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Spricht Gott heute zu mir? So wie die Bibel erzählt, dass er mit Menschen gesprochen hat? Und wenn ja, wie kann ich ihn hören? Auch dann, wenn ich mich gerade über etwas ärgere, wenn ich Sorgen habe – oder einfach nicht gestört und beansprucht werden will. Wenn ich Gott vertröste: Morgen vielleicht. Oder nächste Woche. Aber bitte nicht heute …
Da höre ich diese Bitte: „Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht!“
Musik: Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht!
Dieses Stück ist aus einer Psalmvertonung von Felix Mendelssohn. Der 95. Psalm ist ein einziger Aufruf an das biblische Volk Israel, Gott zu loben. Da unterbricht der Psalmbeter den Lobpreis. Er erinnert an einen Vorfall aus der Geschichte des Volkes. Das war in der Wüste, in Massa und Meriba. Dort haben die Israeliten mit ihrem Schicksal gehadert. Wütend haben sie Mose beschimpft: Hier ist kein Wasser! Nur Wüste! Wären wir doch in Ägypten geblieben!
Gott sorgt zwar dafür, dass sie Wasser bekommen. Aber schließlich kommt es so weit, dass Gott wütend sagt: Dann sollen sie doch in der Wüste bleiben!
So weit soll es nicht wieder kommen. Deshalb fleht der Beter: Lernt aus den Fehlern der Vergangenheit! Macht es diesmal anders! Heute, wenn ihr Gottes Stimme hört, verstockt nicht wieder euer Herz!
Musik: Wie zu Meriba geschah, wie zu Massa in der Wüste, da mich eure Väter versuchten, dass ich schwur in meinem Zorn: Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen! Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht!
„Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht!“ Das will auch ich mir gesagt sein lassen: Wenn Gott heute zu mir spricht, dann will ich hören. Mich unterbrechen lassen. Will auch die Wüstenzeiten ertragen. Mein Herz soll nicht hart und starr werden darüber!
Gewiss: Lobpreis kommt auch mir nicht immer leicht über die Lippen. Zu vieles verschließt mir Herz und Ohren. Aber auch dann soll ich hören. Gerade dann.
Gottes Stimme ist oft nur leise. Viel leiser als die Geräuschkulisse unserer Welt. Doch sie geht direkt ins Herz. Hier und heute.
Musik: So verstockt euer Herz nicht! Heute verstocket euer Herz nicht!
Mein Herz darf weich werden. Und sich öffnen. Weit öffnen – und Gottes Stimme einlassen. Sie wird meinem Herzen wohl tun. Wird es stark machen, nicht starr. Fest, nicht hart. Weit, wo es noch eng ist. Und dann werde ich Gott antworten. Mit meinem Tun – und mit meinem Lobpreis.
Musik: Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstockt euer Herz nicht!
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Musikquelle
„Heute, so ihr seine Stimme höret“ (Felix Mendelssohn, Psalm 95)
Komponist
T: Bibel, Psalm 95
M: Felix Mendelssohn
Musik: M0089685; 01-012; Nr. 5: Heute, so ihr seine Stimme höret. Soli und Chor aus: Kommt, laßt uns anbeten. Psalm 95 für Soli, Chor und Orchester, op. 46; Mendelssohn Bartholdy, Felix; Bibel, AT; Sans, Daniel; Chamber Choir of Europe; Württembergische Philharmonie Reutlingen; Matt, Nicol
Musik 2
Das sind die Klänge der „finnischen Messe“ vom finnischen Komponisten Pekka Simojoki. Sie ist wunderschön anzuhören und einfach zu singen, weil sie so eingängige Melodien hat. Die finnische Messe wurde von Gerold Vorländer ins Deutsche übersetzt. Pekka Simojoki ist heute 65 Jahre alt und sagt über sein Werk: „Ich möchte eine Sprache finden, die alle Menschen auch heute noch verstehen können.“
Musik 2
Ein Lied aus der Sammlung gefällt mir besonders gut, das heutige Lied zum Sonntag. Es heißt „Rühr mich an mit deinem Wort“. Ich habe es ausgewählt, weil mich eine Liedzeile besonders anspricht. Dort heißt es: „Ich bin ein welkes Blatt im Herbstwind, wenn du mir nicht hilfst.“ Mit dem, der helfen soll, ist Gott gemeint. Und das welke Blatt im Herbstwind, das bin manchmal ich.
Musik 1
Von meinem Bürofenster aus sehe ich einen großen Ahornbaum. Er begleitet mich das ganze Jahr über, und seine Blätter sind ein schönes Bild für das Leben. Die Geburt im Frühjahr, wenn das junge Grün aus den Knospen drängt. Dann das ungestüme Wachsen. Und im Sommer steht der Baum in seiner ganzen Größe und Pracht da und spendet Schatten. Allerlei Leben tummelt sich im und um den Baum: Tauben, Eichhörnchen, Raupen und Bienen. Blätter nehmen und geben in ihrem Leben – genau wie wir Menschen. Im Spätsommer gehen dann die ersten Samen als Hubschrauber nieder, und die Blätter bekommen langsam rote Spitzen, bevor mein Ahornbaum seine Blätter fallen lässt.
Musik 1
Die „welken Blätter im Herbstwind“ sind eine Metapher für die Phasen im Leben, in denen es mir nicht gut geht, wo ich ausgepowert oder deprimiert bin: Zum Beispiel wenn mich die neusten Zahlen zur Erderwärmung erreichen. Oder wenn ich erkennen muss, dass meine Kinder so langsam aus dem Kuschelalter raus sind. Wenn wieder mal alle Rechnungen auf einmal kommen und mir den Schlaf rauben. Oder wenn ich wieder einen Menschen begraben muss, den ich gut gekannt habe.
Das heutige Lied zum Sonntag möchte aufbauen und ist eine Bitte an Gott, mich in solchen Phasen nicht allein zu lassen. „Rühr mich an mit Deinem Wort“ heißt es da. Viele Menschen schöpfen Kraft aus Gottes Wort, aus der Bibel. Weil in ihr Geschichten erzählt werden, wo Gott geholfen hat, und weil aus ihr die Hoffnung spricht, dass er es auch weiterhin tut.
„Rühr mich an mit Deinem Geist“ heißt es in der zweiten Strophe. Ja, manchmal muss Gottes Geist meine Leidenschaft neu entfachen, mir eine Idee oder Begeisterung schenken, um die Welt mit neuen Augen sehen zu können.
Und manchmal werde ich auch ganz anders angerührt und aufgebaut: von einem Kinderlachen, von einem kollegialen Augenzwinkern, von einem leidenschaftlichen Kuss oder von einem Ahornbaum, der mir in den kommenden Wochen ein wahres Farbspektakel bieten wird.
Die größte Hoffnung, die mich antreibt hat auch mit „meinem Ahornbaum“ zu tun. Denn so wie er die Blätter bald abwerfen wird, so gewiss bin ich mir, dass im kommenden Frühjahr neues Leben aus ihm erwächst.
Musik 1
Quellen:
- Track Nr. 7: „Rühr mich an mit deinem Wort“ von der CD:
Asaph Musik Verlag (Postfach 2889, 58478 Lüdenscheid): Geh den Weg nicht allein – Lieder aus der Stille (STEMRA 6910005 (Free 3021), EAN 4025969100055
- Track Nr. 8: „Ja, ich glaube“ von der gleichen CD
Wie soll man das Unsagbare sagen? Wie das Geheimnis Gottes in Worte fassen? Das heutige Lied zum Sonntag „Brunnquell aller Güter“ versucht es mit einer bunten Fülle von Bildern. Bilder, die wie ein Kaskade ineinander- und zusammen fließen. So wie das Wasser eines römischen Brunnens, das fällt und strömt und schließlich ein Gesamtkunstwerk von schwebender Schönheit bildet...
Brunnquell aller Güter,
Herrscher der Gemüter,
lebendiger Wind,
Stiller aller Schmerzen,
dessen Glanz und Kerzen
mein Gemüt entzündt.
Lehre meine schwache Seiten
deine Kraft und Lob ausbreiten.
Überliefert ist das Lied in einer Liedersammlung eines Zeitgenossen von Johann Sebastian Bach, der selbst Kantor war: Georg Christian Schemelli. Bach hat zu dessen Gesangbuch viele Kompositionen beigesteuert.
Den Text hat der Barockdichter Johann Franck gedichtet. Aber erst in der Verbindung von Worten und Musik ist, wie ich finde, ein kleines musikalische Kunstwerk entstanden. Es ist geprägt von einer ganz persönlichen Frömmigkeit, in der der ewige Gott die Erde und alles Irdische berührt. Und mir ganz nahe kommt.
Wahrer Menschenschöpfer,
unsers Tones Töpfer,
Gott von Ewigkeit,
Zunder keuscher Liebe,
gib, dass ich mich übe
auch im Kreuz und Leid,
alles dir anheim zu stellen,
und mich tröst in allen Fällen.
Das Lied umspielt das Geheimnis Gottes auf poetische Weise. Es ruft eine Vielzahl von Namen auf. Sie lassen erahnen, auf welch wunderbare Weisen Gott wirkt. Als „lebendiger Wind“ zum Beispiel, als „Stiller aller Schmerzen“, als „Flamme der Verliebten“. Oder als Atem von allem, was lebt.
So bleibt Gott kein leerer und abstrakter Gedanke. Sondern wird singend erfahrbar im Dahinfliessen des Lebens: eben als „Brunnquell aller Güter“.
Und ganz konkret und vertrauensvoll ist dann auch die Bitte am Ende des Liedes:
„Führe meine Sachen, meinen Schlaf und Wachen, meinen Tritt und Gang!“ Mit dieser Bitte um Trittsicherheit für den neuen Tag wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag!
Führe meine Sachen,
meinen Schlaf und Wachen,
meinen Tritt und Gang,
Glieder und Gesichte,
dass mein arm Gedichte,
dass mein schlecht Gesang,
Wandel, Werk und Stand für allen,
dir, o Vater, mag gefallen.
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CD: Ein Choralbuch für Johann Sebastian Bach, Brunnquell aller Güter, BWV 445, Gächinger Kantorei Stuttgart & Bach Collegium Stuttgart, Helmut Rilling, Hänssler Verlag 2004
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38395Die französische Philosophin Simone Weil hat einmal gesagt: „Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten.“[1]
Nicht suchen, sondern erwarten – für mich ist das wie eine Überschrift über unser heutiges Lied zum Sonntag. Es heißt „Und ein neuer Morgen“, und Gregor Linßen hat es 1989 geschrieben. Darin geht es auch um kostbare Dinge: um Hoffnung, um Güte und um Freude. Kostbare Güter, die ich weder von jetzt auf gleich herstellen noch erzwingen oder verdienen kann. Hoffnung, Güte und Freude kann ich nur ersehnen und erwarten. Und dann mich daran erfreuen, wenn sie wie ein keimender Same wachsen, Knospen treiben und aufblühen:
Herr, du bist die Hoffnung, wo Leben verdorrt,
auf steinigem Grund wachse in mir,
sei keimender Same, sei sicherer Ort,
treib Knospen und blühe in mir.
Und ein neuer Morgen bricht auf dieser Erde an
in einem neuen Tag, blühe in mir.
Halte mich geborgen fest in deiner starken Hand und segne mich,
segne mich und deine Erde.“
Musik 1
„Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten.“, hat Simone Weil gesagt. Und das „erwarten“ nennt sie im franz. Original „attention“, also aufmerksam und achtsam werden für das, was ist. Nicht alles mit eigenen Plänen oder Vorstellungen zuschütten, sondern bereit sein, sich beschenken zu lassen.
Mir fällt das nicht immer leicht – schon gar nicht am Morgen. Manchmal hält mich das nächtliche Gedankenkarussell noch eine ganze Weile gefangen. Oder ich bin direkt nach dem Aufwachen bei dem, was heute alles erledigt werden muss. Mache mir Sorgen, wie ich das schaffen soll. Das kann ganz schön erdrückend sein.
In solchen Momenten hilft es mir, mich in die Zuversicht anderer einzuklinken. Zum Beispiel in die von Gregor Linßen, der zu seinen Liedern selbst einmal geschrieben hat: „Ich möchte mit ihnen (urspr.: „diesen Liedern“) die Freude, die ich an Gott habe und das Vertrauen, das ich in ihn setze, freilassen.“[2]
In der zweiten Strophe heißt es:
Herr, du bist die Güte, wo Liebe zerbricht,
in kalter Zeit, atme in mir,
sei zündender Funke, sei wärmendes Licht,
sei Flamme und brenne in mir.
Musik 2 (unterlegt)
Der Komponist und Textdichter Gregor Linßen traut Gott zu, dass er da ist, wenn Liebe zerbrochen ist. Dass Gott das Innerste erwärmen kann, wenn Kälte oder Einsamkeit sich breit gemacht haben.
Und inspiriert von Gregor Linßen bete ich heute Morgen weiter:
„Gott, du bist die Güte gegen die Härte dieser Zeit, gegen alle Herzlosigkeit und Gleichgültigkeit. Sei in Dunkelheit und Kälte in mir und lass Dein Licht in mir nicht ausgehen. Halte mich in deiner starken Hand geborgen. Segne mich und deine Erde.“
Ich merke: Während ich bete, wächst langsam in mir die Zuversicht. Heute Morgen die Zuversicht, dass Gott auch an diesem Tag da sein könnte. Und dass ich seine Nähe – wie den neuen Morgen – zwar nicht erzwingen, aber ersehnen und erwarten kann.
Herr, du bist die Freude, wo Lachen erstickt,
in dunkler Welt, lebe in mir,
sei froher Gedanke, sei tröstender Blick,
sei Stimme und singe in mir.
Und ein neuer Morgen bricht auf dieser Erde an
in einem neuen Tag, singe in mir.
Halte mich geborgen fest in deiner starken Hand und segne mich,
segne mich und deine Erde.“
Musik 3
[1] Vgl. dazu: https://www.feinschwarz.net/simone_weil_warten/
[2] Aus dem Vorwort zur Partitur der Messe „Lied vom Licht“ (Gregor Linßen)
Komponistin
T + M: Gregor Linßen
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38207
Wann ist man eigentlich ein Christ, eine Christin? Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten: Christ ist, wer getauft ist, sagen manche, oder: wer zur Kirche gehört. Christ ist, wer an Jesus glaubt, sagen andere. Oder: wer so lebt, wie Jesus es vorgelebt hat.
Wann ist man ein Christ, eine Christin? Ein Spiritual hat mich dazu gebracht, mich näher mit dieser Frage zu beschäftigen. Lord, I want to be a Christian in my heart heißt es in dem Lied. Es wurde schon Ende des 18. Jahrhunderts von afroamerikanischen Sklaven in Nordamerika gedichtet und gesungen: Herr, ich möchte Christ sein in meinem Herzen.
Strophe 1 First Revolution
Das Lied hat mich nachdenklich gemacht. Ein tiefer Glaube, ein tiefes Vertrauen spricht aus den Zeilen und der Musik. Und gleichzeitig ist es eben kein selbstbewusstes Bekenntnis, sondern eine Bitte an Gott, ein Gebet: Ich möchte ein Christ, eine Christin sein. Hilf mir dabei!
Ja, ich glaube, so ist es: Christin bin ich nicht ein für alle Mal. Ich kann nur immer wieder darum bitten, es mehr und mehr zu werden – innerlich, im Herzen. Mehr und mehr Gottvertrauen zu haben – und mich mehr und mehr am Vorbild Jesu zu orientieren: Vorbehaltlos auf Menschen zugehen, wie er es getan hat. Um Verzeihung bitten und anderen vergeben. Helfen, wo Hilfe gebraucht wird.
Oder ganz schlicht, wie es das Lied sagt: Liebevoller werden. Lord, I want to more loving in my heart:
Strophe 2 mit Vorspiel Die Singphoniker
Übrigens: Die Erkenntnis, das Christsein kein Zustand ist, sondern sich ein Leben lang entwickelt – die hatte auch schon Martin Luther. Fromm, so nennt es Luther, ist man nie. Sondern man wird es. So wie eben nichts im Leben einfach ist – sondern alles sich verändert.
Das Leben, so schreibt Luther,
ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden,
nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden,
nicht ein Sein, sondern ein Werden,
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. […]
Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.
Dass ich mich auf dem Weg weiterentwickeln kann zum Guten, das liegt nicht allein in meiner Hand. Dazu brauche ich Hilfe. Von anderen Menschen – und von Gott. Ihn kann ich darum bitten. Mit Worten – oder mit Liedern wie unserem Spiritual: Herr, lass mich wie Jesus sein in meinem Herzen:
Strophe 3 Die Singphoniker
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38342Egal, wann ich im Moment das Radio anmache: Gute Nachrichten sind Mangelware. Wir leben in Krisenzeiten. Und das lässt sich tagein, tagaus erfahren. Von solchen Krisenzeiten erzählt vor über zweitausend Jahren auch das biblische Buch Daniel. Und strahlt doch eine unglaubliche Zuversicht aus. Das Lied Gott hat mir längst einen Engel gesandt bringt diese Zuversicht zum Klingen.
Gott hat mir längst einen Engel gesandt, mich durch das Leben zu führen. Und dieser Engel hält meine Hand, wo ich auch bin, kann ich es spüren.
Gott hat mir einen Engel gesandt: Der Satz stammt von dem biblischen Propheten Daniel. Ein Prophet, der in finsteren Zeiten lebt. Im sechsten Jahrhundert vor Christus werden große Teile der jüdischen Bevölkerung von den Assyrern nach Babylon verschleppt. Eine traumatische Erfahrung für das Judentum. Eine Erfahrung, die sich auch im Danielbuch niedergeschlagen hat.
Daniel ist nämlich einer der Verschleppten. Doch er ist weise. Und kann Träume deuten. Deshalb steigt er schnell auf. Der Ausländer wird zu einem gefragten Ratgeber des Königs. Allerdings ist sein Glaube den Herrschenden ein Dorn im Auge. Weil er an diesem Glauben festhält, wird er in eine Art Löwenzwinger geworfen. Die Todesstrafe. Doch Daniel überlebt. Auf die Frage, wie er das gemacht hat, sagt er: „Mein Gott hat seinen Engel gesandt“ (Dan 6,23).
Mein Engel sagt mir: „Fürchte dich nicht! Du bist bei Gott aufgehoben.“
In dem Liedtext greift der evangelische Pfarrer Eugen Eckert also eine ganz alte Erzählung auf. Und wenn ich das heute singe, dann verbinde ich mich mit dieser alten Geschichte. Atme die Hoffnung, die auch Daniel getragen hat.
Nicht von ungefähr orientiert sich auch die Musik an alten Mustern. Der katholische Kirchenmusiker Thomas Gabriel greift Melodie und Rhythmus aus der klassischen Musik auf.
Attaingnant: Que je chatoulle ta fossette (Danceries)
Was sie da hören ist eine Pavane. Ein Tanz, der an den Höfen der Renaissance äußert beliebt war. Die Ähnlichkeiten zu Gott hat mir einen Engel gesandt sind nicht zu überhören.
Bei der Pavane stelle ich mir einen hell erleuchteten Festsaal und edel gekleidete Menschen vor. Und ich stelle mir vor, wie Daniel langsam und königlich aus dem Löwenzwinger spaziert. Einen Engel an der Hand.
Ich selbst spüre nur selten einen solchen Engel. Trotzdem ist die Geschichte von Daniel brandaktuell. Er verweigert sich dem König, hält an dem fest, was er glaubt. Auch heute gibt es viele, die mir sagen wollen, was zu tun ist. Die wollen, dass ich ihren Glauben teile: an drei Mal im Jahr Fernreise und angesagte Klamotten, an ein scheinbares Recht, Krieg zu führen. Die wollen, dass auch mir der Hunger weltweit egal ist, dass mir egal ist, wenn Migranten im Mittelmeer ertrinken. Der Song provoziert einen Gegenentwurf. Er schlägt vor, sich nicht an die Furcht zu halten. Sondern sich an dem festzuhalten, was in schweren Zeiten wichtig ist: Zuversicht und den Mut, für seine Überzeugung, seinen Glauben einzustehen.
Mein Engel bringt in Dunkelheit mir Licht. Mein Engel sagt mir: „Fürchte dich nicht! Du bist bei Gott aufgehoben.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38208Musik
Ein Lied ohne Worte. Aber nicht ohne Inhalt. Eine Seelenbotschaft. Worte reichen dafür nicht. Sie sind auch nicht nötig. Das Lied erreicht die Seele auch so.
Die ersten Zuhörer im Januar 1916 in Moskau haben das Lied offenbar sofort verstanden. Es wurde in vielen Bearbeitungen bekannt. Damals hat es die Sängerin Antonina Neschdanowa gesungen, Sergei Rachmaninow hatte es für sie geschrieben. Es trägt den Titel „Vocalise“. Dieser musikalische Fachausdruck bedeutet: Ein Stück, das ohne Worte gesungen wird. In der Aufnahme, die ich Ihnen heute mitgebracht habe, singt es Anna Moffo.
Musik
Ein Lied wie nicht von dieser Welt. Für mich könnte Gottes Stimme so klingen. Zärtlich, zart; wie von ganz ferne und doch ganz nah. Eine Stimme, die mir direkt in Herz und Seele singt. Die meinen Alltag unterbricht. Ich halte inne und frage mich: Was tue ich eigentlich gerade?
So hat Gott bei seinem Gang durchs Paradies Adam und Eva gefragt: Mensch, was tust du? Mensch, wo bist du? Mensch, hörst du?
Gott spricht vom ersten bis zum letzten Kapitel der Bibel. Darum nennt man die Bibel „Gottes Wort“. Ich höre sie mit den Stimmen vieler Menschen, auch meiner eigenen. Doch wie klingt Gottes Stimme? Ich weiß nicht, wie Sie sich Gottes Stimme vorstellen. Meiner Vorstellung kommt dieser Gesang sehr nahe:
Musik
Gottes Liebeslied an Gottes Welt. In einer Sprache, die alle Menschen verstehen. Einer Sprache ohne Worte. Der Herzenssprache. Es gibt auf der Welt jetzt nur diesen Gesang.
Doch es ist ein trauriges Liebeslied. So wie die Geschichte vom verlorenen Paradies etwas Trauriges hat. Mensch, wo bist du? Mensch, was machst du? Mensch, was hast du getan?
Musik
Ich höre eine Klage. Vielleicht auch eine Anklage: Was habt ihr gemacht aus dieser Welt? Dieser Welt, in der ich euch meinen Garten geschenkt hatte?
Doch Gottes Lied zeigt auch, wie Gott zu uns steht. Immer noch. Selbst die Trümmer von Gottes Welt haben davon ein Echo bewahrt. Und werden sich eines Tages wieder zusammenfügen. Vielleicht zu einem Traum von einem Garten. Oder von Gottes Stadt. Strahlend und schön. Dort wischt Gott alle Tränen ab. Und singt. Heute, wenn ihr Gottes Stimme hört: Verstockt eure Herzen nicht!
Musik
Vocalise (Sergei Rachmaninow)
Musik: Vocalise, op. 34 Nr. 14 bearbeitet für Sopran und Orchester, Anna Moffo
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38277Wenn ein Kinderchor voller Begeisterung singt, geht mir das Herz auf. Wenn ich die frischen Stimmen höre und die Kinder vor Freude klatschen und stampfen, das gefällt mir. Und wenn dabei auch noch eine Melodie erklingt, die so eingängig ist, dass man eigentlich gleich mitsingen kann, dann hat das so eine wunderbare Leichtigkeit.
Halleluja mit Händen und Füßen,
Halleluja lobet Gott.
Halleluja ihr Großen und Kleinen,
(Klangstäbe) Halleluja.
Bruno Hamm ist Kirchenmusiker in Sigmaringen. Er hat dieses kurze Kirchenlied für Kinder in den 90er Jahren geschrieben. Das war nicht hochkonzentriert am Komponistenflügel, sondern die Melodie und der Text sind ihm einfach so zugeflogen, er hat gar nichts groß dazu getan. Es war während einer Autofahrt, Bruno Hamm war gerade zu seinem Kinderchor unterwegs. Kurz bevor er aussteigt, notiert er Text und Akkorde noch rasch auf dem Beifahrersitz, und dann probiert der Chorleiter sein Lied gleich aus, und es funktioniert. Bruno Hamm sagt: „Wenn die Kinder ein Lied gleich mögen, dann weiß ich, es ist brauchbar.“
Das Lied heißt „Halleluja mit Händen und Füßen“ und ist auf jeden Fall brauchbar, denn unzählige Kinderchöre zwischen Stuttgart und Münstertal im Schwarzwald bis nach Leipzig lieben diese beschwingte Musik. Hören wir jetzt den Kinderchor St. Trudpert aus Münstertal.
Halleluja mit Händen und Füßen,
Halleluja lobet Gott.
Halleluja ihr Großen und Kleinen,
(klatschen, stampfen) Halleluja.
Wo wir auch gehen, du gehst mit uns..
In Deutschland gibt es knapp 500 katholische Kinderchöre, die in einem Verband organisiert sind, und das ist großartig. Und dazu kommen noch die unzähligen evangelischen Chöre.
Meine Freundin ist Domkapellmeisterin in Stuttgart. Bei aller hohen Kunst, und wenn sie noch so viele Konzerte zu geben hat, ihre Proben für die Mädchenkantorei fallen niemals aus. Sie sagt: „Die Kinder geben mir Leichtigkeit. Wie sie sich begeistern können, wie schnell sie lernen und wie gut gelaunt sie sind. Wenn meine Mädels begeistert singen, weiß ich wieder: Glaube kann ganz leicht sein.“
Glaube muss nicht kompliziert oder schwierig sein. Natürlich gehören Zweifel und die großen Fragen dazu. Und auch, dass ich mit meinem Verstand jedes Mal an Grenzen komme, wenn ich über Gott nachdenke. Da bleibt immer ein Rest, den ich von Gott nicht begreife. Und trotzdem: in dem Moment, in dem ich etwas Leichtes erlebe, bin ich nah an Gott dran. Wenn ich lächeln kann zu einer schönen Melodie, oder wenn mir Kinder eine Freude machen. Wenn mir ein froher Moment geschenkt wird, dann kann ich wieder glauben, dass ich begleitet werde, auch wenn ich womöglich gerade ein mühsames Stück Weg zu gehen habe.
Was die Stuttgarter Mädchenkantorei jetzt noch einmal singt, das kann ich heute Morgen auch beten: „Wo ich auch gehe, du gehst mit uns. Wer weiß, wohin der Weg uns führt. Gott, wir vertrauen, du bist mit uns. Heut den ganzen Tag, ein Leben lang.“
Wo wir auch gehen, du gehst mit uns.
Wer weiß wohin der Weg uns führt.
Gott, wir vertrauen du bist mit uns.
Heut den ganzen Tag, ein Leben lang.
Halleluja mit Händen und Füßen,
Halleluja lobet Gott.
Halleluja ihr Großen und Kleinen,
Halleluja.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=38144
Weckt diese Melodie Ihre Reiselust? In die weite Welt lockt dieses Lied. Allerdings sind in diesem Jahr nicht alle, die in seinem Gefolge rechtzeitig zum Ferienbeginn in ein Flugzeug steigen wollten, ungehindert weggekommen. Auf den Rollbahnen der Flughäfen in Hamburg und Düsseldorf hatten sich Mitte Juli Klimaaktivisten festgeklebt. Für ein paar Stunden ist kein einziges Flugzeug gestartet. Unter den verhinderten Urlaubern war der Unmut groß. Und eine Frau hat sich genervt beklagt: „Wieder mal trifft es die Falschen. Uns kleine Leute hier. Und die da oben bleiben unbehelligt!“ Aber so einfach ist es wohl nicht, liebe Touristin des 21. Jahrhunderts. Denn auch dein Flug in die weite Welt treibt ja den CO2 Ausstoß in die Höhe.
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt,
dem will er seine Wunder weisen in Berg und Wald und Strom und Feld.
In eine ganz andere Welt hinein hat der Dichter Joseph von Eichendorff vor 200 Jahren sein romantisches Lied geschrieben. Held seiner Erzählung ist der Sohn eines Müllers, dem die Wanderlust auch aus anderen Volksliedern wohl im Blut liegen müsste. Sein Vater aber hält ihn für einen Taugenichts und wirft ihn hinaus, damit er in der Ferne den Ernst des Lebens kennenlernt. Da macht er sich – wohin auch sonst? - und selbstverständlich zu Fuß nach Italien auf. In den Augen des Vaters mag er ein Taugenichts sein, aber er hat auch die Gabe, jeder Situation das Beste abzugewinnen, und so sieht er auch die fremd verordnete Wanderschaft als eine Gunst an und freut sich drauf.
Die Bächlein von den Bergen springen, die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was sollt ich nicht mit ihnen singen aus voller Kehl und frischer Brust?
Eine Kritik an den herrschenden Verhältnissen hält aber auch das romantische Lied bereit. Nichts übrig hat es für die Trägen, die sich nicht dafür interessieren, was draußen in der Welt vor sich geht und sich auf die eigenen vier Wände zurückziehen. Und wer will, darf da ruhig auch die Kritik an einer Haltung heraushören, die nur darauf wartet, dass „die da oben“ es richten sollen, aber mich in meinem bequem eingerichteten Leben bitte schön in Ruhe lassen.
Die Trägen, die zuhause liegen, erquicket nicht das Morgenrot.
Sie wissen nur von Kinderwiegen, von Sorgen, Last und Not ums Brot.
Wer sich aber nicht auch einmal hinauswagt aus der eigenen Komfortzone, wird nicht begreifen, was zu tun geboten ist. Denn eins ist klar: Nicht „die da oben“, Politikerinnen und Politiker, an die wir unsere Verantwortung so gerne abgeben, werden die Welt mit all ihren Wundern retten. Aber „der da oben“, Gott der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, hat versprochen, sie niemals aus seiner Obhut zu entlassen. Ihm vertraut der Taugenichts sich und seine Sache an, wenn er frohgemut ins Ungewisse zieht. Für mich hat sein Gottvertrauen etwas Ansteckendes. Es wiegt mich nicht in Trägheit, aber es schenkt mir bei allem, was zu tun bleibt, Zuversicht. Für meine eigenen Wege und für die weite Welt.
Den lieben Gott lass ich nun walten, der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
und Erd und Himmel will erhalten, hat auch mein Sach aufs best‘ bestellt.
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Musikangaben:
Text: Joseph von Eichendorff
Musik: Theodor Fröhlich
Wem Gott will rechte Gunst erweisen
Volkslied. Fassung für Violine und Akkordeon
Die schönsten deutschen Volkslieder- Mitsing-CD
Interpretinnen: Christine Busch, Anne-Maria Hölscher
Geh aus, mein Herz – Deutsche Volkslieder aus vier Jahrhunderten
Interpreten: Evangelische Jugendkantorei der Pfalz
Es gibt Gründe, mit Gott zu hadern. Wenn ich sehe, wie ein junger Mensch an seinem Leben leidet; so sehr, dass er an den Rand der Verzweiflung kommt. Dann frage ich mich, ob das so richtig ist, ob Gott unsere Welt nicht anders hätte konstruieren müssen. Wenn im Jemen, wo die Menschen sowieso schon arm dran sind, auch noch eine furchtbare Hungersnot ausbricht. Wenn eine Familie mehrere Schicksalsschläge fast gleichzeitig trifft. Es geht eigentlich immer darum, dass ich etwas als ungerecht empfinde. Dann frage ich mich, warum das so ist. Und ich versuche, meine Frage auf Gott abzuwälzen. Wenn einer dafür Verantwortung übernehmen muss, dann doch er. Der Allmächtige. Der Schöpfer.
Zu diesen Fragen und meinem Hadern scheint das Leid zum Sonntag heute aber so gar nicht zu passen.
Nun lobet Gott im hohen Thron,
ihr Menschen aller Nation;
hoch preiset ihn mit Freudenschalle,
ihr Völker auf der Erde alle.
Die Kinderstimmen der Münchner Dommusik haben das Lied zum Sonntag intoniert. Eher zart und zerbrechlich als triumphal, was man bei diesem Text erwarten würde: Nun lobet Gott im höchsten Thron. Das Lied scheint von dem nichts zu wissen, was ich eingangs thematisiert habe. Von Zweifeln und Fragen, vom Hadern mit Gott. Sein Text ist durch und durch positiv. Von Erbarmen, Gnade und Wahrheit ist da die Rede. Und ein bisschen klingt es so, als sei Gott über all unsere Fragen und Sorgen erhaben im hohen Thron, wie es wörtlich heißt. Und wir, seine Geschöpfe, nur dazu da, ihn zu loben. Das wäre schon fast alles bei diesem Lied, wenn da nicht seine Melodie wäre. Dieser verhaltene Ton, der zwar vom Freudenschall spricht, aber nicht danach klingt. Sondern vorsichtig bleibt, eher zurückhaltend, keine überschäumende Freude zeigt, keinen bedenkenlosen Jubel. Eine alte Kirchentonart, dorischgenannt, macht genau das möglich. Sie klingt eher nach Moll als nach Dur, bewegt sich immer an der Grenze zwischen Gewissheit und Verunsicherung. Was den dorischen Ton für mich so realistisch macht. Er ist so wie das Leben. Vermutlich ist das der Grund, dass die dorische Tonart nie ganz ausgestorben ist. Sie taucht in Volksliedern auf, z.B. in Scarborough Fair, aber auch in The Wall von Pink Floyd oder im Refrain von Stayin‘ Alive von den Bee Gees. Und eben in alten Kirchenliedern wie dem von heute aus dem 16. Jahrhundert.
Lob sei dem Vater und dem Sohn,
dem Heilgen Geist auf gleichem Thron,
im Wesen einem Gott und Herren,
den wir in drei Personen ehren
Nun lobet Gott im hohen Thron.
Im letzten Winter war ich ziemlich krank. Erst körperlich, dann auch psychisch. Jetzt geht es mir wieder so weit gut. Darüber bin ich verständlicherweise froh und an manchen Tagen sogar richtig glücklich. Und dankbar. Kann ich mir das erlauben, wenn ich sehe, dass es anderen nicht gut geht, dass Menschen auf unserer Welt Hunger leiden und bitterarm sind? Ja, ich habe Grund Gott zu loben, allein für die Tatsache, dass ich lebe. An anderen Tagen ist es anders, dann konfrontiere ich Gott mit dem, was ich nicht verstehe, was mir zu viel ist, was ich mit dem Bild, das ich von ihm habe, nicht zusammenbringe.
Gewissheit und Verunsicherung liegen oft nahe beieinander. Unser heutiges Lied zum Sonntag greift diese Spannung auf – mit seinem triumphalen Text und seiner Melodie, die eher verhalten ist. Und genauso vielschichtig darf mein Verhältnis zu Gott auch sein.
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