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SWR3 Gedanken

20JAN2024
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Kann man das Leben mit einem Exit Game vergleichen? Die Frage ist mir gekommen, als ich mit meinen beiden Jungs eines dieser Exit Games gespielt habe. Man ist in einem Raum eingesperrt, und während ein Countdown runterläuft, muss man bestimmte Aufgaben und Rätsel lösen. Dadurch kommt man an einen Code oder Schlüssel, der in die Freiheit führt.

Mein Leben steckt auch voller Aufgaben: Kränkungen und Krisen überstehen, Krankheiten meistern oder mit ihnen leben. Und ich muss Entscheidungen treffen: Welchen Beruf ergreife ich, mit wem möchte ich zusammenleben und wie? All das sind kleine Schlüssel für ein zufriedenes Leben.

Der Countdown erhöht natürlich die Spannung und den Druck im Spiel. Auch das kenne ich vom echten Leben. Es läuft zwar keine Uhr runter. Aber trotzdem fühle ich mich oft gehetzt und getrieben. Und meine Lebenszeit läuft natürlich auch ab, mit dem Unterschied, dass ich den Endpunkt Gott sei Dank nicht kenne.

Ich glaube, der größte Unterschied zum Exit Game ist, dass ich mich nicht eingesperrt fühle. In meinem Leben gibt es auch keinen vorgegebenen Ablauf. Für mich ist Gott nicht der Spielleiter, der sich möglichst knifflige Aufgaben überlegt und mir dann hämisch über die Schulter zuschaut. Im Gegenteil: Gott begleitet mich wohlwollend und lässt mir alle Freiheiten - bis dahin, dass ich mich auch gegen ihn entscheiden kann und trotzdem kein schlechteres Leben habe. Am Ende des „Spiels“ spielt Gott dann eine entscheidende Rolle: Er lässt mich nicht raus, sondern rein. Entry statt Exit - Eingang zu etwas ganz Großem.

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SWR3 Gedanken

19JAN2024
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Es gibt so Fotos, da freut man sich wahnsinnig, wenn man sie geschickt bekommt. Ich hab so eins bekommen. Zu sehen darauf ist das Paar Arlette und Donald, beide Mitte 50, und die Studentin Cheyenne. Sie haben alle drei ein Glas Sekt in der Hand und prosten mir zu. Die drei waren Hauptdarsteller in einer Doku, die bei einem Nachwuchsfilm-Wettbewerb des SWR einen Preis bekommen hat. Ich saß mit in der Jury, und deshalb haben sie mir das Foto geschickt.

Das besondere an dem Foto ist, dass Donald noch lebt. Er hat nämlich Krebs und weiß, dass er bald sterben muss. Darum geht’s auch in der Doku. Das ist ein schweres Thema. Aber Donald und Arlette gehen so tiefsinnig und gleichzeitig leicht damit um, dass es die ganze Jury berührt hat.

Im Film präsentieren die beiden das Urnengrab, das sie sich gemeinsam ausgesucht haben. Es befindet sich in der dritten Etage einer Urnenwand. Donald steht auf seinen Rollator gestützt davor und sagt: „Das ist mein neues Zuhause. Super Ausblick, aber leider keine Fenster.“ Später sitzen sie zusammen auf der Küchenbank und Donald gesteht Arlette: „Du bist so vieles für mich: meine Frau, meine Köchin und meine Medizin.“

Und dann ist da noch Cheyenne. Die Studentin ist Hospizhelferin und besucht Donald immer wieder. Sie hört zu und unterstützt die beiden. Sie sagt: „Ich bezeichne mich gerne als `Zeitschenkerin´, aber eigentlich verschenkt Donald viel wertvollere Zeit als ich, denn seine ist begrenzt.“

Wenn ich mir das Foto der drei mit dem Sektglas in der Hand anschaue, dann denke ich: Alle drei verschenken Zeit und Liebe. Und die Liebe bleibt, auch wenn die Zeit irgendwann mal abgelaufen ist.

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SWR3 Gedanken

18JAN2024
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Manchmal hilft man jemandem ohne dass man es merkt. Mir ist das mit meinem Bekannten Reinhard so gegangen. Reinhard hat seine Mutter in Freiburg besucht, die ganz schlimm Krebs hat. Er hat sie ins Krankenhaus begleitet und viel mit ihr gesprochen. Er bewundert an ihr, wie offen sie mit ihrer Krankheit umgeht. Sie hat zu ihm gesagt: „Bub, ich hatte so ein schönes Leben. Aus meinen Kindern und Enkeln ist was Tolles geworden, und jetzt ist meine Zeit hier bald um, und etwas Neues kann beginnen.“

Reinhard war bei der Heimfahrt ziemlich deprimiert, weil er seiner Mutter nicht mehr helfen kann. Er hat das Autoradio angemacht, und da liefen gerade in der Morningshow die „SWR3 Worte“, und zufällig war ich gerade dran. Da hat er sich erstmal gefreut, weil er mich ja kennt. Und dann habe ich sozusagen übers Radio mit ihm kommuniziert und ihm aus seiner traurigen Stimmung rausgeholfen. Ich hatte für diesen Tag ein Zitat von Anthony Hopkins rausgesucht, das ging so: „Keiner von uns kommt lebend hier raus. Also hört auf, euch wie ein Andenken zu behandeln. Esst leckeres Essen. Spaziert in der Sonne. Springt ins Meer. Sagt die Wahrheit und tragt euer Herz auf der Zunge.“

Reinhard war geflashed, weil das Zitat so gepasst hat in diesem Moment. Und deshalb hat er später zu mir gesagt: „Du hast mir in diesem Moment echt geholfen!“ Und ich habe geantwortet: „Vielleicht hast du deiner Mama ja auch geholfen ohne es zu merken. Einfach weil du bei ihr warst, ihr zugehört und die Hand gehalten hast.“ Darauf hat er gesagt: „Stimmt, vielleicht helfen wir - ohne es zu wissen - viel öfter als wir denken.“

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SWR3 Gedanken

17JAN2024
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Alleinsein – nur mit sich – das kann ganz schön hart sein. Ich meine jetzt richtig allein, also auch ohne Handy, Internet oder Buch.

 

Ein Spezialist in Sachen Alleinsein ist der Heilige Antonius aus Ägypten. Er war im 3. Jhdt einer der ersten Aussteiger. Als 20-jähriger hat er sich in die Wüste zurückgezogen und in einer Felsenhöhle gelebt.

Wie hart das gewesen sein muss, zeigen alte Bilder: Antonius, umringt von fiesen Dämonen, die an ihm zerren und ihn bedrängen. Sie stehen für Ängste und innere Kämpfe in der Einsamkeit. Aber irgendwann war Antonius an einem Punkt, da konnte ihm nichts mehr was anhaben. Ein Freund von ihm hat ihn so beschrieben: „Weder war er aus Gram missmutig geworden, noch vor Freude ausgelassen. Er war vielmehr ganz Ebenmaß und natürlich in seinem Verhalten.“

Antonius hat damals eine richtige Aussteiger-Welle losgetreten. Es wurde „in“, sich in die Wüste zurückzuziehen. Viele haben diese Aussteiger besucht und um Rat gefragt, weil sie weise waren, nur das nötigste gesprochen und niemanden weggeschickt oder dumm angemacht haben.

Das wünsche ich mir auch manchmal: In mir selbst ruhen, im Reinen sein mit den anderen und mir. Deswegen bin ich mal für ein paar Tage ins Kloster gegangen – ohne Handy und Buch. Am Anfang hab ich versucht, mich irgendwie zu zerstreuen. Und dann - erst als ich mich auf die Leere eingelassen habe, bin ich langsam mit mir selbst in Kontakt gekommen. Ich konnte darüber nachdenken, wie ich zu dem geworden bin, der ich heute bin. Und gleichzeitig kamen auch Fragen nach meiner Zukunft hoch. Das war sozusagen „Antonius light“: ein bisschen anstrengend schon - aber vor allem anregend.

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SWR3 Gedanken

16JAN2024
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Bei einem Workshop mit Leuten vom SWR hat die Referentin gesagt: „Der SWR wird immer mehr vom Sender zum Empfänger.“ Wir Teilnehmer müssen etwas ratlos geguckt haben, denn sie hat gleich erklärt: „Früher hat der SWR seine Sachen einfach im Radio oder im Fernsehen gesendet. Aber seit das Internet dazugekommen ist, können die Menschen auswählen. Und deshalb befragen wir heute unsere Hörerinnen und Zuschauer: Welche Themen interessieren euch? Wie möchtet ihr sie serviert bekommen: Podcast, Youtube-Clip oder lieber Insta-Post? Bevor wir senden empfangen wir erst mal die Meinungen unserer Zielgruppen. Und dadurch werden wir vom Sender zum Empfänger.“

Irgendwann hatte ich das schon mal gehört mit dem befragen – und plötzlich ist es mir eingefallen: Da sitzt der blinde Barthimäus am Stadtrand von Jericho. Und als Jesus mit seinen Fans an ihm vorübergeht, da schreit Barthimäus aus vollem Hals: „Jesus, hab Erbarmen mit mir!“ Und jetzt sagt Jesus nicht etwa: „Ah, ich weiß schon was du von mir willst. Du bist blind, also willst du wieder sehen können.“ Das wäre sendermäßig. Aber Jesus stellt dem Barthimäus erst mal eine Frage, und die ist entscheidend. „Was willst du, dass ich dir tue?“ Könnte ja sein, Barthimäus braucht Geld oder einen warmen Mantel oder seine Tochter ist krank.

Jesus macht hier vor, wie es eigentlich immer aussehen sollte, wenn wir jemandem ein Angebot machen oder helfen wollen: Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe, vom Sender zum Empfänger werden – genau wie der SWR.

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SWR3 Gedanken

15JAN2024
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Es gibt ja jetzt diese Handykameras mit der Funktion „beste Aufnahme“. Bei Gruppenfotos hält man einfach mehrmals drauf, und die Künstliche Intelligenz wählt dann die besten Gesichtsausdrücke aus. Die rechnet sie dann zu einem neuen Bild zusammen, auf dem alle ihr strahlendstes Lächeln zeigen. Hab ich mir auch schon gewünscht bei Familienfotos, auf denen die kids schlechte Laune hatten oder Grimassen geschnitten haben.

Aber eigentlich auch ein bisschen schade. Oft sind doch die vermeintlich missglückten Bilder gerade die, die was zu erzählen haben, und an die man sich noch lange erinnert. Zum Beispiel das alte schwarz-weiß Foto meiner Mutter mit ungewissem Blick. Kurz zuvor hatte sie erfahren, dass sie noch einmal überraschend schwanger geworden war. Oder mein Kumpel und ich: wir hocken frisch gekentert und pudelnass neben unserem vollgelaufenen Kanu – beide mit betröppelten Gesichtern. Das Foto zeigt vielleicht nicht unsere Schokoladenseite, aber ich weiß noch genau, wie ich mich damals gefühlt habe.

Und dazu sind Fotos ja auch gut: Sie halten Situationen fest, sie helfen mir beim Erinnern und bilden letztlich mein Leben ab. Und das besteht nicht nur aus Lächeln und guter Laune. Ich finde, das muss man sich immer wieder bewusst machen: Es gibt auch Phasen, da bin ich griesgrämig, verzweifelt, wütend oder nachdenklich. Die gehören einfach zum Leben dazu – nicht nur als Kontrastmittel für die Sternstunden, sondern einfach, weil das Leben so ist.

Die Funktion „Beste Aufnahme“ ist vielleicht manchmal ganz nützlich, aber vor allem ein neues Extra, um Handys besser verkaufen zu können. Zum Glück kann das echte Leben mehr als bloß Lächeln.

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SWR3 Gedanken

14JAN2024
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Auf social media ist mir eine Quizfrage begegnet, mit der ich so meine Schwierigkeiten hatte, obwohl ich eigentlich vom Fach bin. Es ging um eines der bekanntesten Kunstwerke: das Deckengemälde von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Dort ist Gott als alter Mann dargestellt, wie er den Arm zu Adam dem ersten Menschen hin ausstreckt. Auch Adam streckt ihm seine Hand entgegen. Und jetzt die Quizfrage: Berühren sich die Fingerspitzen der beiden oder nicht?

Ich war der Meinung, sie berühren sich ganz leicht, weil Michelangelo bestimmt ausdrücken wollte, dass Gott mit uns Menschen immer in Verbindung steht. War aber falsch. Gott hat den Zeigefinger voll ausgestreckt, aber Adam knickt ihn leicht hab, so dass sie sich nicht berühren.

In einem der Kommentare wurde erklärt warum, und das hat mir gut gefallen. Der Maler wollte wohl ausdrücken, dass Gottes Angebot immer steht. Wie eine Oberleitung  kann man ihn verlässlich anzapfen, ihn ansprechen oder anklagen, sich Energie holen oder ein gutes Gefühl. Aber, man muss auch was dafür tun. Zumindest den kleinen Finger nach ihm ausstrecken.

Ich mag diese Erklärung, weil Gott darin so unaufdringlich rüberkommt. Und genau so habe ich ihn bisher erlebt. Es gab Zeiten, da hab ich den Kontakt zu ihm fast verloren: hatte einfach andere Interessen, keinen Kopf fürs Beten und Frust mit der Kirche. Aber ich habe Gott auch schon ganz nah bei mir gespürt: in der Stille eines Klosters, mitten in der Natur, auf dem Zeltlager oder als meine Kinder geboren wurden.

Gott macht ein Angebot. Und ich kann zugreifen – oder auch nicht. Aber selbst dann ist er nur einen Fingerbreit von mir entfernt.

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SWR2 Lied zum Sonntag

14JAN2024
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Ein kleines Sonntagmorgen-Rätsel zum Mitraten: Was ist das? Es ist wie ein Fest nach langer Trauer, wie ein Feuer in der Nacht, wie ein offenes Tor in einer Mauer, wie ein Brief nach langem Schweigen. Während Sie noch ein bisschen nachdenken können, spiele ich die musikalische Version des Rätsels ein. Es ist nämlich die erste Strophe unseres heutigen Liedes zum Sonntag. 

 

Haben Sie es rausbekommen? Die Auflösung versteckt sich im Titel unseres Liedes. Es heißt „So ist Versöhnung“. Und so beginnt auch der Refrain, den wir gleich hören, wie gerade schon gesungen vom Textdichter selbst, von Jürgen Werth. Diese Aufnahme stammt von 2017. Komponiert hat er das Lied schon 1988 zusammen mit Johannes Nitsch. Damals wusste er noch nicht, dass es ein Klassiker unter den Neuen Geistlichen Liedern werden würde. 

 

Das Lied spart nicht mit blumigen Vergleichen. Versöhnung wird verglichen mit Regen in der Wüste, mit einem Schlüssel im Gefängnis, oder mit dem Frühling.

 

Aber vor dem schönen Erlebnis steht harte Arbeit, denn versöhnen geht nicht auf Knopfdruck. Versöhnen leitet sich ab von „versühnen“, und darin steckt das Wort Sühne. Sühne ist immer der Versuch, etwas wieder gut zu machen. Das kann nur gelingen, wenn ich etwas aufrichtig bereue, und wenn ich bereit bin, mein Verhalten auch wirklich zu verändern. Hören wir die zweite Strophe in der Urversion des Liedes, im typischen Sound der 80er Jahre mit viel Hall und Synthesizer-Klängen. 

 

In der zweiten Strophe wird deutlich, wie schwer Versöhnung zu erreichen ist. „Alte Feinde Hand in Hand“ – wie sehr wünsche ich mir das für alle Kriegsgebiete. Aber die Situation scheint verfahren. Hier wird deutlich, dass es für den wahren Frieden mehr braucht als unsere menschliche Anstrengung. Im Johannesevangelium sagt Jesus bei seiner Abschiedsrede zu den Jüngern: „Meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ (Joh 14,27). Dieser letzte Satz macht mir Mut, weiterhin für Frieden zu beten und zu singen, auf die Straße zu gehen, in Diskussionen meine Meinung zu sagen oder Friedensfähnchen aufzuhängen. Und natürlich alles dafür zu tun, dass der Frieden in meinem unmittelbaren Umfeld eine echte Chance hat. 

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SWR2 Wort zum Tag

06JAN2024
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Eine witzige Anekdote aus dem Kindergarten: Die Erzieherin fragt in die Runde, ob denn jemand weiß, welche drei Geschenke die heiligen drei Könige dem Jesuskind mitgebracht haben. Einige Kinder wissen, dass auf jeden Fall Gold dabei war. „Genau, Gold war dabei“, sagt die Erzieherin. Und sie erklärt gleich auch warum. Gold war das kostbarste, was die Menschen damals kannten. Und deshalb war es etwas Königliches – ein Geschenk von Königen für einen König. Denn die drei waren überzeugt: Jesus ist ein neuer, völlig anderer König für die ganze Welt.

Dann kündigt die Erzieherin an: „Jetzt wird´s schwieriger. Was haben die heiligen drei Könige denn noch mitgebracht?“ Die Kinder gucken ein bisschen ratlos, aber dann sagt Mia ganz stolz „Weihrauch“. Die Erzieherin ist beeindruckt und erklärt den Kindern erst mal, was das überhaupt ist. Und dass wenn man die Harzklümpchen anzündet, der Rauch aufsteigt, duftet und sich ausbreitet. Und deshalb war Weihrauch schon immer Zeichen für das Göttliche – nicht greifbar, aber doch überall präsent.

„Und wer kennt denn das dritte Geschenk der Könige?“, fragt die Erzieherin. Das weiß bestimmt niemand, denkt sie. Aber da hat sie die Rechnung ohne Jakob gemacht. Er sagt: „Ich weiß es: Möhren!“ Die Erzieherin muss aufpassen, dass sie nicht anfängt zu lachen. Und fast gleichzeitig erkennt sie, dass Jakob vom Wort her schon ganz nah dran war. Denn „Möhren“ und „Myrrhe“ klingt ja ziemlich ähnlich, ist aber leider etwas völlig anderes.

Myrrhe ist wie der Weihrauch auch ein Harz. In der Antike hat man Myrrhe als Medizin benutzt, um Wunden zu desinfizieren und zu heilen. Im Zusammenhang mit Jesus bedeutet es, dass er heilt, dass er rettet, und dass er erlöst. Spätestens wenn wir sterben und ins Reich Gottes eingehen, sollen wir erlöst werden von allem, was uns hier auf der Erde einschränkt, traurig oder wütend macht.

Im Gegensatz zu Myrrhe würden Möhren als Geschenk nur wenig hermachen. Aber vielleicht hat der Gedanke ja doch etwas, gerade weil Möhren so alltäglich sind. Was verbiegen wir uns, um passende Geschenke zu machen: zu teuer, zu anspruchslos, zu sperrig, zu aufwendig – ein gutes Geschenk zu machen ist ganz schön schwierig. Und wie oft liegen wir mit einem anspruchsvollen Geschenk dann doch daneben. Ich höre immer wieder, dass sich viele Menschen über Kleinigkeiten am meisten freuen: über geschenkte Zeit, Aufmerksamkeit, über einen selbstgebackenen Kuchen, über einen Gefallen im Haushalt oder im Garten.

Wenn dieser Tage die Sternsinger durch die Straßen laufen und Häuser und ihre Menschen segnen, dann tun sie eigentlich auch nichts anderes. Sie teilen das Alltägliche - das, was sie haben: ihre Zeit, ihre Stimmen, und ein bisschen Courage und Durchhaltevermögen bringen sie sicherlich auch mit. An manchen Türen werden die Kinder zwar weggeschickt, an den meisten aber freuen sich die Leute über den Segen, manche sind sogar zu Tränen gerührt.

Ein Hoch also auf die alltäglichen Geschenke. Und eigentlich passt so etwas Alltägliches wie Möhren doch sehr gut zu Jesus. Er ist ja auch nicht in einem Palast geboren, sondern in einem gewöhnlichen Stall. Die Hirten haben ihm wahrscheinlich auch von dem mitgebracht, was sie gerade da hatten: ein Fellchen, Milch oder etwas Selbstgeschnitztes. Und schließlich hat sich Jesus später auch viel lieber mit dem gewöhnlichen Volk umgeben als mit den Großkopfeten. Er war mit Fischern und Handwerkern unterwegs, nicht mit Politikern oder Großgrundbesitzern.

Die Anekdote aus dem Kindergarten zeigt mir zweierlei: Gold, Weihrauch und Myrrhe stehen für Jesus als einen, der königlich, göttlich und heilsam ist. Aber alltägliche Geschenke wie zum Beispiel Möhren passen mindestens genauso gut zu ihm – weil sie ganz einfach sind und von Herzen kommen.

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SWR2 Wort zum Tag

05JAN2024
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„Oh Mann, wie könnt ihr Katholischen denn nur so naiv sein. Wie soll sich im Gottesdienst denn bitteschön Brot in den Leib Christi verwandeln? Das ist doch alles Hokuspokus!“ Das hat ein Freund mir an den Kopf geworfen - in einer trinkseligen Kneipen-Runde. Nein, nicht der günstigste Zeitpunkt. Und ja – mit Hokuspokus hat es tatsächlich etwas zu tun, aber dazu später.

Meine Kumpels haben mich gespannt angeguckt und zum Glück ist mir die Geschichte mit meinem Verlobungsring eingefallen. Meine Frau und ich haben uns sehr spontan in Dublin in einem Pub verlobt. Es war so spontan, dass ich nicht einmal Ringe hatte. Die habe ich kurz und wild entschlossen in einem billigen Souvenirladen gekauft - für fünf Euro mit keltischem Muster drauf. Ich habe sie im Pub auf den Tisch gezaubert, meine Frau hat „ja“ gesagt, und dann gab´s ein Tablett Guinness für den ganzen Tisch, weil das in Irland so üblich ist.

Und jetzt kommt´s: Wahrscheinlich gibt es tausende von diesen Ringen, nach der Verlobung waren sie natürlich keinen Cent teurer als davor, und chemisch sind sie garantiert unverändert. Aber für meine Frau und mich sind die Ringe durch diesen Abend einzigartig und total wertvoll geworden. Kurz: sie haben sich verwandelt. Dann habe ich in die Runde meiner Kumpels gesagt: „So müsst ihr euch das auch mit dem Brot und der Wandlung im Gottesdienst vorstellen.“

Ach ja, und natürlich hat es mit „Hokuspokus“ zu tun. Das Wort stammt nämlich ursprünglich aus dem Wandlungsgebet des Priesters. Es sind die Worte, die Jesus beim letzten Abendmahl zu seinen Jüngerinnen und Jüngern gesagt hat: „Dies ist mein Leib“. Die Leute in der Kirche haben das früher nie so richtig verstanden, weil ihnen der Priester da noch den Rücken zugedreht hat, und weil alles auf Latein war. Und da heißt „Dies ist mein Leib“ „Hoc est enim Corpus meum“ – was ja wirklich ein ziemlicher Zungenbrecher ist. Kein Wunder also, dass der „Hokuspokus“ draus geworden ist.

Die Hostie im Gottesdienst ist also rein chemisch betrachtet völlig unverändert. Was sich verwandelt hat ist ihr Wesen. Jetzt steckt Jesus drin und möchte sich mit mir verbinden. Und das ist nicht durch Zauberei oder Magie passiert, sondern weil Gott die Menschen liebt. So wie bei den Ringen in Irland: Aus dem billigen Souvenir sind auf einmal unsere Verlobungsringe geworden - nur durch Liebe.

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