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15AUG2024
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Vor kurzem habe ich an einer Ruderregatta teilgenommen. Jedes Jahr richtet die Rudergesellschaft Speyer ein Rennen für Betriebe aus. Man braucht 10 Leute zum Rudern, auf jeder Seite sitzen 5. Eine Mitarbeiterin hatte uns als Landeskirche angemeldet. Für uns als Kirche ist es die erste Regatta, da mussten wir natürlich erst einmal trainieren. Also hat sich unsere bunte Truppe vom Oberkirchenrat bis zum Hausmeister zwei Wochen vor dem Rennen an einem Abend zum Training am Altrhein getroffen. Zunächst haben wir alle auf dem Trockenen gerudert. An einer Rudermaschine, um ein Gefühl für die Bewegung zu bekommen. Schon da hatten wir viel Spaß. Dann ging es aufs Wasser. Ein junger Mann aus dem Ruderclub hat uns mit dem großen Boot vertraut gemacht. Er hat sich ganz hinten ins Bott gesetzt und den beiden Schlagmännern geholfen gut im Takt zu bleiben. Und eins und eins und eins. Das hat schon ziemlich gut geklappt. Mit dem Blick auf die beiden Taktgeber rudern wir in eine Richtung. Es kommt auf jeden einzelnen an. Nur in Gemeinschaft kommen wir ans Ziel, halten wir die Richtung und rudern wir nicht im Kreis. Es war ein warmer Abend und auf dem Wasser haben uns auch die Mücken in Ruhe gelassen. Und eins und eins und eins – wir haben uns an diesem Abend ganz neu miteinander verbunden gefühlt. In Sportklamotten mit einem klaren Ziel fiel uns das leichter als sonst im Büro. Da rennen wir oft eher aneinander vorbei.

Dann ist der Renntag da. Ich halte mein Ruder fest umklammert. Die Engelsflügel, die wir heute alle tragen, sind schon ganz nass. Unsere Heiligenscheine verrutschen, aber wir motivieren uns gegenseitig. Und wir geben alles. Egal, dass unterwegs mal der eine oder die andere aus dem Takt kommt.

Wir hatten ein gemeinsames Ziel. Ankommen. Unser Ergebnis ist ausbaufähig. Wir sind 3. geworden von hinten. Aber nächstes Jahr wollen wir wieder mitrudern. Denn wir haben hier so deutlich gespürt, was uns für den Arbeitsalltag helfen kann: Jede und jeder ist wichtig und nur gemeinsam kommen wir ans Ziel. Darauf kommt es an.

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14AUG2024
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„Die gute Nachricht“ – das bedeutet das Wort „Evangelium“, wenn man es übersetzt: die gute Nachricht aus der Bibel. „Aber das Neue Testament strotzt doch nur so vor Drohungen und Strafen, wenn man es nicht so hinkriegt“, hat mal einer zu mir gesagt. „Also: Was bitteschön soll daran ist `die gute Nachricht´ sein, für so einen wie mich?“

Der Mann hat recht. Genau das ist das Tückische an vielen biblischen Geschichten: Man kann sie durchweg rein moralisch verstehen.Nehmen wir einmal das Gleichnis von der vierfachen Saat (Mk 4,3-9):

Da wird Gott verglichen mit einem Bauern, der auf seinen Acker geht und seine Saat auswirft – und wie das so ist: ein Teil der Weizenkörner fällt ins Gestrüpp, einiges unter die Dornen; einiges wird von den Vögeln aufgefressen; und einiges fällt auf fruchtbaren Boden und geht auf und gedeiht.

Klar, kann man das so auslegen: Gott wirft seine Botschaft unter die Menschen wie der Bauer seine Samen auf den Acker. Manche Menschen sind wie Gestrüpp und Dornen: zu nichts zu gebrauchen. Und bei manchen landet Gottes Wort auf gutem Boden. Und je nach dem, zu welcher Sorte ich nun gehöre, bin ich gerettet oder eben verloren... Das klingt nach erhobenem Zeigefinger, aber nicht nach einer guten Nachricht.

Eine Kollegin hat dazu eine Predigt geschrieben, in der kommt sie zu einem ganz anderen Schluss: Sie hat mir einen Bauern vor Augen gemalt, der mit vollen Händen und voller Freude seine Saat austeilt: Und zwar überall hin, ungeachtet des Dornen-Gestrüpps oder des felsigen Untergrundes. Dieser verschwenderische Umgang - das macht doch Hoffnung, finden Sie nicht? Gott gibt auch noch dem mickrigsten Boden eine Chance.

Wer weiß, was man da für Überraschungen erleben kann...? So wie die Tomate, die in diesem Sommer an einer Stelle bei uns gewachsen ist, da hätte ich sie niemals hingepflanzt! Und plötzlich haben sich mir da leuchtend rote Früchte entgegengestreckt, wo ich es am allerwenigsten erwartet hätte...

Vielleicht geht es Gott ja genauso mit uns. Und das ist die gute Nachricht: Ich glaube, er ist für jede Überraschung zu haben.

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13AUG2024
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Was macht wirklich glücklich...? - Eine Freundin hat mir begeistert Bilder aus ihrem Urlaub gezeigt, doch dann hat sie plötzlich das Handy sinken lassen und gesagt: „Aber weißt du was? Große Reisen sind toll - aber ich habe gemerkt: so richtig glücklich machen mich am Ende ganz andere Dinge...“
„Was kann denn besser sein als Urlaub?“ hab ich gefragt.
„Begegnungen...“, hat sie gesagt. Meine Freundin ist auch Pfarrerin. Und bei einem Besuch in der Gemeinde - da ist ihr dieser junge Mann aufgefallen, der hat sie die ganze Zeit so nett angeschaut. „Kennen wir uns?“ hat sie irgendwann gefragt. Er hat gelacht: „Erinnern Sie sich nicht mehr? Ich war doch bei Ihnen im Konfirmandenunterricht...“

Sie hat ihn genauer angesehen. Das musste wohl schon länger zurückliegen... Und junge Menschen verändern sich ja so... Außerdem, bei den vielen Konfis, die sie Jahr für Jahr sieht... nein, sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern.

Aber dafür hat sich der junge Mann an alles erinnert. Sogar an das Geschenk, das er zum Abschluss bekommen hat: Ein kleines Bild, mit einem Bibelspruch.  „Echt? Daran können Sie sich erinnern...? - Das verschenken wir schon lange nicht mehr. Wir hatten den Eindruck, dass das nicht mehr besonders gut ankommt, bei den jungen Leuten.“ 
„Oh, doch!“ hat er gesagt. „Ich hab meins noch. Es hängt in meinem Zimmer, an der Wand.“ Und zum Beweis ist er hochgelaufen und hat es geholt.

Und wie er ihr dann auch noch erklärt hat, was er alles mit dem Bild und dem Bibelspruch verbindet, da ist sie aus dem Staunen gar nicht mehr rausgekommen...
„Siehst du?“ hat meine Freundin zu mir gesagt, „Das ist für mich das wahre Glück: Da hat man so einen winzig kleinen Samen ausgestreut und glaubt selber nicht, dass da was bei rauskommt. Und irgendwann erkennt man: Es war nicht umsonst; es hat eine Wirkung. Das macht mich glücklich.“

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12AUG2024
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„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt“, hat Albert Schweitzer mal gesagt. „Man wird ja auch kein Auto, weil man in eine Garage geht.“ Und das kann ich nur bestätigen: Ich gehe oft in unsere Garage; und es hat noch nie abgefärbt... Aber mal im Ernst - wie ist das nun: Stimmt es, dass man noch lange kein Christ ist, nur weil man die Kirche besucht?
Nun, genaugenommen macht uns die Taufe zur Christin oder zum Christen, und nicht der Kirchbesuch. Aber vermutlich hat Albert Schweitzer auf etwas ganz anderes abgezielt:

Er hat die Scheinheiligkeit kritisiert, mit der manche gern dabei gesehen werden: „Schaut her, ich bin ein gottesfürchtiger Mensch und lebe moralisch einwandfrei!“ Fromme Selbstgefälligkeit ist natürlich alles andere als eine christliche Haltung. - Was aber keineswegs gegen den Gottesdienstbesuch an sich spricht.

Und von daher finde ich den Vergleich mit dem Auto und der Garage auch so treffend:
Natürlich wird kein Mensch zum Auto, nur weil er in eine Garage geht. Aber es besteht doch kein Zweifel daran, dass es dem Auto guttut, Zeit in der Garage zu verbringen... Da steht es geschützt vor Wind und Wetter. Der Lack bleibt in Schuss, es setzt keinen Rost an und wird vermutlich länger halten.

Ja, und mir tut es gut, die zu Kirche besuchen. Denn in Kirchenräumen fühle ich mich seltsam geborgen... – irgendwie im Schutzraum Gottes. Wir nennen die Kirche ja auch „Gotteshaus“; weil wir das Gefühl haben, dass Gott darin wohnt. Und so gesehen besuche ich Gott, wenn ich in die Kirche gehe. Und jedes Mal, wenn ich Gott besuche, pflege ich meine Beziehung zu ihm. Und das macht sie haltbarer.

„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt“, hat Albert Schweitzer gesagt. Stimmt. Man könnte aber auch sagen: „Wer glaubt, ein Christ werden zu können, indem er die Kirche besucht, ist auf einem guten Weg.“

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10AUG2024
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Mit zwei Enkelinnen, sieben und fünf Jahre alt, bin ich in der Stadt unterwegs. Am Straßenrand sehen wir einen Mann, der dort sitzt und bettelt. Der fasziniert und irritiert die Kinder zugleich. Warum sitzt er da, was will er haben – das Gespräch führt schließlich zu der Frage: Wie können wir ihm helfen? Das ältere Mädchen meint: Ich würde ihm Geld geben. Meine jüngere Enkelin sagt: Ich würde ihn mit nach Hause nehmen. Diese Antwort verblüfft mich. Ich dachte eigentlich mehr an Sozialstaat, Caritas und Ehrenamt. Aber ihn mit nach Hause nehmen?
Ohne es zu wissen hält sie mir einen Spiegel aus der Bibel vor, wo es auch darum geht, wen ich zu mir einlade: Dort wird erzählt, Jesus ist bei einem führenden Pharisäer eingeladen und schaut sich die übrigen Gäste an. Vermutlich alles so ehrenwerte angesehene Menschen wie der Gastgeber. Eine Gesellschaft, in der man sich gerne aufhält. Doch Jesus sagt zu dem Gastgeber: Wenn Du ein Essen gibst, lade nicht deinesgleichen ein. Die laden dann dich wieder ein und alles ist ausgeglichen. Lade lieber Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein, die es dir nicht vergelten können, und vertraue darauf, dass es Dir von Gott vergolten wird.

Ich gestehe ein, ich schaffe das nicht, die Menschen vom Straßenrand zu mir einzuladen. Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Zur Zeit Jesu wäre die Einladung zu einem Essen für viele Arme die einzige Möglichkeit gewesen, überhaupt zu einer Mahlzeit am Tag zu kommen. Heute gibt es – wie gesagt – Sozialstaat, Caritas und Ehrenamt. Aber die Antwort meiner Enkelin piekst mich wie ein Stein im Schuh. In ihrer spontanen Reaktion macht sie darauf aufmerksam: Es geht um mehr als Essen. Es geht um Zugehörigkeit und Zuwendung, um Anerkennung und Respekt. Deshalb schlägt Jesus dem Pharisäer vor, Arme und Kranke zu sich einzuladen. Nicht damit sie abgefüttert werden, sondern damit sie dazu gehören.

Staatliche und gesellschaftliche Hilfe, Suppenküchen und Sozialämter sind hilfreich und bis auf weiteres unersetzlich. Keine Frage. Aber trotzdem bleibt etwas offen, mit dem ich noch nicht fertig bin und das in der Antwort meiner Enkelin liegt, wenn sie zu mir sagt: Ich würde ihn mit nach Hause nehmen.

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09AUG2024
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Ich habe mich in einem anderen Menschen getäuscht. Und in mir selbst.
Meine Frau und ich sitzen in unserer Lieblingspizzeria beim Mittagessen. Am Nebentisch essen vier gut gekleidete Männer. Offenbar freuen sie sich über einen beruflichen Erfolg, lachend und großspurig. Der Wortführer fällt mir besonders auf: Mit großen Gesten, lautstark und erfolgsverwöhnt redet er, mir ist er einfach unangenehm. - Der Verkäufer einer Obdachlosenzeitung geht von Tisch zu Tisch, bietet seine Zeitung an, bittet um eine Spende. Er kommt auch an den Tisch der vier Männer. Na, denke ich, die vier werden ihm was erzählen. Doch der großspurige Erfolgstyp wechselt den Ton und sagt: Eine Zeitung möchte ich Ihnen nicht abkaufen. Aber ich lade Sie zu einer Pizza und einem Getränk ein, nehmen Sie doch bitte Platz. Und der Verkäufer setzt sich an einen Tisch und bestellt sein Essen.
Diese Begebenheit erinnert mich an eine Geschichte, die Jesus erzählt: Zwei Männer gehen zum Beten in den Tempel, ein Zöllner und ein Pharisäer. Der Pharisäer ist ein respektierter, frommer Gelehrter. Der Zöllner ist ein verachteter Helfer der verhassten Römer, den die Leute meiden. Der Pharisäer fängt gleich an zu beten und legt Gott dar, wie er in jeder Hinsicht fromm und gottgefällig lebt. Und er dankt Gott, dass er nicht ist wie die anderen, wie zum Beispiel dieser Zöllner da hinten. Der bleibt nämlich ganz hinten stehen und sagte nur: Gott sei mir Sünder gnädig. Und Jesus lobt den Zöllner, der um Vergebung bittet, und nicht den Pharisäer, der glaubt – selbstsicher und arrogant wie er ist –, keine Vergebung zu brauchen.

Wann immer ich diese Geschichte lese, möchte ich mich gerne in dem Zöllner wiedererkennen, möchte meiner Fehler bewusst sein und um Vergebung bitten. Doch bei der Begebenheit in der Pizzeria finde ich mich unversehens in der Rolle des Pharisäers wieder. Da bin ich selbst in die Falle getappt und habe im Stillen gedacht: Na, so einer bin ich aber nicht, der sich da unangenehm großtut und herumprahlt. Doch die Großzügigkeit des anderen hat mich beschämt. Es ist nämlich nicht immer so klar, wer hier eigentlich der Pharisäer ist.

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08AUG2024
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Bis vor wenigen Jahren betonten die Wahlprogramme der Parteien die Werte „Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit“. Die einen sahen sich der Freiheit verpflichtet, andere mehr der Solidarität und wieder andere betonten die Gerechtigkeit. Meist kam eine Mischung aus den drei Werten heraus und gab dem Programm einen Rahmen. Durch Terrorismus und Kriege kam dann ein vierter Wert hinzu: Sicherheit. Nachvollziehbar, denn ohne Sicherheit sind die anderen Werte kaum zu verwirklichen.

Seit der Europawahl sehe ich aber eine wesentliche Veränderung. Auf den Plakaten und in den Programmen erscheint ein neuer Wert: Wohlstand. Und der verdrängt andere Werte. So plakatierte eine Partei nur noch: Freiheit, Sicherheit, Wohlstand. Gerechtigkeit und Solidarität kommen nicht mehr vor.

Ich verstehe Menschen, die Angst um ihren Wohlstand haben. Inflation, schrumpfende Wirtschaft und hohe Ausgaben für Krankheit und Pflege, Klima und Krieg – das kann ernsthaft beunruhigen. Zugleich frage ich, um wessen Wohlstand es der Politik geht. Die wirklich Wohlhabenden haben Mittel und Wege, ihren Wohlstand zu sichern. In der Pandemie steigerten die Milliardäre weltweit ihr Vermögen sogar um 60%. Wenn es wirklich um Wohlstand geht, dann doch um den gefährdeten oder den fehlenden Wohlstand derer, die nur knapp oder gar nicht über die Runden kommen: Viele Geringverdiener, Alleinerziehende, gesundheitlich Eingeschränkte, Menschen mit kleinen Renten und andere. Da geht es um eine gerechte und solidarische Beteiligung am Wohlstand unseres Landes. Und es geht auch darum, dass Menschen in anderen Ländern, die unseren Wohlstand sichern, Gerechtigkeit und Solidarität erfahren. Deshalb gehören für mich Wohlstand, Gerechtigkeit und Solidarität zusammen.

Der Apostel Paulus hat dafür ein ganz einfaches Rezept: Einer trage des anderen Last, sagt er, so erfüllt ihr das Gesetz Christi. Wer Lasten tragen kann für andere, insbesondere Ärmere, der soll das tun. Selbst wenn er für sich nichts erwarten kann. Denn er hilft so, unsere Gesellschaft etwas gerechter und solidarischer zu machen. Und darum sollte es in der Politik schließlich gehen.

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07AUG2024
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Der Hochzeitswalzer erklingt, und unzählige Ehepaare schwingen das Tanzbein - vor dem Speyerer Dom. Und alle strahlen. Denn sie feiern ihr Ehe-Jubiläum. Anfang Juli sind dazu wieder mehr als 600 Ehepaare aus dem Bistum Speyer gekommen. Die meisten davon sind 50, 60 oder 65 Jahre lang miteinander verheiratet. Wenn das kein Anlass zum Feiern ist!

Im Gottesdienst haben die Paare ihr Eheversprechen erneuert, das sie sich vor vielen Jahren bei der Trauung gegeben haben: „Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau, als meinen Mann. Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.“

Was schwingt da nicht alles mit, wenn sich die Paare das nach Jahrzehnten gemeinsamen Lebens noch einmal ganz bewusst zusagen? Auf jeden Fall der Dank für vielen gemeinsamen Jahre – auch dann, wenn sie nicht immer so waren, wie sie es sich am Anfang erhofft hatten. Das hat der Weihbischof, der den Gottesdienst mit ihnen gefeiert hat, aufgegriffen. Er hat über das Ja-Wort gepredigt, das die Eheleute sich damals gegeben haben. Er hat gesagt: „Was bedeutet dieses Ja? Es bedeutet, zu dem anderen zu stehen – auch dann, wenn das Anders-Sein des Anderen nicht nur Geschenk ist, sondern Herausforderung, vielleicht sogar Last. Was bedeutet dieses Ja, wenn Leid über den Partner kommt, wenn schwere Krankheit ihn bedrückt? Dann Ja zu sagen, wenn der Himmel nicht mehr voller Geigen hängt, sondern nur noch dunkle Wolken zu sehen sind - dann dennoch Ja sagen: Ja, ich stehe zu dir.“

Es ist keineswegs selbstverständlich, dass das gelingt, dass Eheleute immer wieder neu und ein Leben lang Ja zueinander sagen können. Aber ihr Glaube kann ihnen dabei helfen. Der Glaube, dass Gott Ja zu jedem Menschen sagt. Gott sagt bedingungslos Ja zu mir, immer wieder neu, ein Leben lang, gerade auch dann, wenn ich versagt habe oder am anderen schuldig geworden bin – denn dann bin ich ja besonders darauf angewiesen, dass Gott mich mit seinem Ja wieder ins Leben zurückholt. Wenn ich das erlebe, dann kann ich auch leichter Ja zum anderen sagen, ihn annehmen, wie er ist – und daran reifen.

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06AUG2024
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Schwester Karla ist ein Phänomen. Sie ist der Engel des Altenheims. Sie erweckt demente Menschen zu neuem Leben. Sie blühen wieder auf, so wie die Ordensschwester für sie da ist. Jahrzehntelang hat Schwester Karla Menschen auf ihrem Lebensweg und Glaubensweg begleitet. Und jetzt, wo sie selbst älter ist – inzwischen 80 Jahre –, jetzt engagiert sie sich mit all dieser Erfahrung seit zehn Jahren als ehrenamtliche Hospizhelferin. Alle im Heim freuen sich, wenn sie kommt.

Eine demente alte Frau sitzt nach einem Schlaganfall schon lange im Rollstuhl. Seit Jahren war sie nicht mehr im Freien gewesen. Sie kam neu ins „Haus der Barmherzigkeit“, wo Schwester Karla wirkt. Und die hat sie gleich durch den schönen Garten des Altenheims gefahren. Das Gesicht der Frau begann zu leuchten, und, als ein Vogel sang, sagte sie: „Das ist sehr schön!“ So kann einem dementen Menschen das Herz aufgehen! Schwester Karla macht einfach das, was die alte Frau möchte, was ihr guttut. Ob das ein Cafeteria-Besuch ist oder zum Kegeln gehen oder etwas Anderes.

Noch viel mehr hat Schwester Karla bei der 92-jährigen Frau Mai bewirkt. Sie wollte in ihrer Demenz nicht mehr leben. Schwester Karla besucht sie seit einem Jahr jeden Tag zwei Stunden lang. Sie ist einfach bei ihr und spürt, was sie braucht. Also hat Schwester Karla auch CDs besorgt mit Liedern, die Frau Mai mag. Und plötzlich hat die demente Frau beim Hören die Lippen bewegt und laut mitgesungen – und ist dabei aufgelebt. Sie will auch nicht mehr sterben – sie hat von 35 kg auf 45 zugenommen! Und Schwester Karla kann andere Heimbewohnerinnen zu ihr bringen, weil Frau Mai sie auf ihre Weise sehr gut trösten kann. Unglaublich!

Was ist das Geheimnis von Schwester Karla? Sie ist einfach da bei den alten und dementen Menschen. Sie hört ihnen zu. Sie hat die Gabe, dass sie ihre Zeichen und Wünsche versteht. Schwester Karla möchte, dass die Dementen selbst bestimmen, was sie wollen. Dafür hat Schwester Karla ein ausgeprägtes Gespür, so geht sie auf diese Menschen ein – und dadurch bewirkt sie tatsächlich Wunder.

Als die Ordensschwester mir das alles so erzählt hat, habe ich gedacht: Das gilt ja auch sonst. Je mehr es gelingt, dass ich mich in andere hineinversetze und sie verstehe, desto schöner wird die Begegnung und desto erfüllter wird das Leben.

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05AUG2024
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„Ausklingen“ – das ist der Titel eines Gemäldes von Fritz Winter. Es hat mich sehr berührt. Es hängt im Mainzer Landesmuseum. Dort war ich schon öfter, aber diesmal habe ich mir vor allem die Gemälde angeschaut. Und vor diesem Bild des Malers Fritz Winter bin ich lange stehen geblieben und habe es auch fotografiert. Weil es mich auf etwas Wichtiges aufmerksam gemacht hat. Auf dem Gemälde ist links eine Klangquelle symbolisch angedeutet. Von ihr gehen spiralförmige Striche aus, flankiert von breiteren Balken und hellen Farbflächen, die nach rechts immer größer werden. Wie ein Klang-Trichter, ein Klang-Raum, in dem das Gehörte ausklingt, nachschwingt.

Ausklingen – das erinnert mich an Orgelkonzerte in unserem Speyerer Dom. Der hat einen langen Nachhall. Der letzte Ton der Orgel klingt noch bis zu 12 Sekunden nach. Er kann im weiten Raum ausklingen. Das wird noch verstärkt, wenn dann noch ein wenig Stille ist, bis der Applaus losgeht. Wenn der Raum und die Zeit da sind, dass etwas ausklingen kann, dann kann es seine Wirkung in uns besser entfalten. Dann geht es tiefer und kann uns in unserem Inneren berühren.

Das gilt nicht nur für Musik. Das gilt für alles, was wir erleben. Es tut gut, wenn nach einer Begegnung oder einem schönen Erlebnis nicht gleich das nächste kommt, sondern wenn ein wenig Innehalten möglich ist. Dann wird das, was ich gerade erlebt habe, nicht gleich von etwas Anderem überlagert. Es kann nachschwingen und tiefer in mich einsinken. So kann ein schönes Erlebnis zur einer Erfahrung werden, die mich innerlich erfüllen und prägen kann. Alles, was noch länger in uns nachschwingt, wird dadurch zu einem Schatz in unserer Seele.

Gerade für die Ferien und für die Urlaubszeit wünsche ich Ihnen, dass Sie Ihre Eindrücke und Erfahrungen ausklingen und nachwirken lassen können – dann wird das Leben intensiver.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40459
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