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05APR2024
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Neulich habe ich einen Anruf bekommen – geschäftlich, wegen irgendeiner Lieferung. Da sagt mein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung plötzlich ganz überrascht: „Ich kenne Ihre Stimme!“ Und es stellt sich heraus, dass er abends regelmäßig Radio hört. Und meine Stimme ist ihm tatsächlich aus den Abendandachten von SWR 4 vertraut. Schnell kommen wir miteinander ins Gespräch; vielleicht auch deshalb, weil ich durch die Verkündigungssendung im Radio keine ganz Fremde für ihn bin.

Obwohl sehr viele Menschen bei unseren Radioandachten schon lange gerne zuhören, habe ich früher gedacht: Eine Stimme aus dem Radio bleibt doch viel unpersönlicher, als die echten Begegnungen in der Kirchengemeinde. Aber dann kam Corona, und in dieser Zeit haben sogar noch mehr Menschen die christliche Verkündigung in Radio und Fernsehen schätzen gelernt. Begegnungen in der Gemeinde waren damals mit einem Schlag nicht mehr möglich, da waren sie eine gute Alternative. Nicht wenigen hat das Zuhören am Radio das Gefühl gegeben, in einer großen Gemeinschaft verbunden zu sein.

Während Corona gab es deshalb auch mehr Fernsehgottesdienste. Auch aus unserer Ingelheimer Saalkirche. Es war eine enorme Leistung für das Team aus Pfarrerinnen, Pfarrern, Musikerinnen und Musikern, so oft einen Fernsehgottesdienst auf die Beine zu stellen. Für das Publikum war es schön, vertraute Gesichter zu sehen, bekannte Stimmen zu hören und den Raum, den sie nun schon gekannt haben, wieder zu erleben – ein Stückchen Heimat, egal, wie weit weg sie auch gewohnt haben. Ich habe damals manchmal im Telefonteam mitgeholfen, das Anrufe nach dem Gottesdienst entgegennimmt. Dann haben mir die Menschen erzählt, wie gut es ihnen getan hat, mit dem, was sie da gehört und gesehen haben, schon vertraut zu sein.

„Ekhn2030“ nennt sich das Programm, mit dem unsere Landeskirche gerade reagiert auf den Rückgang der Kirchenmitgliederzahlen und auf den Fachkräftemangel, den es auch bei der evangelischen Kirche gibt. Kirchengemeinden werden zusammengefasst, Pfarrerinnen und Pfarrer bilden Teams, die in einer sogenannten Nachbarschaft arbeitsteilig Dienst tun und nicht mehr nur auf eine Gemeinde bezogen arbeiten. Es sind gute Ideen dabei – es gibt aber auch Ängste:  Habe ich dann noch „meine“ Gemeinde, wenn ich nicht mehr jeden Sonntag „meine Pfarrerin“ in „meiner Kirche“ erlebe.

„Der Glaube kommt durch’s Hören“. Das wusste schon der Apostel Paulus. Vermutlich wird es in Zukunft noch wichtiger, die frohe Botschaft von Jesus Christus vor allem zu hören und zu lernen, dass ich dabei beweglich sein kann und weniger ortsgebunden und trotzdem mit Vertrautem tief verbunden.

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04APR2024
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Eigentlich will ich Worte wie „Wasserschaden“ „Kabelbruch“ oder „Materiallieferschwierigkeiten“ nicht mehr hören. Ich war Pfarrerin einer Gemeinde mit Kirche, Gemeindehaus, Pfarrhaus und noch einigem mehr, um das ich mich an Gebäuden zu kümmern hatte und habe einige Erfahrung mit ärgerlichen Schäden und Komplikationen auf Baustellen. Aber ich habe auch von einer ganz besonders schönen Erfahrung zu erzählen: Ich habe Frau Korn kennengelernt, die sich von Berufs wegen um Versicherungsfälle kümmert. Und das macht sie so großartig, dass mich das schon fast wieder mit dem Schaden, für den Sie zuständig war und mit allem Ärger drumherum versöhnt hat. Frau Korn hatte einfach alles im Griff. Immer. Wann immer auf der Baustelle etwas schiefgelaufen war: Ein Anruf genügte, und Frau Korn hat sich gekümmert. Ganz unaufgeregt, immer freundlich, und sofort. Sätze wie: „Dafür sind wir nicht zuständig.“  Oder: „Wir haben grad keine Kapazitäten frei.“ Habe ich von ihr nie zu hören bekommen. Frau Korn hat alles geregelt, sobald sie es auf den Tisch bekommen hat.

Wie gut, dass ich mit meinen Sorgen rund um den Versicherungsschaden zu ihr gehen konnte. Und wenn mich größere und persönliche Sorgen umtreiben, dann stelle ich mir vor, dass es beim lieben Gott genau so ist, wie bei Frau Korn. In der Bibel heißt es einmal: „Alle eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5,7) wie bei der zuverlässigen und freundlichen Frau Korn – nur, dass ich auf Gott die wirklich großen Sorgen werfen darf. Und damit ist nicht gemeint, dass ich mich um nichts mehr selber kümmern soll. Im Gegenteil: Mir Sorgen machen – ja. Verantwortung übernehmen. Aufmerksam sein. – Unbedingt. Aber mit der Grundhaltung, dass ich mich von den Sorgen nicht beherrschen lasse, weil es einen gibt, der für mich und meine Sorgen zuständig ist.

Wenn ich mit meinen Sorgen zu Gott komme, dann ist das so wie bei Frau Korn und dem Versicherungsschaden: Gott schaut mit mir zusammen hin, wie wir das geregelt kriegen. Bei ihm kann ich stöhnen, seufzen, schimpfen, verzweifelt sein oder am Ende mit meinem Latein. Manchmal löst sich der Sorgenknoten schon ein wenig in demselben Moment, in dem ich auf Gott werfe, was mich bedrückt. Weil ich weiß: Ihr Sorgen, ihr habt bei mir nicht das letzte Wort! Denn für meine Sorgen, da ist Gott zuständig.

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03APR2024
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Meine Freundin Helga hat Tagebuch geschrieben in der Zeit, in der sie ihre demenzkranke Mutter gepflegt hat. Sie hat gemerkt, dass es ihr hilft, wenn sie Erlebtes festhält. So ein Tagebuch ist geduldig. Es nimmt alles auf ohne Zensur, ohne Vorwürfe, ohne Besserwisserei, ohne die Augen zu verdrehen. Menschliche Zuhörer kriegen das selten hin, zumal bei einem so schwierigen Thema: der Pflege eines Menschen. Und deshalb hat es Helga wohl auch so gutgetan, sich oft abends von der Seele zu schreiben, was sie in der Zeit der anstrengenden Pflege erlebt hat mit ihrer Mutter.

„Am Anfang war es besonders schwer, denn meine Mutter hat selbst oft mitbekommen, dass sie dement wird, und dann war sie sehr traurig und ich gleich mit.“ Hat Helga mir erzählt und dass sie dann angefangen hat, alles aufzuschreiben: Die immer neuen Herausforderungen, vor denen sie gestanden hat – und ihre Mutter genauso.

An manchen Tagen waren es nur ein paar Sätze. An anderen ganze Geschichten, die sie mit ihrer Mutter erlebt hat. Schon nach kurzer Zeit hatte Helga das Gefühl, mit der Pflege überfordert zu sein. Im Rückblick findet sie aber auch Tagebucheinträge, die zeigen, dass sie mit manchem gut zurechtgekommen sind. Helga kann rückblickend lesen, wie sie zusammen ihren Alltag doch gemeistert haben – und wie ihre Mutter mehr und mehr ihre Angst und Traurigkeit verloren hat. Ihren Humor hat sie dafür lange behalten.

„Manchmal war sie neugierig wie ein kleines Kind, das sich die Welt erklären lässt“, sagt Helga. Und muss kichern, als sie erzählt, wie sie beide einmal neben einer älteren Frau im Bus gesessen haben. Helgas Mutter hatte die Frau genau gemustert und dann laut verkündet: „Wenn man einen faltigen Hals bekommt, muss man einen Schal tragen“. Helga war das furchtbar peinlich gewesen – ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter, der damals schon längst nichts mehr peinlich war, weil auch Schamgefühl etwas ist, was manche Menschen verlieren, wenn sie dement werden.

Ich habe große Achtung vor Helga, die sich dieser schweren Aufgabe gestellt hat und sie so wunderbar gemeistert hat. Auch dank des Tagebuchs, dem sie all ihre Erschöpfung und Mühe immer wieder hat anvertrauen können und bei dem sie oft am Abend hat abladen können, was schwer war. Heute hilft ihr das Notierte aus der Zeit auch dabei, sich liebevoll an ihre Mutter zu erinnern und an diese intensive gemeinsame Zeit. Und es hilft Helga, sich gut zu verabschieden.

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02APR2024
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Es war bei einem Trauergespräch. Ich war als Pfarrerin bei einer jungen Frau, um die Beerdigung ihrer Mutter vorzubereiten. Und da hat die Frau zu mir gesagt: „Meine Mama ist gestorben, aber ich weiß, es geht ihr gut. Das hat sie mir selbst gesagt.“ Mit dem Satz hat sie mich damit total verblüfft.

Gerade haben wir Ostern gefeiert, und im Gottesdienst in der Kirche haben wir gerufen: „Christus ist von den Toten auferstanden!“ Und ich denke an die junge Frau, die mir eine ganz persönliche Ostergeschichte erzählt hatte, als sie sich von ihrer Mutter verabschieden musste. Die Verstorbene hat ein hohes Alter erreicht, und ihre Tochter hatte eine innige Beziehung zu ihr. Zuletzt hat die alte Dame in einem Wohnheim gut betreut gewohnt, und ihre Tochter ist immer samstags zu ihr gekommen. Dann haben die beiden Zeit miteinander verbracht, haben miteinander gefrühstückt und zusammen Wintersport im Fernsehen angeschaut. Aber irgendwann hat das Interesse daran bei der Mutter nachgelassen. Und die Tochter hat gewusst, dass sich ihre Mutter zu verabschieden begonnen hatte. Sie war also vorbereitet auf den Anruf aus dem Pflegeheim: „Ihre Mutter ist heute Nacht im Schlaf gestorben.“ So traurig sie das gemacht hat, war die Tochter doch sicher, dass ihre Mutter dazu bereit gewesen war.

Und trotzdem: Die beiden waren so eng miteinander verbunden, dass die Tochter manchmal für einen Moment vergisst, dass ihre Mutter nicht mehr da ist. Immer wieder greift sie noch ganz automatisch zum Telefon – hat die Nummer schon halb gewählt bis sie begreift, dass da am anderen Ende ja niemand mehr ans Telefon gehen wird. „Es ist so, als ob ich es jeden Tag neu lernen muss zu verstehen“, hat mir die Tochter gesagt. Und dann hat sie mir erzählt, dass sie ihrer Mutter im Traum begegnet ist. Und dass die Mutter ihr deutlich gesagt hat, dass es ihr jetzt gut geht.

Ist das nur ein frommer Wunsch? Hat die Tochter nur das geträumt, was sie hören will? Oder spiegelt der Traum tatsächlich das wider, was die Mutter unverbrüchlich geglaubt hat? Und was sie ihrer Tochter mitgeben wollte?

Man kann das so und so sehen. Ich jedenfalls kenne solche Träume auch und weiß, wie tröstlich sie sein können. Was da genau passiert, kann ich nicht erklären. Aber ich erfahre Hoffnung, und die ist echt. Genau wie bei den Hoffnungserfahrungen, wie sie die Bibel in den Ostergeschichten erzählt:

„Meine Mama ist gestorben, aber ich weiß, es geht ihr gut. Das hat sie mir selbst gesagt.“

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28MRZ2024
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"Mit dem Medienkonsum sind wir in einem Dauerrausch", das meint Stefan, ein Kollege von mir in der Schule. Wir sitzen im Lehrerzimmer, tauschen uns aus, bevor der Unterricht startet. Das mit dem Dauerrausch und dem Medienkonsum kann er nicht beweisen. Trotzdem beschäftigt mich seine Aussage. In meinem Umfeld fällt es vielen schwer, Stille zu ertragen – es ein paar Augenblicke auszuhalten, dass Nichts ist. Kein Geräusch, keine Aktion, keine Musik – einfach Stille.

Deshalb habe ich eine Idee – wie wäre es, wenn ich mit meinen Schülerinnen und Schülern in der elften Klasse Stille übe? Wenn wir uns treffen und es einfach ausprobieren: Eine Minute still sein, bevor der Unterricht anfängt.

Ich denke, dass ich Stille üben muss, bevor ich mich auf sie einlassen kann. Denn in der Stille bin ich mit mir und meinen Gedanken, Gefühlen und allem alleine. Nur ich – ohne Ablenkung. Das kann Angst machen, mancher meiner Schülerinnen und Schüler kann damit vielleicht nicht umgehen. Sie sind die Dauerberieselung gewohnt – gewohnt, dass etwas passiert, auch wenn sie nur passiv auf das Handy schauen, scrollen und so ihre Glücksgefühle pushen.

Doch wenn ich schweige und sich die Stille nicht wie ein schwerer Mantel im Raum ausbreitet, sondern eher wie ein lieblicher Duft anfühlt, tut das gut. Ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen – komme auf andere Ideen und vielleicht kann ich so Dinge loslassen und abgeben, die ich mit mir herumtrage.

Ein paar Momente Stille, einfach nichts. Nur ich und meine Gedanken – vielleicht ein Gebet. So komme ich näher zu mir und zu Gott – indem ich in der Stille höre, was mein Herz mir sagt – meine innere Stimme. Eine Übung die sich lohnt.

Woche für Woche schweigen wir jetzt in der Klasse ein bisschen länger. Wir beginnen mit einer Minute. Jede Woche kommen dann fünf Sekunden dazu. Meine Klasse ist so motiviert, dass sie sich vornehmen, am Ende des Schuljahres fünf Minuten Stille auszuhalten. Ich bin gespannt wie das wird und welche Erfahrungen jeder und jede Einzelne mit der Stille macht.

Schon jetzt merke ich: Meiner Klasse tut das gut. Nicht nur vor Klausuren in der Schule. Sondern auch vor einem wichtigen Gespräch. Oder einfach so im Alltag. Weil ich so ein Stück mehr bei mir ankommen kann. Ohne Ablenkung.

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27MRZ2024
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Wenn ich zwischendurch mal Zeit habe, scrolle ich gerne durch die Sozialen Medien. Da schaue ich mir oftmals kurze witzige Videos an, in denen Leute Quatsch erzählen, etwas Lustiges passiert oder jemand auch mal seinen Standpunkt erklärt. Den eigenen Standpunkt deutlich zu machen – dafür gibt es sogar eine Abkürzung in den Sozialen Medien: POV – point of view, also die eigene Sicht.

Leute zeigen ihre eigene Sicht auf die Welt. Wenn sie von ihrer Arbeit erzählen. Wenn sie Stellung zu einem Thema beziehen oder von ihrem Leben berichten. Jeder und jede hat eine eigene Sicht auf die Welt. Je nachdem, was er oder sie erlebt hat, wie die Gefühlslage ist und wie man aufgewachsen ist. All das beeinflusst meinen eigenen POV.

Es ist wichtig, dass ich mir meine Sicht auf die Dinge klarmache. Eben welche Einstellungen ich in mir trage und mit welcher Haltung ich der Welt und dem Leben begegne.

Und deshalb finde ich es richtig toll, dass das Thema POV dieses Jahr auch in den Kirchen aufgegriffen wird. Jedes Jahr gibt es in vielen katholischen und evangelischen Kirchen Jugendliche, die sich vor Ostern treffen, um sich mit Jesus und den letzten Stunden vor seinem Tod zu befassen: der ökumenische Jugendkreuzweg. Dies ist ein Angebot der beiden großen christlichen Kirchen hier in Deutschland.

Die Jugendlichen erfahren, dass sich ihre Haltung bezüglich Jesus und dem Glauben immer weiter entwickelt. Dass alle mit ihrem eigenen Glauben unterwegs sind. Jeder hat eben eine eigene Perspektive. Einen eigenen POV, den alle mit einbringen. Das bereichert die Gemeinschaft, weil sich jeder und jede mit einbringen kann. All diese verschiedenen Facetten des Glaubens gehören zum Gesamtbild dazu. Und trotzdem gehören wir zusammen und sind gemeinsam unterwegs. Mit vielen verschiedenen POV's, getragen von der Hoffnung auf Gott.

Einen Gott, der alle Menschen im Blick hat. Der mich und mein Leben versteht. Und das ist mein POV auf den Glauben: Ein Gott, der immer da ist für mich.

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26MRZ2024
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Ich mag es, auf meinem Sofa zu chillen. Grad jetzt im Frühling kann ich den Vögeln vor meinem Fenster beim Nestbau zusehen. Deshalb habe ich extra keine Gardinen aufgehängt. So behalte ich den Durchblick.

Wenn die Sonne so richtig in mein Wohnzimmer scheint, sehe ich, dass es wieder so weit ist: Ich muss wieder die Fenster putzen. Man sieht Abdrücke von Regentropfen der vergangenen Wochen und Monate. Sie trüben die Sicht nach draußen. Das stört mich und deshalb putze ich sie.

Ich freue mich, wenn ich mit dem Abzieher das schmutzige Wasser entferne. Dann sehe ich, wie schön hell es wieder ist und ich glasklar durchblicken kann.

Sowas wünsche ich mir auch für mein Leben. Da ist meine Sicht manchmal auch getrübt. Beispielsweise durch Stress im Alltag. Wegen Dingen, die unerledigt liegen bleiben. Oder Streit, weil verschiedene Lebensentwürfe und Haltungen aufeinander treffen.

Es lohnt sich auch hier immer mal wieder für klare Sicht zu sorgen. Was bei meinen Fenstern Lappen und Abzieher sind: Sind in meinem Leben: Zeit und Beziehungen.

Zeit für mich selbst, dafür, Dinge regeln zu können. Zeit, in der ich über mein Leben nachdenke. In der mir auffällt, welche Situationen in letzter Zeit meinen Blick nach außen getrübt haben. Wo sich diese Regentropfen in mir abgesetzt haben. Stress, Liegengebliebenes, Streit. Ich kann diese Sachen nicht einfach wegbeten oder wegmeditieren. Aber ich kann schauen, wie ich mit ihnen gut umgehen kann. Mir zum Beispiel neben Arbeitszeiten auch Freizeit im Kalender einzutragen und das dann auch einzuhalten. Oder mir einen Tag nehmen, an dem ich nichts vorhabe, außer liegengebliebene Nachrichten zu beantworten und den Schreibtisch mal aufzuräumen.

Besonders guttun mir meine Beziehungen. Zu meiner Familie, meinen Freunden und zu Gott. Die Zeiten sind mir wertvoll. Nach dem Austausch mit ihnen merke ich, dass ich wieder klarer sehen kann.

So kann ich im Alltag sehen, wie die Schlieren Stück für Stück verblassen. Ich wieder klar sehen kann. Dann habe ich auch in meinem Leben das Gefühl, den Durchblick zu haben. So wie beim Fensterputz vor Ostern.

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25MRZ2024
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Ich bin Fußballfan vom Hamburger Sportverein – kurz: HSV. Klar, ich komme gebürtig aus Hamburg, da wird einem das schon in die Wiege gelegt. In der Vergangenheit sehe ich es nicht nur bei meinem Verein: Wenn es in der Mannschaft läuft, feiern es die Fans. Hat die Mannschaft eine Weile keinen Torerfolg, dann ist oft der Trainer schuld und muss gehen. Jubel und Enttäuschung sind beim Fußball oft nur einen Spieltag voneinander entfernt. Jetzt wird alles anders. Diese Hoffnung projizieren Fans und Verein oft in einen neuen Trainer. Aber nicht immer ist ein neuer Trainer ein Garant für Erfolg.

Ähnlich ist es auch bei Jesus und seiner Truppe. Kurz vor Ostern, an Palmsonntag, feiern die Leute Jesus als ihren Star. Sie hoffen, dass er etwas verändert, sie erlöst und befreit. Sie sind sich sicher: Jetzt wird alles anders und er befreit die Menschen von der römischen Besatzung. Doch sie werden enttäuscht. Jesus ist anders, als sie es sich vorstellen. Schon bald wird er verraten von einem seiner besten Freunde. Eine Spannung entsteht. Zwischen Hoffen und Enttäuscht-sein, zwischen all dem, was die Leute von Jesus erhoffen und dem, was passiert.

Die Stimmung kippt. Und Jesus ist Enttäuschung und wachsendem Hass ausgeliefert.

Doch Jesus begegnet all dem souverän und ruhig. Das ist für mich das Wichtigste, was ich von Jesus in der Karwoche lernen kann. Ruhig sein, trotz all der Spannungen. Souverän bleiben und hoffen, dass es gut wird. Das wünsche ich mir auch für mein Leben.

Manchmal jubelnd unterwegs sein und dann doch immer wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommen. Wenn beispielsweise der HSV verloren hat. Oder einer aus meinem Freundeskreis wegzieht. Dann kippt auch bei mir die Stimmung. Ich werde plötzlich voll unsicher. Weil es anders ist, als ich es mir vorgestellt habe.

Trotzdem muss ich mit diesen Situationen umgehen, die Unsicherheiten in mir auslösen.

Das klappt nicht immer. Doch ich hoffe, dass ich damit nicht alleine bin, wenn die Stimmung kippt. Jesus war sich sicher, dass Gott immer da ist, egal wie es ausgeht – bei ihm hat es geklappt, deshalb feiern wir Ostern. In dieser Hoffnung lebe ich auch: Gott ist da, an meiner Seite und trägt meine Unsicherheit mit. Das Leben ist spannend, manchmal kippt die Stimmung – wie im Fußballstadion, doch ich bin getragen von Gott.

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22MRZ2024
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In der Bibel gibt es ein Gebet. Vielleicht kennen Sie es: „Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens!“ (Ps 130, 1-2). Das ist aus Psalm 130. Und ich liebe diesen Vers, denn er zeigt: Schon immer, auch schon vor tausenden von Jahren haben sich Menschen in Not an Gott gewandt. Sie glaubten fest: Wenn sie zu Gott rufen, schreien, dann wird er sie hören. Dann wird er helfen.

Eine Kollegin von mir hat vor ein paar Wochen eine Predigt über dieses Gebet gehalten. Und die hat mich sehr berührt und fasziniert. Sie hat sich nämlich dieses alte Gebet ein bisschen genauer vorgeknöpft. Im Original wurde es auf Hebräisch geschrieben. Und wenn man diesen Originaltext liest und einmal anders übersetzt, dann landet man bei einer neuen Aussage. Und die ist auch wunderschön.

In der Übersetzung meiner Kollegin heißt es: „Aus Tiefen rufe ich Dich, Herr. Mein Herr, höre meine Stimme! Neige Deine Ohren der Stimme meines Flehens zu!“

In der Übersetzung, die uns die geläufige ist, klingt das so, als sei der Mensch, der betet, in der Tiefe. Im Loch. Er sitzt, sozusagen, ganz tief im Dreck. Aber im hebräischen Text der Bibel kann man das auch anders verstehen: „Aus Tiefen rufe ich Dich, Herr.“ Das heißt dann: Gott ist in der Tiefe. Und der, der betet, ruft ihn aus dieser Tiefe zu sich hoch. Dann ist Gott noch tiefer, als ich es bin. Er ist in jedem Elend immer schon da. Egal, wie tief ich gesunken bin, egal, wie dreckig es mir geht, egal, wie einsam oder verzweifelt ich bin, Gott ist immer schon da. Noch tiefer da. Und kann mich rausholen. Davon ist der Beter dieses alten Gebets überzeugt.

Wenn wir in tiefsten Nöten stecken, in Schuld verstrickt oder verursacht durch andere, wenn wir ganz, ganz unten sind, dann ist Gott immer schon da. Selbst dann, wenn wir es nicht mehr merken, uns völlig gottverlassen fühlen. Er ist da. Unter uns. Um uns aufzufangen und neu ans Licht zu holen.

Wie bei Jesus am Kreuz. Er war ganz, ganz unten, verzweifelt und fühlte sich gottverlassen. Und trotzdem. Gott hat ihn wieder ans Licht geholt. Das Dunkel, die Tiefe ist für Gott kein Hindernis. Eigentlich ist das schon die Osterbotschaft. Möge sie Sie durch die kommende Karwoche begleiten.

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21MRZ2024
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„Musik halt! Musik schafft alles!“ – Das hat diese Tage eine Freundin, selbst eine wunderbare Musikerin, zu mir gesagt. Seit vielen Jahren hatte ich es endlich mal wieder zu einem Konzert von ihr geschafft, mich zwei Stunden lang von ihrer Musik verzaubern und davontragen lassen und danach liebe, alte Freunde wiedergetroffen, mit denen der Kontakt schon lange abgebrochen war. Es war ein wertvoller Abend. Balsam für meine Seele. „Musik halt! Musik schafft alles!“

Vor ein paar Wochen habe ich einen Artikel gelesen mit der Überschrift: „Die müde Gesellschaft“. Müde. Ja. Das passt, habe ich sofort gedacht. Müde sind wir gerade alle. Wo kommt das her? Ist das nur der Winter, die Dunkelheit, die jetzt dann hoffentlich bald vorbei ist. Oder ist das mehr? Sind das auch die Sorgen um das Geld? Die Sorgen um die Zukunft, vor einer Eskalation von Gewalt und Terror?

Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine geht mir ein Abendlied nicht mehr aus dem Kopf. Es ist von Jörn Philipp. Und immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich es summe und singe und es sich, tatsächlich, wie Balsam auf meine müde, irgendwie geschundene Seele legt. Ich lese es ihnen vor. Ein bisschen Seelenbalsam:

Wenn der Abend kommt,

und die Nacht beginnt,

bitten wir, Herr bleibe bei uns,

weil wir müde sind.

Friede Stadt und Land,

Friede Herz und Hand,

Friede allen, auch den Menschen,

die uns unbekannt.

 

Du bist Anfang, Weg und Ende,

halte schützend deine Hände,

über unser ganzes Leben,

lass uns nicht allein.

 

Mir tut dieses Lied gut. Der Wunsch nach Frieden für alle, auch für die, die wir gar nicht kennen, berührt mich. Natürlich ändert es nicht die Welt, wenn ich das Lied vor mich hin summe. Aber es erinnert mich daran, wie Gott seine Welt eigentlich gedacht hat. Es hält etwas in mir lebendig: Den Friedenswunsch, den ich dann morgens hoffentlich wieder weitertragen kann.

Das Lied geht noch weiter:

 

Wenn der Abend kommt,

und die Nacht beginnt,

bitten wir, Herr bleibe bei uns.

Weil wir müde sind,

unser Wollen, Wirken, Streben,

was wir lieben, was wir leben,

legen wir in deine Hände,

lass uns nicht allein.

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