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SWR2 Wort zum Tag

Ich will ihr Trauern in Freude verwandeln - so lautet eine alte Verheißung der Bibel.
Aber - Wie kann Trauer sich in Freude verwandeln?
Wie wird es möglich, dass für einen trauernden Menschen das Leben andere Seiten zeigt als nur den Schmerz, das "Aus und Vorbei"?
Trauer kann sich verwandeln, wenn sie nicht erstarrt, sondern ins Fließen kommt.
Die Engländer haben dafür einen schönen Ausdruck: Having a good cry - ein gutes Weinen haben.
Richtig "gut" zu weinen, das erleichtert, das reinigt und bringt weiter. Und so ein gutes Weinen, das braucht Zeit, es braucht einen hilfreiche Umgebung, er braucht ehrliches Mit-Leiden und ab und auch eine Geste oder ein gutes Wort.
Und wenn der Schmerz heraus geweint ist, dann entsteht neben der Trauer auch wieder Raum für Freude, dann klärt sich de Blick für das Schöne im Leben.
Früher gab es in den Gottesdiensten der Christenheit eine feststehende Bitte um die Gabe der Tränen. Die Menschen wussten damals: Gott schenkt mit den Tränen etwas, das wir nur im Weinen bekommen können. Er schenkt die Hingabe an den Schmerz. Nur wenn ich meinen Tränen wirklich freien Lauf lasse, kann ich auch den Schmerz wieder loslassen.
Eigentlich ist Weinen ja die natürlichste Sache der Welt, genauso wie das Lachen. Aber mittlerweile gibt es eine lachfeindliche Kultur, eine Langeweile, die nichts mehr zum Lachen findet.
Und genauso gibt es auch einen Tränenfeindlichkeit. Sie hat ihre Wurzeln in falsch verstandener Tapferkeit, man schämt sich dann seiner Tränen. Oder auch in der Angst, Gefühle zu zeigen und dadurch verletzbar zu sein. Aber manchmal durchbricht das Weinen diese Starre, und das kann erschütternd und befreiend sein.
Als wir an Totensonntag in der Kirche die Namen der Verstorbenen verlasen, da geschah genau dieses: Menschen begannen zu weinen, laut und geradezu hemmungslos. Und die versammelte Gemeinde hielt es aus, ließ die nötige Zeit und bot den geschützten Raum für dieses Weinen.
Eine Frau legte einer Weinenden den Arm um die Schulter, hielt sie einfach fest.
Und viele haben es so empfunden: Es war alles andere als peinlich. Es war ein gutes, ein befreiendes und letztlich tröstendes Weinen. Ein Weinen, in dem Gott selbst zugegen war.
Vielleicht sind Sie im Moment sehr traurig und finden nicht in eine Gemeinschaft.
Dann ist es gut, wenn andere da sind, die für Sie beten - auch um die Gabe der Tränen, um ein gutes Weinen an einem geschützten Ort.
Damit der Schmerz ins Fließen kommt und sich in neue Lebenskraft verwandelt.

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SWR2 Wort zum Tag

Welche Farbe hat die Hoffnung? Grün sei sie, sagt der Volksmund, Grün - eine gute Farbe, besonders heute, wo viele Leute schwarz- oder rotsehen. Grün - das ist wie Erinnerung an Wiesen und Felder, an den Frühling. Grün ist die Farbe der Hoffnung, die den Augen gut tut, und der Seele auch.
Es gibt ein Psalmwort, das in mir etwas Grünes, eine Hoffnung zum Leuchten bringt.
Er weidet mich auf einer grünen Aue, heißt es da, er führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.
Er - das ist Gott, der Gott der Bibel, gezeichnet im Bild des Hirten.
Der Hirte weiß, wo das Gras grün ist, er kennt die Stellen, wo das Wasser sprudelt.
Und natürlich ist da das Bild von der Schafherde.
Aber nicht die Dummheit, auch nicht die Ängstlichkeit dieser Tiere liefern den Vergleich.
Es ist die Abhängigkeit des Tieres von seinem Beschützer.
Und diese hängt wohl auch damit zusammen, dass ein Schaf das Grün nicht sehen kann. Es ist farbenblind.
Das Grün der Auen, das Grün der Hoffnung zu sehen, ja, damit habe ich manchmal Mühe und wohl nicht nur ich. Und ich merke, dass ich jemanden brauche, der mich an der Hand nimmt und ins Grüne führt, der in mir neue Hoffnung weckt. Die Hoffnung, dass ein lieber Mensch doch wieder gesund wird. Dass die Kinder trotz allem in eine gute Zukunft gehen. Dass endlich Frieden wird in Afghanistan. In Palästina. Letztlich ist es die Hoffnung, dass Gott selber kommt und alles gut werden lässt.
Diese Hoffnungsbilder sind manchmal sehr weit weg. Aber es gibt Zeichen, die sie verstärken, Wegweiser, die darauf hinführen.
Der grüne Kranz, der seit Sonntag auf dem Tisch steht.
Das Adventslied mit seinen grünen Bildern und Symbolen.
Oder der Lebendige Adventskalender in der Stadt, wo sich an jedem Dezember-Tag eine Türe öffnet, eine Tür auch für Menschen, die Hoffnung suchen, eine Oase der Stille, ein segnendes Wort.
So machen sich einige auf den Weg zur grünen Aue, und ich möchte Sie einladen, es auch zu versuchen.
Manchmal wird man aufgehalten, abgelenkt. Lärm und Unruhe, Hektik und Zeitmangel.
Auch Krankheit und Alleinsein verstellen manchmal den Blick.
Aber die Hoffnung gibt Kraft, durch dunkle Täler zu gehen.
Und sie hat einen Namen - und ein Gesicht.
Ich freue mich auf die vor mir liegende Zeit.
Gott kommt und wird die Welt erlösen.
Ich sehe grün.
Grün ist die Farbe der Hoffnung.

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SWR2 Wort zum Tag

Urlaub in Kroatien. Tagsüber war es heiß, und kühlender Schatten war ein begehrtes Gut. Die Veranda unseres Ferienhauses hatte ein Dach aus grünem Weinlaub, und dieses grüne, schattige Dach gehört zu den schönsten Erfahrungen dieses Urlaubs. Drei mächtige, knorrige Weinstöcke waren in den Boden gepflanzt und mithilfe von Stangen so in die Höhe geführt, dass die zahlreichen Reben sich zu einem riesigen Netz verflochten. Es war auch bei größter Sonnenhitze immer luftig, und die wenigen Sonnenstrahlen, die durch das Dach hindurchgelangten, gaben ein grün-goldenes Lichtspiel. Das ganze Wein-Dach war zudem behangen mit herrlichen, frühreifen Weintrauben in fast unermesslicher Fülle; wir konnten uns 2 Wochen lang bedienen und genießen. Dazu kamen Feigen, die man von dem Baum ernten konnte, der als Sichtschutz zum nächsten Grundstück gepflanzt worden war. Eine Hängematte, eine Hollywoodschaukel - wenn wir nicht im Meer waren, schaukelten wir lesend oder Musik hörend - unter dem Weinstock.
Nie zuvor ist mir so deutlich geworden, was die biblische Vorstellung vom Weinstock bedeutet. Unter dem Weinstock sitzen - so beschreibt das AT einen Zustand paradiesischen Friedens und unerschöpflicher Fülle. Dort, unter dem Weinstock und unter dem Feigenbaum sitzt der Fromme, der in Gottes Augen Gerechte und genießt die Fülle des Lebens im verheißenen Land Israel. Es gibt dort keinen Hunger und keinen Durst, die sengende Sonnenhitze richtet keinen Schaden an, Krieg und mühsamer Wiederaufbau sind Vergangenheit. Man ist am Ziel.
Historisch und faktisch ist dieses Ziel niemals oder höchstens in Ansätzen erreicht worden. Deshalb ist der Weinstock und seine Fülle auch zu einem Bild für das Heil am Ende der Zeiten geworden. Was Gott seinem Volk, was er allen Menschen an Glück verheißen hat, das steht noch bevor, das ist noch im Wachsen. Aber es ist auch schon sehr konkret geworden in Jesus, der von sich sagt: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner."
Mir hilft dieses Bild vom Weinstock, mit den alltäglichen Erfahrungen des Mangels, des Unfriedens und der eigenen Unfertigkeit umzugehen. Er hilft mir auch, in den guten Dingen des Lebens einen Vorgeschmack auf den endgültigen Weinstock zu genießen.
So habe ich das Sitzen unter dem Weinstock empfunden. Der Urlaub ist vorbei, der Alltag brachte gleich wieder manches Unerfreuliche und Schmerzhafte. Aber die Dankbarkeit für erlebtes Glück gibt Kraft, und die Vorfreude lässt die nötigen Schritte tun - gemeinsam mit anderen Menschen.
Eines Tages, das hoffe ich, werden alle Völker unter dem Weinstock sitzen, der den Namen Jesus trägt.

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SWR2 Wort zum Tag

Vier Kinder in allen Stadien der Pubertät: Da können Eltern schon was erleben.
Neulich war wieder Streit: Eines der Mädchen putzt gern mit spitzen Kommentaren ihre kleine Schwester herunter. Nach wiederholten freundlichen Bitten mussten die Eltern sie scharf zurechtweisen und sagten, sie solle jetzt endlich den Mund halten.
Daraufhin beleidigtes Schweigen, volle zwei Tage lang. Rückzug in den Trotz: Meine Eltern verbieten mir den Mund, also rede ich gar nicht mehr mit ihnen.
Die bösen Eltern seufzten innerlich gequält - das Ziel, ein schlechtes Gewissen zu wecken, hatte sie doch erreicht. Endlich taten sie den ersten Schritt, durchbrachen die Mauer des Schweigens, gingen auf sie zu, entschuldigten sich - obwohl der Streitpunkt eindeutig auf ihrer Seite lag. Sie taten es und tun es wieder, wohl wissend, dass sie, die Erwachsenen, diesen Schritt tun müssen.
Ich dachte darüber nach, dass es in der Beziehung mit Gott ähnlich ist. Auch erwachsene Menschen verhalten sich oft pubertär, übertreten die Gebote, die doch eigentlich nur vernünftig sind. "Habe ich nicht ein Recht darauf, mir zu nehmen, was andere mir vorenthalten? Muss ich denn wirklich immer die Wahrheit sagen, wenn es sonst kaum jemand tut?"
Wenn Menschen sich von Gott und seinen Geboten eingeengt fühlen, können sie sehr empfindlich, ja bockig werden. Gott als Helfer und Glücklichmacher, das geht in Ordnung. Aber Gott als Erzieher, als Lehrer? Da knallen die Türen, da wird trotzig geschwiegen, wenn Gott etwa nicht genauso reagiert, wie es den pubertären Wünschen entspricht.
Und was tut Gott? Die Bibel erzählt, dass Gott wie ein Erwachsener handelt. Er sucht das Gespräch, er wirbt um Verständnis, er sagt im Konfliktfall aber auch sehr deutlich seine Meinung. Aber wenn Menschen sich von ihm abwenden, zieht er sich nicht zurück. Er überwindet seinen Stolz, Er tut den ersten Schritt. Bewegend finde ich, wie Gott sich bei den Menschen quasi entschuldigt und so die Verbindung, den Bund wieder herstellt. Ich will nicht mehr strafen, ich kann nicht mehr böse sein, ja, ich nehme die Schuld auf mich.
Jesus Christus steht für diese Entschuldigung Gottes.
Und wenn immer ich mich beleidigt in mein Zimmer verkrochen habe, wird er es sein, der einen neuen Anfang macht. Ein Wort, das mich aufhorchen lässt, oder, wie neulich, der offene Brief eines Menschen, der mich wieder klar blicken lässt.
Gott kann das, er ist schließlich erwachsen.

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SWR2 Wort zum Tag

Er war mein bester Freund, als ich ein kleiner Junge war - und diese Freundschaft hat mich geprägt, und auch meinen Glauben an Gott.
Ich möchte von meinem Patenonkel erzählen. Es war das größte Glück für mich, wenn ich in den Ferien einige Tage in seinem Haus verbringen durfte, und meine Geschwister beneideten mich ohne Ende. Da gab es einen Fernseher - das war bei uns zuhause undenkbar. Es gab einen kleinen Swimming-Pool im Garten, für mich der Inbegriff des Luxus. Es gab einen offenen Kamin, an dem mindestens einmal pro Aufenthalt gegrillt wurde; und dazu gab es Fanta. Es war so, wie sich ein Bub von 10 Jahren das Paradies vorstellte. Meine ersten Griffe auf der Gitarre lernte ich bei ihm, der eigentlich Lehrer, jedoch ein begnadeter Musiker ist. Arbeit gab es auch, aber es war irgendwie kein Muss, sondern ein Vergnügen, etwa mit einem kleinen Traktor den großflächigen Rasen zu mähen.
Der Abschied von diesem Paradies fiel mir immer schwer, ich erinnere mich, dass ich mit den Tränen gekämpft habe. Aber auch hier gab es ein kleines Ritual, das mir half, mich über den Abschied hinwegzutrösten, ja sich sogar darauf zu freuen. In seiner Hand lag ein 5-DM Stück, und das wechselte beim Händedruck unauffällig den Besitzer. Ein Vermögen als Wegzehrung auf dem Weg in den kargen Alltag eines Kindes.
Ja, er hatte viel, aber ich durfte teilhaben, sein Haus stand immer offen. Übrigens nicht nur mir. Was ich im Zuge dieser Freundschaft lernte: Viele Menschen waren gern in diesem Haus, Kinder aus der ganzen Nachbarschaft, Erwachsene, die Rat und Hilfe suchten und immer erst einmal eingeladen wurden. Es war gar nicht so einfach, dass mein großer Freund beschloss, immer auch eines meiner Geschwister mit mir einzuladen und sie auf die gleiche Weise zu verwöhnen wie mich - inklusive Händedruck.
Das erste Lied, das ich bei ihm auf der Gitarre spielen lernte: Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da: G-Dur-H7-e-moll. Dieses Lied verstand ich auf Anhieb, weil ich es unbewusst mit den schönen Erlebnissen in Verbindung brachte. So großzügig, so pfiffig, so musikalisch stellte ich mir Gott vor, und tue es immer noch. Sein Haus ist geöffnet, und ich darf bei ihm zu Gast sein, es gibt alles im Überfluss, und sogar die Arbeit macht Freunde.
Andere mag er genauso wie mich, ich weiß und ich lerne es.
Gott hat ein großes Haus und auch ein großes Herz.
Und oft sind es großzügige Menschen mit einem offenen Haus, bei denen man mit Gott Bekanntschaft macht.

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SWR2 Wort zum Sonntag

Wenn man von einer Reise nach hause kommt, sieht man das Altbekannte mit anderen Augen. So geht es mir, als ich aus dem Urlaub heimkehre. Ich öffne die Wohnungstür und empfinde die Größe des Raumes wie beim ersten Mal. Ich schaue auf die Bilder an den Wänden und nehme Einzelheiten wahr, die ich vorher nie gesehen habe. An bestimmten Dingen störe ich mich auch. Zuvor ist sie mir kaum aufgefallen, aber jetzt stört sie mich, die Macke am Esszimmertisch. Und wenn ich dann Nachbarn wiedersehe oder Freunde treffe, sehe ich sie von der Seite an. Sind wirklich sie es, die sich verändert haben? Oder liegt es daran, dass ich sie vorher gar nicht richtig wahrgenommen habe?
Es stimmt schon: Wer aus der Ferne zurückkommt, sieht Altvertrautes mit neuen Augen, mit neuem Interesse, mit neuer Freude. Und ich stelle mir vor, dass Gott die Welt und uns Menschen ganz ähnlich sieht. Jeden Morgen wendet er sich neu zu. Jeden Tag sieht er die Menschen mit neuen Augen, mit neuem Interesse, mit neuer Freunde und vielleicht auch kritischer Aufmerksamkeit. Und diesen frischen, göttlichen Blick kann man spüren, es geht etwas Ermutigendes von ihm aus. All Morgen ist ganz frisch und neu, des Herren Gnad und große Treu - so heißt es in einem Lied. Gott schaut immer wie der neu auf mein Leben, er sieht, was ich brauche, sieht die Möglichkeiten, die in mir stecken, sieht auch, was noch fehlt. Alles verdanke ich diesem gütigen Blick: Dass ich aufstehen kann, dass ich planen und gestalten kann, dass ich meine Grenzen bejahen und Fehler korrigieren kann. Auch dass ich andere um Verzeihung, eine Beziehung neu beginnen kann.
In der Bibel gibt es viele Stellen, die beschreiben, wie Gott seine Welt sieht. Es ist kein beobachtendes, sondern ein kommunizierendes Sehen. Alte biblische Ortsnamen spiegeln die Erfahrung wieder, dass Gott ein sehender Gott ist. JAHWE ROI - du bist der Gott, der mich sieht. Oder PNUEL: Gottes Angesicht ist mir zugewandt. Die mit diesen Namen verbundenen Geschichten erzählen von Gottes Sehen; von Überraschung und Besorgnis, von Freude und Belustigung, von tiefem Verletztsein, von tobender Wut und brennendem Schmerz. So haben die Menschen ihren Gott erlebt. Wie einen väterlichen Freund, der die Tür öffnet und in ihr Leben tritt, der mit ihnen redet, das ein oder andere zurechtrückt, mit ihnen streitet, vielleicht auch mal türenknallend das Haus verlässt. Dann aber kommt er zurück, mit einem neuen Blick, mit einem neuen Wort: "Ich bin für dich da. Ich sehe dich mit jeder Faser deines Lebens. Ich helfe dir durch den Tag. Aber du, fass doch bitte mit an! Soll ich denn alles alleine machen?" Und ich bin dankbar, dass er mich sieht und mit mir redet, dass er sich immer noch soviel Mühe mit mir gibt. Nein, er hat sich noch nicht an meine Fehler gewöhnt, er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass aus mir noch etwas werden könnte.
Gott glaubt an mich. Er glaubt auch an Sie - sonst würde er uns ja wohl nicht mehr sehen wollen!
Altgewohntes neu zu sehen - das könnten wir Menschen doch auch versuchen, nicht nur nach dem Urlaub. Menschen, die einem begegnen. Dinge und Zustände, die man immer bloß hingenommen, aber nicht wirklich beachtet hat. Den heutigen Sonntag könnte man z.B. neu entdecken, als geschenkte Zeit, als Chance, sich etwas zu gönnen, vielleicht einmal den Gottesdienst zu besuchen. Manches neu Gesehene erfüllt einen mit Dank, manches weckt den Wunsch nach Veränderung. Soviel Grund zur Freude. Soviel Möglichkeit zu helfen, zu fördern, Gutes zu tun.
Gott sieht mein Leben täglich neu.
Im Grunde gibt er mir damit täglich eine Chance zum Neuanfang.
Die will ich nutzen. Und genauso sehen lernen wie er, aufmerksam, wachsam, neugierig.

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SWR2 Wort zum Tag

Der Sommer ist endlich da, und der Sommer ist schön. In vielen Liedern wird er besungen.
Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser lieben Sommerszeit, an deines Gottes Gaben.
Schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.
So heißt es in dem bekannten Lied von Paul Gerhardt. Bäume und Blumen, Vögel und Wild, ja sogar die Bienenvölker singen und springen auf der sonnigen Bühne dieses Liedes, bis hin zu "Schaf und Hirten", die - für den strengen Protestanten Paul Gerhardt bemerkenswert genug - ihr "Lustgeschrei" erklingen lassen.

Und doch - der Sommer ist in diesem Lied mehr als eine schöne Jahreszeit. Für den Dichter ist er zugleich ein Bild für den "Garten Christi" - gemeint ist die Ewigkeit. Wenn Gott seine Kinder schon auf dieser "armen Erde" mit soviel Schönheit und Glück beschenkt: "Welch hohe Lust, welch heller Schein, wird wohl in Christi Garten sein." Und so gibt es eine Sehnsucht, die stärker ist als die Sehnsucht nach sommerlicher Wärme: "O wär ich da! O stünd ich schon, ach süßer Gott, vor deinem Thron."

Manchmal empfinde ich das ähnlich in diesen Tagen.
Ich genieße den Augenblick, und zugleich erfüllt mich eine Vorfreude, die ich gar nicht so genau erklären kann. Wenn ich die Pfingstrosen im Garten sehe und ihren Duft rieche.
Oder wenn ich abends auf der Terasse sitze, Erdbeeren esse und eine Schumann-Sonate höre.
Wenn ich mit den Kindern nachts auf der Wiese liege und den Sternenhimmel bestaune.
"Ach denk ich, bist du hier so schön, und läßt du´s uns so lieblich gehen, was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelzelt und güldnen Schlosse werden!"
Soviel Freude, soviel Fülle, soviel Geschenke - und das nicht nur für mich, sondern für alle.
Als wollte Gott die Menschen locken, als wollte Er sagen: Nimm es, genieße es und glaube mir, dass ich es gut mir dir meine.

Dieser Glaube an die Güte, an die "Süße" Gottes ist nicht immer leicht.
Gerade dann, wenn jemand traurig ist und die Freude anderer nicht teilen kann.
Oder wenn einen die Angst vor dem Ende beschleicht.
Da ist für mich der Sommer eine Hilfe zum Glauben. Das Licht, die Wärme, aber auch Dürre und heftige Gewitter. Sicher sind das zufällige Begleiterscheinungen, aber man kann darin auch Bilder entdecken, für Gottes überströmende Liebe, Bilder vielleicht auch für seine Macht und seine Heiligkeit.

Ich wünsche Ihnen einen solchen Bilderbuch-Sommer.
Ich wünsche Ihnen auch ein wenig Sehnsucht nach Gott und seinem Garten.

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SWR2 Wort zum Tag

Ein neuer Tag beginnt, und ich freue mich darauf.
Es ist so schön, aufstehen zu können, das Sonnenlicht zu sehen, den morgenfrischen Garten.
Es ist, als würde sich ein Raum vor mir öffnen, den ich noch nicht kenne, den ich aber kennen möchte. Die Kaffeemaschine blubbert vor sich hin, die Schlagzeilen habe ich schon überflogen, und nach den Nachrichten gehts an den Schreibtisch, wo der Planer liegt.

Dabei weiß ich: Nicht jede Nacht ist gut, nicht jeder Tag beginnt ohne Beschwerden. Manches Gestrige geht einem nach, und manches wirft auch schon seine Schatten voraus.

Aber gestern ist vorbei, morgen ist noch nicht da, und heute ist der Tag, auf den es ankommt, die Zeit, die einem geschenkt ist, Ihnen und und mir. Und jetzt kommt es drauf an, diesen Raum auch zu betreten, ihn in Gedanken einmal ausmessen. Geh hinein, sagt eine Stimme, es ist dein Tag, nimmt ihn in deine Hände und unter deine Füße. Nur für heute darfst du ihn bewohnen und gestalten. Dies ist der Tag, den der HERR macht, heißt es in einem Psalmwort, lasst uns freuen und fröhlich darüber sein.

So mache ich mich auf den Weg, und Sie tun es auch.
Vermutlich werden Sie und ich heute Menschen begegnen, denen wir täglich begegnen - aber heute könnte der Kairos sein, die entscheidende Begegnung.

Sie und ich werden anderen Liebe zeigen und Liebe empfangen - aber heute könnte die letzte Möglichkeit sein, das zu tun.
Sie und ich werden Dinge tun, die wir jeden Tag tun - aber heute könnte sich ein neuer Sinn darin erschließen.
Sie und Ich werden einen Tag älter sein am Ende dieses Tages - aber vielleicht auch ein wenig reifer.

In unserer Nähe befindet sich ein Obstgeschäft, das mit einem einfachen Trick Kunden anzieht. Heute geöffnet - so kann man es auf einem Schild lesen. Das Geschäft hat fast immer geöffnet - aber dem Kunden wird vor Augen geführt, dass jedes Heute die letzte Möglichkeit sein könnte.

Und so möchte ich es von mir sagen: Heute lebe ich, heute ist der Lebensraum geöffnet.
Natürlich hoffe ich nicht, dass es mein letzter Tag, meine letzte Chance ist.
Aber selbst wenn es so wäre, möchte ich in offenem Zustand leben, offen für alles, was Gott für mich bereit hält.

Nur heute - und vielleicht auch nur noch heute. Aber diesen Schritt möchte ich gehen.
Und ich vertraue darauf, dass Gott mir auch morgen noch einen Tag schenkt, an dem auf meiner Tür steht: Heute geöffnet.

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SWR2 Wort zum Tag

Die Frau überlegt, schreibt, überlegt. Dann schließt sie langsam das Buch.
Das Buch liegt auf einem kleinen Tisch, in der Kirche. Wer will, kann kommen und sein Anliegen, seine Bitte hineinschreiben. Dicht beschrieben sind die Seiten. Von Krankheit, Scheidung und Verlusten ist da zu lesen. Naturkatastrophen, Kriege in den Familien und zwischen Völkern. Aber auch scheinbar Unbedeutendes ist zu lesen. Ein Mädchen bittet Gott, er möge ihr bei der Rettung ihres Garfield helfen, der in den Heizkörper gefallen ist, ein Junge bittet, dass die Deutschen wenigstens ins Viertelfinale kommen. Nichts ist ausgelassen. Ein Buch voller Notlagen, ein Buch voller Hoffnung, auch Dankbarkeit. Nicht nur Gebete, sondern auch Klagen und Bitten ohne Adressaten kann man lesen.

Jeden Mittwoch trifft sich eine kleine Gruppe in der Kirche.
Sie stehen vor dem Altar und beten für alle Anliegen, die in dem Buch stehen. "Es ist für mich die beste Zeit in der ganzen Woche" sagt eine Frau aus diesem Kreis. "Wir sind nur ein kleines Häuflein, aber wir haben das Gefühl, dass Gott uns sieht und vor allem, dass er uns hört. Das kann ich in dieser halben Stunde merken."
Eine Kirche, ein Buch, ein Kreis von Menschen, die beten.
Es wächst die Zahl derer, die in das Buch schreiben.
Bei manchen merkt man, dass sie von Gott enttäuscht wurden, eigentlich gar nicht mehr an ihn glauben.
Und doch ist bei allem noch ein Funken von Hoffnung vorhanden. Auch wenn ich selbst nicht beten kann - andere tun es für mich. Sie bringen meine Sorgen und Ängst vor einen Gott, der mir selber fremd geworden ist. Aber wenn es ihn gibt, diesen Gott, dann muss er doch hören und helfen können.

Im Gebet liegt eine Kraft, auch wenn ein Mensch selbst nicht beten kann. Darum ist es wichtig, dass andere von seiner Not erfahren, andere, die beten können. Und wenn es diese anderen nicht gibt? Ich glaube, gerade dann ist besonders wichtig, die Not irgendwie auszusprechen.
Vielleicht hilft es, Gott einen Brief zu schreiben. Beim Schreiben kommen die Gedanken, es kommt etwas in Fluss, und ich sehe plötzlich Dinge, für ich mich auch bedanken könnte. Der Brief ist fertig - ob ich nicht doch einen Menschen kenne, dem ich das geben könnte?

Manchmal kommen Menschen, die bedanken sich für das Gebet.
Eine Frau hat ihrem sterbenskranken Mann gesagt, dass in der Kirche für ihn gebetet wird.
Das ist gut, hat er geantwortet. Er, der nie in eine Kirche ging und mit dem Glauben seiner Frau nichts anfangen konnte. Getragen, geborgen von einem Gebet, das andere für ihn beten.

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SWR2 Wort zum Tag


Strahlend steht die kleine Hilde mitten unter anderen Kindern. Willst du auch eine Tomate? fragt sie einen strubbeligen Jungen und hält ihm die rote Frucht entgegen. Dankbar greift die hagere Hand zu, und schell sind die Tomaten verteilt, triefend essen die Kinder. Glücklich geht Hilde nach hause, aber die Mutter ist entsetzt. Es ist Nachkriegszeit, sie sind Flüchtlinge und haben nichts, weniger noch als die anderen. Endlich hat sie mal Tomaten bekommen, und dann verteilt die Tochter sie! Für Hilde war es ein wunderbarer Augenblick gewesen: Endlich konnte sie mal etwas geben, verteilen, in dankbare, strahlende Gesichter sehen.

[Diese Geschichte erinnert mich an das Sprichwort: Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude.] Sich mitteilen, etwas geben und schenken ist ein menschliches Grundbedürfnis. Es wird vielleicht durch Geiz verschüttet, oder durch die Angst, zu kurz zu kommen. Aber es steckt eine tiefe Wahrheit darin: was ein Mensch für andere tut, das tut er auch für sich. Kinder spüren das und sind deshalb manchmal von entwaffnender Großherzigkeit. Und wenn man ihnen das nicht ausredet, wachsen sie zu Persönlichkeiten heran, denen man gerne begegnet.

Ich glaube, dass dass Geben etwas Göttliches ist. Menschen, die mit einem fröhlichen Herzen abgeben können, sind Gott nahe - selbst wenn sie vielleicht gar nicht an ihn glauben. Sie haben etwas von seinem Wesen verstanden: Gott gibt. Gott ist prinzipiell ein gebender, ein schenkender, ein sich mitteilender Gott. Nicht das "du sollst" und auch nicht das herrische "Gib her" stehen in der Bibel an erster Stelle. Gottes erstes Wort an den Menschen lautet: Nimm! Von allen Früchten darfst du essen! Und eines der letzten Worte Jesu lautet: Nehmet, esset, das ist mein Leib!

Gott gibt. Er gibt nicht nur etwas, sondern er gibt sich selbst, schenkt sich mir als Gabe.
Was ich bin und habe, ist sein Geschenk. Meine Zeit, meine Kraft, meine Liebe, mein Geld - das alles macht mich reich, wenn ich es weitergebe. Das muss ich sicher mein Leben lang lernen. Aber immer wieder bin ich Menschen begegnet, denen ich so gerne begegnete, dass ich auch so werden wollte, oder wenigstens so ähnlich. Und immer besser konnte ich die Bibel verstehen und einen Gott, der mir die Kinder als Vorbild vor Augen stellt.

Willst du auch eine Tomate? So kann eine Kinderhand zum Wegweiser werden.
Sie zeigt mir den Weg zu einem reichen Leben.
Und den Weg zu Gott, der mir noch mehr als dieses reiche Leben schenkt.
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