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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

25MAI2023
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Einem Menschen richtig zuhören – das ist ganz schön herausfordernd.

Klar, auf ein paar Dinge habe ich auch bisher schon geachtet. Dass ich zum Beispiel darauf verzichte, vorschnell „Kenne ich“ zu sagen, wenn mir jemand von sich erzählt. Ich will das Gespräch ja nicht auf mich lenken, sondern meinem Gegenüber genügend Raum lassen. So weit war ich schon.

Aber was ich schon normalerweise mache beim Zuhören: Dem anderen signalisieren, dass ich ihm folgen kann. Etwa mit einem „Ja, verstehe“ oder nur mit einem „Mhmmm“. Oder ich nicke, ändere meine Mimik – reagiere also ohne Worte auf das, was ich da höre.

Es gibt einen Psychotherapeuten, der schlägt vor, es radikal anders zu machen. Im so genannten „Zwiegespräch“ [Michael Lukas Moeller, Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch, Reinbek bei Hamburg 1990] erzählt der eine, wie es ihm gerade persönlich geht, – und der andere hört tatsächlich einfach nur zu. Reagiert also bewusst gar nicht, weder mit Worten noch irgendwie sonst. Und das nach Möglichkeit eine ganze Viertelstunde lang. Zu Beginn reichen natürlich auch schon mal fünf Minuten.

Meine Frau und ich haben das jetzt ein paar Mal ausprobiert. Für mich war es erst mal irritierend, auf diese Weise zuzuhören. Und ich bin mir richtig unhöflich vorgekommen, so gar nicht auf das Gehörte einzugehen. Weil ich es doch sonst ganz anders gewohnt bin.

Auch als wir die Rollen getauscht haben, musste ich erst mal warm werden mit der neuen Situation. Schon fünf Minuten sind ganz schön lang, wenn man sie völlig alleine füllen soll, durch überhaupt nichts unterbrochen wird. Gibt es so viel zu erzählen von mir, bin ich so wichtig? Ab und zu ist mir einfach nichts mehr eingefallen, so dass es plötzlich ganz still war.

… aber dann habe ich eben einfach gesagt, was ich gerade denke. So banal mir das erst mal vorkam. Und – auch das ist in Ordnung im Zwiegespräch. Mit der Zeit hat es sich ganz befreiend angefühlt, so viel Raum zu haben. Und mir ist immer mehr eingefallen. Ich konnte ganz bei mir sein – und mich gerade damit einem anderen Menschen zeigen.

Diese Erfahrung will ich auch anderen Menschen ermöglichen. Und ihnen noch mehr Raum lassen beim Zuhören. Mal sehen, was dann passiert.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

24MAI2023
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Seit einigen Monaten arbeite ich als Klinikseelsorger im Krankenhaus. Das heißt: An jedem Arbeitstag erlebe ich Menschen in ihrem Umgang mit Krankheit und Krise – Patienten und auch ihre Angehörigen. Ich bin da immer noch am Anfang, viele Erfahrungen fehlen mir bis jetzt. Aber eine Beobachtung mache ich immer wieder:

Es gibt Menschen, die richten ihre Aufmerksamkeit in der Krankheit stark nach außen – und suchen dort nach Halt. Sie fragen zum Beispiel sehr entschieden nach Untersuchungsergebnissen und Diagnosen, möchten alles ganz genau wissen. Manchmal fragen sie auch noch bei anderen Experten nach, hören sich im Bekanntenkreis um, recherchieren im Internet.

Das alles kann ich gut verstehen. Es ist auch wichtig, in einer Krankheit gut Bescheid zu wissen. Aber manchmal bekomme ich den Eindruck: Man kann sich da auch verlieren, rastlos werden vor lauter Recherche: „Habe ich auch nichts übersehen? Gibt es irgendwo noch eine wichtige Info? Eine neue Behandlungsmethode …“ Ja keine Chance fürs weitere Leben übersehen zu wollen, das kann zermürbend sein. Denn das, was von außen auf einen zukommt, ändert sich ja ständig wieder.

Und dann erlebe ich Menschen, die strahlen in aller Unsicherheit doch Ruhe aus. Die scheinen zu wissen, wer sie selber sind, was sie wollen, was sie noch grundsätzlich klären möchten. Auch ihnen macht die Krankheit zu schaffen, klar, auch für sie ist das eine Krise. Aber das Geschehen um sie herum fügt sich sozusagen ein in ihr bisheriges Leben, und sie gehen ihren persönlichen Weg mutig weiter.

Mich beeindruckt das. Und wenn ich solchen Menschen begegne, bringt mich das als Seelsorger auch selbst weiter. Ich spüre da Kraft von innen. Über die kommen wir oft auch ins Gespräch – und über die persönliche Lebenshaltung, den Glauben, die Zweifel. Und all das hat tiefe Bedeutung.

Zu sich selbst finden, zur eigenen Mitte, auch zu Gott – manchen Menschen gelingt das tatsächlich mitten in der Krankheit. Die kann ja ein Anlass sein, wichtige Dinge endlich anzugehen. Aber womöglich geht es ja auch vorher schon, ganz ohne äußere Krise. Ich will immer wieder fragen, was mir im Leben wichtig ist, wo ich hinwill. Dann bin ich besser vorbereitet, wenn sich Dinge um mich herum ändern. Und ich habe Kraft dafür.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

23MAI2023
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Zu unserer Familie gehört seit einiger Zeit auch eine Schildkröte. Immerhin 20 Jahre hat die schon auf ihrem Buckel – halb so viele wie ich. Und ich lerne ganz viel von diesem kleinen Geschöpf. Vor allem, wie Gelassenheit geht.

Ich kenne kaum ein anderes Tier, das sich so langsam bewegt wie unsere Schildkröte. Manchmal bleibt sie stundenlang reglos an derselben Stelle, komplett im Panzer oder den Kopf stur nach vorne gerichtet. Und wenn sie sich dann doch mal in Gang setzt mit ihren kleinen Beinchen, geht das atemberaubend langsam. Aber ihr Ziel hat sie fest im Blick, unsere Schildkröte. Und sie kommt hin. Auch mal über größere Hindernisse. Deshalb ist es wichtig, das Gehege gut zu sichern …

Ich wünsche mir das auch. Die Fähigkeit, mal ganz langsam zu machen, – und doch fest zu wissen: Nichts hält mich auf. Ich komme an mein Ziel. Vielleicht beginnt das ja damit, unsere Schildkröte mal länger zu beobachten. Mir auf diese Weise etwas abzuschauen von ihrer beharrlichen Kraft.

Und dann ist da noch etwas: Jedes Jahr irgendwann im Herbst bereitet sich unsere Schildkröte auf die Winterstarre vor. So warm die Sonnenstrahlen auch noch sind – sie spürt genau: Es ist Zeit, sich zurückzuziehen. Dann gräbt sie sich nach und nach ein. Im Zeitlupentempo, versteht sich, aber eben doch ganz zielstrebig. Sie fährt ihren Herzschlag, den Atem und alle Stoffwechselfunktionen ganz weit herunter, überlässt sich komplett dem Lauf der Natur. Und dann bleibt sie für viele Wochen und Monate völlig verschwunden.

Das von außen mitzuerleben, ist gar nicht so einfach. Uns fehlt da manchmal die Gelassenheit. Müssen wir noch was für sie tun? Ist es auch nicht zu kalt für sie da im Boden? Wacht sie wirklich wieder auf? Letztes Mal mussten wir sie auch noch umziehen mittendrin, in unseren neuen Garten. Aber dann, eines Tages im März, kam sie. Ganz selbstverständlich und gelassen.

Mit ihrer Lebenshaltung haben Schildkröten es weit gebracht. Schon vor den Dinosauriern gab es sie – und überlebt haben sie die auch. „Wenn ihr Ruhe bewahrt und Vertrauen habt, seid ihr stark.“ [Jesaja 30,15] Dieser alte Satz steht in der Bibel. Aber er könnte glatt auch von unserer Schildkröte kommen. Ein Rat, von ihr zu lernen, ist er auf jeden Fall. Zum Beispiel genau heute – am Weltschildkrötentag.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

22MAI2023
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Seit 50 Jahren gibt es in Deutschland die Sesamstraße. Immer dabei: die beiden Kult-Handpuppen Ernie und Bert. Mein absoluter Lieblings-Sketch mit den beiden, der zeigt so ganz nebenbei, wie man Probleme aus dem Weg räumen kann – oder eben nicht.

Ernie und Bert legen sich abends schlafen, wünschen sich Gute Nacht. Aber dann tropft der Wasserhahn – und Bert beschwert sich. „Ich bring’ das für dich in Ordnung“, verspricht Ernie. Und macht kurzerhand das Radio an – so dass der Wasserhahn nicht mehr zu hören ist. Bert ist spürbar unzufrieden mit dieser vermeintlichen Lösung. Schlafen kann er immer noch nicht – und meckert jetzt über das Radio. Woraufhin Ernie zuvorkommend auch noch den Staubsauger einschaltet. Der ist so ohrenbetäubend laut, dass er das Radio übertönt, und den Wasserhahn gleich mit dazu …

Ich schmunzle immer noch, wenn ich das anschaue. Und gleichzeitig fühle ich mich ertappt. Weil ich es mit echten Problemen manchmal ganz ähnlich mache wie Ernie. Ich übertöne das Problem, lenke ab und gehe der eigentlichen Ursache aus dem Weg. Damit verschiebe ich das Problem aber nur. Oder mache es sogar noch größer.

Zum Beispiel, wenn ich mit jemandem zusammenarbeiten soll, der vollkommen anders tickt als ich. Da passieren immer wieder anstrengende Missverständnisse, die uns beiden zu schaffen machen. Ich müsste den Mut aufbringen und die Ursache direkt ansprechen. Stattdessen mache ich lieber das Radio an und den Staubsauger – schimpfe innerlich über mein Gegenüber oder gehe ihm einfach aus dem Weg. Stattdessen sollte ich lieber das Problem an der Wurzel packen. „Lasst unter euch nicht eine Wurzel aufwachsen, die Gift und Bitterkeit hervorbringt“, heißt es mal in der Bibel [5. Mose 29,17b; Luther-Übersetzung, angepasst].

Der Sesamstraßen-Sketch mit Ernie und Bert hilft mir, das immer wieder zu tun. Und auch genügend Humor zu haben, wenn ich doch mal wieder andere Lösungen versuche. Manchmal steckt das eigentliche Problem ja einfach zu tief – oder man will einfach nicht ran im Moment.

Übrigens schafft es am Schluss auch der vernünftige Bert nicht, für Ruhe zu sorgen. Als er Staubsauger, Radio und Wasserhahn gewissenhaft abgestellt hat, ist Ernie eingeschlafen – und schnarcht.

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Anstöße sonn- und feiertags

21MAI2023
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„Haben Sie Kinder?“ Früher habe ich gedacht, das lässt sich ganz leicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Entweder hat man doch Kinder oder eben nicht.

Aber mir begegnen auch immer wieder Menschen, die kommen bei dieser Frage ins Stocken und zögern. Weil die Antwort nicht ganz so einfach ist.

Ich denke zum Beispiel an Eltern, die ein Kind verloren haben. Und immer noch mit der Erinnerung leben, mit der Trauer und vielen anderen Gefühlen. Andere haben den Kontakt zu ihren Kindern verloren, innerlich oder vielleicht sogar komplett. Egal, welche Gründe das hat und von wem das ausging, – auch sie sind doch nach wie vor Eltern und haben Kinder.

Und umgekehrt gibt es ja viele Menschen, die keine leiblichen Kinder haben, aber trotzdem für andere Kinder da sind. Wer ein Kind adoptiert hat, zum Beispiel, ist sogar vor dem Gesetz Mutter oder Vater, ohne Einschränkung. Und zugleich bleibt da vielleicht ein alter Schmerz. Auch in Patchworkfamilien leben Menschen eng mit neuen Kindern zusammen. Pflegeeltern kümmern sich übergangsweise um Kinder, manchmal nur wenige Tage oder Wochen lang, manchmal für viele Jahre. Sie „haben“ Kinder, und müssen gleichzeitig mit dem Gefühl klarkommen, dass es nur auf Zeit sein könnte. Und dann sind da noch Menschen, die rein beruflich mit Kindern zu tun haben – und denen man eine Berufung dafür abspürt. Erzieher im Kindergarten zum Beispiel, oder Lehrerinnen, auch Ärztinnen oder Sachbearbeiter. Auch sie alle haben doch auf ihre Weise Kinder.

„Haben Sie Kinder?“ Heute glaube ich, dass es da viele Antworten dazwischen gibt. Weil das Leben ganz verschiedene Geschichten schreibt.

Die Antwort kann auch lauten: „Ja – ich habe ein Patenkind.“ Und ich kenne ganz viele Beispiele für tolle enge Beziehungen zwischen Paten und ihren Patenkindern. Auch eine ganz „normale“ Tante oder ein Großonkel können für Kinder wichtig sein – auch wenn sie vielleicht offiziell als „kinderlos“ gelten. In meiner Familie gibt es gleich mehrere solche Menschen.

Auch leiblichen Eltern sind ihre Kinder ja immer nur auf Zeit anvertraut. Deshalb finde ich es gut, dass ich nicht alleine für meine Kinder da bin.

Statt „Haben Sie Kinder?“ frage ich heute meistens lieber: „Welche Menschen gehören zu Ihnen?“ Und bin dann gespannt, ob auch Kinder genannt werden.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

18MRZ2023
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Manchmal klingen komplizierte Zusammenhänge ganz klar und einfach. Zum Beispiel, wenn Eltern über die Lehrkräfte ihrer Kinder sprechen: „Die denken sich doch gar nicht richtig in die Schüler rein.“ – „Die wissen halt nicht, was im Familienalltag so los ist.“ – „Und selbst haben sie wochenlang Ferien.“

… und umgekehrt fallen im Lehrerzimmer oft ähnlich deutliche Aussagen: „Die Eltern tragen ihren Kindern doch alles hinterher.“ – „Die kommen ihrem Erziehungsauftrag nicht nach.“ – „Kein Wunder, dass die Leistungsbereitschaft so zurückgegangen ist.“

Ich habe schon auf beiden Seiten gestanden, all diese Sätze mitgehört. Und immer wieder ertappe ich mich dann dabei, betreten-bestätigend zu nicken – oder sogar mit einzustimmen in die Beschwerdeflut. Weil mir natürlich immer irgendwelche passenden Beispiele und Erfahrungen einfallen. Und weil es halt so einleuchtend und logisch klingt, wenn nur eine Perspektive zu bedenken ist.

Aber in Wirklichkeit ist es eben viel komplizierter. Das merkt man, wenn man die eigene, einseitige Sicht mal verlässt. Es gibt eben weder „die Lehrer“ noch „die Eltern“. Die allermeisten Beteiligten kommen ihren Aufgaben richtig gut nach, sie stehen aber auch vor gewaltigen Herausforderungen.

So richtig deutlich wird das wohl erst, wenn die verschiedenen Seiten persönlich ins Gespräch miteinander kommen. Zum Beispiel bei einem Elternabend, im Rahmen der Schulkonferenz, über ein gezielt vereinbartes Treffen. Oder man läuft sich zufällig über den Weg und fragt spontan nach.

Auch Jesus hat dafür gesorgt, dass Menschen eine andere Perspektive kennengelernt haben. Er hat immer wieder ganz verschiedene Leute an seinen Tisch eingeladen. Dort haben sie gemeinsam gegessen, Gastfreundschaft erfahren. Und gleichzeitig sind sie sich auf einer neuen Ebene begegnet. Das hat grundlegend was verändert und in Bewegung gesetzt.

Bei Lehrerinnen, Lehrern, Eltern kann das vielleicht so aussehen, dass sie sich wirklich füreinander interessieren. Und auf diese Weise mitbekommen, dass zur Begleitung der Kinder im Unterricht und zu Hause eben noch viel mehr gehört als man von außen sieht. Und Wege finden, sich dabei gegenseitig wertzuschätzen und zu helfen. Dann ist aus dem Übereinander ein Miteinander geworden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37279
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18MRZ2023
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Manchmal klingen komplizierte Zusammenhänge ganz klar und einfach. Zum Beispiel, wenn Eltern über die Lehrkräfte ihrer Kinder sprechen: „Die denken sich doch gar nicht richtig in die Schüler rein.“ – „Die wissen halt nicht, was im Familienalltag so los ist.“ – „Und selbst haben sie wochenlang Ferien.“

… und umgekehrt fallen im Lehrerzimmer oft ähnlich deutliche Aussagen: „Die Eltern tragen ihren Kindern doch alles hinterher.“ – „Die kommen ihrem Erziehungsauftrag nicht nach.“ – „Kein Wunder, dass die Leistungsbereitschaft so zurückgegangen ist.“

Ich habe schon auf beiden Seiten gestanden, all diese Sätze mitgehört. Und immer wieder ertappe ich mich dann dabei, betreten-bestätigend zu nicken – oder sogar mit einzustimmen in die Beschwerdeflut. Weil mir natürlich immer irgendwelche passenden Beispiele und Erfahrungen einfallen. Und weil es halt so einleuchtend und logisch klingt, wenn nur eine Perspektive zu bedenken ist.

Aber in Wirklichkeit ist es eben viel komplizierter. Das merkt man, wenn man die eigene, einseitige Sicht mal verlässt. Es gibt eben weder „die Lehrer“ noch „die Eltern“. Die allermeisten Beteiligten kommen ihren Aufgaben richtig gut nach, sie stehen aber auch vor gewaltigen Herausforderungen.

So richtig deutlich wird das wohl erst, wenn die verschiedenen Seiten persönlich ins Gespräch miteinander kommen. Zum Beispiel bei einem Elternabend, im Rahmen der Schulkonferenz, über ein gezielt vereinbartes Treffen. Oder man läuft sich zufällig über den Weg und fragt spontan nach.

Auch Jesus hat dafür gesorgt, dass Menschen eine andere Perspektive kennengelernt haben. Er hat immer wieder ganz verschiedene Leute an seinen Tisch eingeladen. Dort haben sie gemeinsam gegessen, Gastfreundschaft erfahren. Und gleichzeitig sind sie sich auf einer neuen Ebene begegnet. Das hat grundlegend was verändert und in Bewegung gesetzt.

Bei Lehrerinnen, Lehrern, Eltern kann das vielleicht so aussehen, dass sie sich wirklich füreinander interessieren. Und auf diese Weise mitbekommen, dass zur Begleitung der Kinder im Unterricht und zu Hause eben noch viel mehr gehört als man von außen sieht. Und Wege finden, sich dabei gegenseitig wertzuschätzen und zu helfen. Dann ist aus dem Übereinander ein Miteinander geworden.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17MRZ2023
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Kinder werden groß. Nach und nach werden sie immer selbstständiger. Das braucht aber auch seine Zeit. Und manchmal ist es nicht leicht, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

„Ich will nicht ins Schullandheim!“ Für unsere älteste Tochter war das klar – letztes Schuljahr in der vierten Klasse. Die Aussicht, mehrere Tage lang ganz woanders zu sein, dort auch noch zu übernachten, hat sie spürbar überfordert. Ein bisschen haben da vielleicht auch noch die Umstände ihrer Geburt eine Rolle gespielt. Damals musste sie gleich weg von Mama und Papa, wurde ein paar Tage lang getrennt von uns versorgt. Es ging nicht anders damals – die Entscheidung lag nicht in unserer Hand.

In Corona-Zeiten ist aus der Schullandheim-Unternehmung dann sowieso nichts mehr geworden. Unserer Tochter kam das natürlich gerade recht. Und auch wir Eltern haben gedacht: Vielleicht ist es jetzt erst mal besser so. Aber – ein bisschen Sorge hatten wir schon: Wie soll das dann erst nächstes Schuljahr werden, in der weiterführenden Schule und einer völlig neu zusammengesetzten fünften Klasse? Geht es dann nicht erst recht schief? Beim allerersten Elternabend hieß es tatsächlich gleich, schon bald gehe es für drei Tage zusammen weg … Wieder lag es nicht in der Hand von uns Eltern, was daraus werden würde.

Und dann – wurde alles ganz, ganz toll. Die neuen Klassenlehrerinnen hat unsere Tochter rasch ins Herz geschlossen. Und sie hat sofort Freundinnen gefunden. Schon Wochen vor der Abfahrt war klar: Wir gehen gemeinsam in ein Sechserzimmer! Diese Gemeinschaft hat ihr Sicherheit gegeben. Und aus der einstigen Angst wurden Vorfreude und Abenteuerlust. Am Schluss war sie es dann, die ihre beiden kleinen Geschwister getröstet hat – die hatten nämlich deutlich mehr zu knabbern an der Trennung … Von mir als Papa hat sie sich in der Bahnhofshalle zügig verabschiedet. Und während der drei Tage hat sie sich nur einmal ganz kurz gemeldet bei uns.

Das hat mich sehr berührt. Unsere Tochter wird groß, habe ich da gespürt. Und selbstbewusst, eigenständig. Mehr und mehr Wege kann sie jetzt allein gehen. In nicht mal einem Jahr ist ganz viel passiert. Und vielleicht ist es ja manchmal auch besser, den Dingen ihren Lauf zu lassen – und Kindern Zeit für ihre persönliche Entwicklung. Ganz viel haben wir Eltern sowieso nicht in der Hand. Das tut jemand Größeres, Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37278
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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17MRZ2023
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Kinder werden groß. Nach und nach werden sie immer selbstständiger. Das braucht aber auch seine Zeit. Und manchmal ist es nicht leicht, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

„Ich will nicht ins Schullandheim!“ Für unsere älteste Tochter war das klar – letztes Schuljahr in der vierten Klasse. Die Aussicht, mehrere Tage lang ganz woanders zu sein, dort auch noch zu übernachten, hat sie spürbar überfordert. Ein bisschen haben da vielleicht auch noch die Umstände ihrer Geburt eine Rolle gespielt. Damals musste sie gleich weg von Mama und Papa, wurde ein paar Tage lang getrennt von uns versorgt. Es ging nicht anders damals – die Entscheidung lag nicht in unserer Hand.

In Corona-Zeiten ist aus der Schullandheim-Unternehmung dann sowieso nichts mehr geworden. Unserer Tochter kam das natürlich gerade recht. Und auch wir Eltern haben gedacht: Vielleicht ist es jetzt erst mal besser so. Aber – ein bisschen Sorge hatten wir schon: Wie soll das dann erst nächstes Schuljahr werden, in der weiterführenden Schule und einer völlig neu zusammengesetzten fünften Klasse? Geht es dann nicht erst recht schief? Beim allerersten Elternabend hieß es tatsächlich gleich, schon bald gehe es für drei Tage zusammen weg … Wieder lag es nicht in der Hand von uns Eltern, was daraus werden würde.

Und dann – wurde alles ganz, ganz toll. Die neuen Klassenlehrerinnen hat unsere Tochter rasch ins Herz geschlossen. Und sie hat sofort Freundinnen gefunden. Schon Wochen vor der Abfahrt war klar: Wir gehen gemeinsam in ein Sechserzimmer! Diese Gemeinschaft hat ihr Sicherheit gegeben. Und aus der einstigen Angst wurden Vorfreude und Abenteuerlust. Am Schluss war sie es dann, die ihre beiden kleinen Geschwister getröstet hat – die hatten nämlich deutlich mehr zu knabbern an der Trennung … Von mir als Papa hat sie sich in der Bahnhofshalle zügig verabschiedet. Und während der drei Tage hat sie sich nur einmal ganz kurz gemeldet bei uns.

Das hat mich sehr berührt. Unsere Tochter wird groß, habe ich da gespürt. Und selbstbewusst, eigenständig. Mehr und mehr Wege kann sie jetzt allein gehen. In nicht mal einem Jahr ist ganz viel passiert. Und vielleicht ist es ja manchmal auch besser, den Dingen ihren Lauf zu lassen – und Kindern Zeit für ihre persönliche Entwicklung. Ganz viel haben wir Eltern sowieso nicht in der Hand. Das tut jemand Größeres, Gott sei Dank.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37272
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

16MRZ2023
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„Meine Kinder machen mich glücklich! Sie geben mir so viel zurück. Mehr brauche ich gar nicht.“ Immer wieder höre ich das Eltern sagen, so oder so ähnlich. Ich spüre dann ganz viel Freude in ihren Erzählungen. Und klar, als Vater kann ich das nachvollziehen, wie man so empfinden kann. Ich selbst kenne auch Momente, in denen ich das Gefühl habe: Die drei kleinen Wunderwerke unter unserem Dach – allein für die schon ergibt mein Leben Sinn, jede Anstrengung lohnt sich dafür.

Und zugleich denke ich: Es darf nicht von vornherein die Aufgabe von Kindern sein, ihre Eltern glücklich zu machen. Sie sollen in ihr eigenes Leben hineinfinden, ihren Weg in Freiheit gehen. Das geht aber nicht, wenn sie gleichzeitig Erwartungen ihrer Eltern erfüllen sollen. Auch wenn sich das nur unbewusst abspielt. Kinder spüren das ja trotzdem, haben eine feine Antenne dafür.

Besonders schwierig wird es, wenn Kinder persönliche Krisen ihrer Eltern ausgleichen sollen. Sie sozusagen aufmuntern müssen, weil doch sonst vieles so schwer ist im Leben. Dieser Auftrag überfordert Kinder in jedem Fall. Daran können sie schwer leiden, auch später noch als Erwachsene.

„Kinder sind eine Gabe des Herrn“, heißt es mal in der Bibel [Psalm 127,3]. Für mich heißt das: Kinder anvertraut zu bekommen, das ist ein Geschenk Gottes. Und ein Geschenk kann ich niemals einfordern oder als selbstverständlich voraussetzen. Es kommt sozusagen als Extra noch obendrauf, aus purer Liebe. Und daran kann und soll ich mich freuen.

Für mein Lebensglück jedoch sind meine Kinder nicht verantwortlich. Und auch kein anderer noch so wichtiger Mensch. Dazu muss ich schon selbst finden, anstatt andere mit meinen Vorstellungen und Erwartungen zu überfordern.

Dieser Weg ist vielleicht länger und schwieriger. Aber wenn er mir gelingt, bin ich ja auch selbst viel freier. Dann habe ich ein festes Fundament – und kann um so fröhlicher mit anderen das Leben teilen. Zum Beispiel mit meinen Kindern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37277
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