens. Sonntag ist Segenstag: Gottes leuchtenden Segen, den wünsche ich Ihnen heute Morgen!
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38281Sport im Fernsehen hat mich noch nie besonders interessiert. Ein bisschen reingeschnuppert hab ich dann aber doch in die Sendungen von der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest, die vor einer Woche zu Ende gegangen ist. Und da ist mir bei einigen Wettkämpfen wieder aufgefallen, wie manche Sportlerinnen und Sportler im Stadion ganz offen ihren Glauben demonstrieren. Da kniet sich ein Läufer vor dem Start hin und betet still. Ein anderer bekreuzigt sich, nachdem er in den Startblock gestiegen ist. Und eine Sportlerin, die gerade das Finale gewonnen und den Weltmeistertitel geholt hat, blickt beseelt hoch zum Himmel. Bedankt sich bei Gott für ihren Erfolg. Szenen, wie man sie auch im Fußball immer wieder sieht. Wenn Spieler offenbar einen kurzen Moment lang Kontakt zu Gott suchen. Sich vor dem Match, oder nach einem Torerfolg auf dem Rasen bekreuzigen. Mich berührt so etwas. Ich nehme an, dass kein Leistungssportler und keine -sportlerin wirklich glaubt, dass sie ihren Sieg allein Gott verdanken. Erfolg erzielt man nicht durch beten. Egal, ob im Spitzensport oder einer Examensprüfung. Erfolg ist das Ergebnis von knochenhartem Training oder intensivem Lernen. Und doch hat so ein kurzes Gebet für mich auch einen tieferen Sinn. Weil ich mir damit eingestehe, dass ich eben nicht alles im Leben selbst in der Hand habe. Dass ich zwar mein Möglichstes geben, schuften und mich quälen kann. Dass aber dennoch genug bleibt, das sich nur in Grenzen beeinflussen lässt. Meine Gesundheit etwa, oder mein Leistungsvermögen. Der Rest ist Geschenk. Für gläubige Menschen ein Geschenk von Gott.
Der frühere Nationalspieler und Fußballweltmeister Wolfgang Overath, eine echte Fußballlegende, ist gläubiger Christ. Er hat das vor kurzem so beschrieben: „Am Spieltag habe ich immer vor dem Spiel gebetet, klar. Aber auf dem Platz musste ich schon selbst ran. Weder das Tor noch den Fehlpass konnte ich ‚dem da oben‘ in die Schuhe schieben. Ich hoffe, der liebe Gott ist mein Freund. Er hat mir sicher auch beim Fußball geholfen, genau wie er mir sonst im Leben immer geholfen hat.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38354Lara soll getauft werden und deshalb habe ich mich mit ihren Eltern zum Taufgespräch verabredet. Ich frage sie: „Was wünschen Sie Ihrer Tochter für ihr Leben?“. Laras Mutter überlegt kurz und sagt dann: „Freiheit! Lara soll sich von niemandem einschüchtern lassen, sondern mutig und frei ihren eigenen Weg durchs Leben gehen.“
Dazu passt der Taufspruch perfekt, den die Familie für Lara ausgewählt hat. „Gott spricht: Ich bin mit dir!“ Diese Worte stammen nämlich aus einer richtigen Freiheitsgeschichte: Die geht so:
Die Israeliten waren in Ägypten gefangen und mussten dort als Sklaven arbeiten. Gott sieht das und hilft ihnen: Dazu gibt er Mose den Auftrag, den Israeliten zur Flucht zu verhelfen. Im Grunde: Eine unmögliche Aufgabe.
Aber Gott sagt zu Mose „Du schaffst das! Weil ich – Gott - mit dir bin. Das ist mein Versprechen an dich: Ich bin da. Für die Israeliten, für dich, auf deinem Weg.“
Und tatsächlich: Mit Gottes Hilfe gelingt den Israeliten die abenteuerliche Flucht aus Ägypten in die Freiheit.
„Gott spricht: Ich bin mit dir!“ Diese Worte wird nun auch die kleine Lara an ihrer Taufe hören. Das Versprechen, das Gott Mose gegeben hat, das gilt jetzt auch ihr. „Ich bin da für dich, auf deinem Weg.“
Ich finde: Dieses Versprechen bedeutet Freiheit. Es macht innerlich frei.
Es heißt nämlich: Selbst, wenn alle anderen meinen Lebensweg für falsch halten oder sich sogar von mir abwenden – ich bin trotzdem nie alleine. Weil Gott bei mir ist und mich begleitet. Deshalb kann ich zu mir selbst stehen und mutig meinen Weg durchs Leben gehen.
Genau das wünsche ich auch der kleinen Lara. Dazu soll sie sich immer wieder an ihren Taufspruch erinnern, an die Geschichte von Mose und an Gottes Versprechen: „Ich bin mit dir – egal was kommt.“
Damit kann auch Lara ihren eigenen Weg durchs Leben gehen: mutig und vor allem frei.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38309Heute vor 43 Jahren bezwang Reinhold Messner als erster Bergsteiger der Welt den Mount Everest im Alleingang und ohne Sauerstoffgerät. Ich war noch ein Jugendlicher, als die Nachricht um die Welt lief. 1980 war das. Bis heute gilt Messners Solotour als bergsteigerische Glanzleistung.
Jahrzehnte nach Messners Pioniertat hat sich vieles geändert. Mittlerweile stehen Bergsteigerinnen und Bergsteiger in der kurzen Gipfelsaison am Mount Everest im Stau. Manche werden von ihren Helfern quasi bis zur Spitze getragen. Ist nur eine Frage des Geldes.
Vielleicht faszinieren die Gipfelbesteigungen von Reinhold Messner gerade deshalb. Weil sie davon erzählen, dass da einer allein am Berg kämpft. Auf alle Hilfsmittel verzichtet. In dünner, fast schon tödlicher Luft. Sich allein dem Wetter, dem Eis, den Gefahren stellt. Tagelang ist da keiner, der hilft, keiner, der unterstützt. Und trotzdem gelingt der Gipfelsturm.
Allein und ohne Sauerstoffgerät. Das ist für mich ein starkes Bild. So ähnlich fühle ich mich manchmal auch. Da stehe ich am Morgen auf. Und dann habe ich auch das Gefühl, dass ich vor einem riesigen Berg stehe. Und da rauf muss. Allein. Ohne Sauerstoffgerät. Oft genug komme ich den Tag über nur ein paar Meter hoch. Scheitere an den einfachsten Aufgaben. An guten Tagen aber, da geht’s bis zum Gipfel rauf.
Was mich dabei auch begleitet: Nur auf Messners Erfolge zu schauen, verzerrt das Bild. Vergessen wird oft genug, dass er seinen Bruder und mehrere Expeditionsmitglieder im Himalaya verlor. Dass er eine Vielzahl von Besteigungen abbrechen musste.
Allein und ohne Sauerstoff heißt auch: Es ist unsicher, ob ich‘s schaffe. Aber ich kann es versuchen. Und manchmal stehe ich dann auch auf einem Gipfel. Wie Reinhold Messner vor 43 Jahren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38212„Woher kommt es eigentlich, dass man Kinder tauft? Und wozu ist es gut?“ hat mich jemand gefragt. „Die Taufe geht auf Jesus selbst zurück“, habe ich geantwortet. „Er hat seine Nachfolger und Nachfolgerinnen damit beauftragt. Und er hat ihnen dabei ein Versprechen mit auf den Weg gegeben: `Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt´.“
Für mich ist dieses Versprechen wie ein Rettungsring. Ich brauch ja nur an den Zustand dieser Welt zu denken und könnte schier verzweifeln! Aber so oft meine Ohnmacht die Überhand gewinnt, so oft hält mich dieser Rettungsring über Wasser: Gott ist da, was auch geschieht.
Es ist so wichtig, immer wieder daran erinnert zu werden. Und deshalb erinnern wir Christinnen und Christen auch an jeder Taufe daran: „Und ihr werdet sehen: Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ An der Taufe wiederholen wir Gottes Versprechen. Und wir bitten ihn um seinen Segen für den Täufling.
Natürlich liebt Gott jedes Kind, ob getauft oder nicht. Aber in der Taufe machen wir deutlich, dass wir sein Leben Gott anvertrauen. Wenn wir ein kleines Kind taufen, legen wir es Gott sozusagen ans Herz.
Dann wird es mit Wasser benetzt: Dreimal wird sein Kopf mit Wasser begossen und auf den Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft. Im frühen Christentum wurde der Täufling sogar dreimal im Wasser untergetaucht. Damit wurden Sterben und Untergang symbolisiert. Und dazu kommt dann die Erinnerung. Die Erinnerung an Geschichten, die einen guten Ausgang kennen. Auch aus dem Tod.
Die Taufe verheißt einen guten Ausgang; sie ist ein Versprechen an den Täufling, dass Gott ihn nie loslassen wird, was auch geschieht. Es ist, wie wenn Gott ihm zuflüstert: Du bist mein Kind. Meine Liebe für dich wird stärker sein als alles, was dich bedroht. Meine Hand umfasst dich, auch deine Zukunft. Meine Treue wird kräftiger sein als deine Fehler. Alle Tage, bis ans Ende der Welt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38252Heute vor 91 Jahren ist in Köln die erste Autobahn eröffnet worden. Seitdem ist das Autovirus in Deutschland auf dem Vormarsch. Über 60 Millionen Kraftfahrzeuge fahren und stehen jetzt gerade in Deutschland herum. Gut für die Wirtschaft und die Automobilindustrie, schlecht für die Umwelt, die Gesundheit und das Bild in den Innenstädten. Wir versinken in Blech. Und sind selbst schuld daran.
Trotz hoher Kosten, Verkehrschaos und Parkplatzmangel: Ich fahre seit Jahrzehnten permanent mit dem Auto durch die Gegend. Streng genommen hätte ich öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Hab‘s aber nicht getan.
Weil ich eben vom Virus Auto infiziert bin. Der Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher hat gesagt, dass dieses Autovirus sich im Gehirn festsetzt und die Wahrnehmung der Menschen völlig verändert. Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen. Wir ziehen uns in abgedichtete Häuser mit Lärmschutzfenstern zurück und bauen in die Autos Feinstaubfilter ein. Denn der Krach, der Staub und die Abgase sollen gefälligst draußen bleiben. Dabei produzieren wir das alles selbst.
Das Autovirus hat die Kontrolle über das Stammhirn übernommen. Vom zweibeinigen Menschen bin ich zum vierrädrigen Autofahrer mutiert. Als Autofahrer habe ich Macht und Kraft, bin schnell und unabhängig. Der Preis dafür ist hoch. Und damit meine ich nicht nur meinen Geldbeutel. Aber da ich ja vom Virus infiziert bin, ist mir das egal. Ich sehe die Welt nur noch durch die Brille des Autofahrers.
Heilung gibt es wohl nur durch gezielte Entwöhnung. Der Autofahrer in mir muss wieder Mensch werden. Wenigstens ab und zu. Damit er merkt, dass es auch anders geht. Heute am Sonntag, ginge das doch ganz gut. Sogar auf dem Land, wo zugegebenermaßen viele Menschen echt vom Auto abhängig sind. Vor 50 Jahren während der ersten Ölkrise habe ich das miterlebt. Vier autofreie Sonntage. Das hatte sogar einen gewissen Spaßfaktor. Seit vielen Jahren gibt es die Aktion „Autofasten“ der Kirchen. Da geht es darum, bewusst auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, um mal die Perspektive zu wechseln.
Deutschland - Autoland. Das klingt ziemlich verräterisch. Was wir wirklich brauchen ist ein Land für Menschen. Der Sonntag ist ein guter Tag um das einmal zu üben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38201Am Sonntag darf alles ein bisschen später sein. Gott sei Dank! Das macht ja diesen Tag so wertvoll. Er unterbricht den Alltag und schenkt uns Zeit. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das jetzt wirklich genießen können. Pfarrerinnen und Pfarrer allerdings müssen auch und gerade heute Morgen unbedingt pünktlich sein, damit sie nicht ausgerechnet zu einem Gottesdienst zu spät kommen.
Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Als Wanderprediger bin ich nämlich schon lange quer durch die Pfalz unterwegs. Da gilt es, früh zu starten und allerhand Risiken einzuplanen. Das ist ganz normal - und normalerweise auch nicht schlimm. Nur wenn ich die falsche Adresse bekommen habe, dann kann es eng werden. Wie an einem wunderschönen Sommersonntagmorgen. Ich bin wirklich frühzeitig gestartet, die Straßen sind frei, der Tank voll, die Stimmung zuversichtlich. Eigentlich bin ich zu früh. An meinem Zielort ist alles still und friedlich. Rund um die Kirche kein Mensch zu sehen.
Ich schaue in den Schaukasten neben der Kirche auf den ausgehängten Gottesdienstplan und sehe, dass es an diesem Sonntag auch gar keinen Gottesdienst geben soll an diesem Ort. Natürlich habe ich mein Handy zuhause auf dem Küchentisch liegen lassen. Ich klingle am ersten Haus neben der Kirche. Jemand macht ein Fenster auf. Zum Glück weiß die freundliche Nachbarin Bescheid und lässt mich wissen, dass der Gottesdienst heute im Nachbarort ist, 15 Km entfernt, inklusive Baustelle auf der Strecke und Umleitung.
Ich komme zu spät! Das ist jetzt ganz klar. Obwohl ich schneller fahre, als die Polizei erlaubt, bin ich 15 Minuten später am Ziel. Die Glocken läuten. Ich stürze in die Kirche, nicke der Organistin an der Orgel zu, sie spielt wunderbar und wir singen: „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte“. Meine Güte, wie peinlich ist das denn? Erst später am Ende des Gottesdienstes erkläre ich kurz den Grund für meine Verspätung. Bis dahin ist mein Puls auch wieder fast normal und ich schaue in kein böses Gesicht. Auf der Heimfahrt kommt mir in den Sinn, dass die viel gelobte Sonntagsruhe wirklich eine göttliche Erfindung sein muss.
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