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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06JUN2025
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Sammeln kann man ja vieles. Es gibt Leute, die stöbern auf Flohmärkten nach Comic-Heften, manche fahnden im Internet nach alten Schallplatten, andere sammeln Briefmarken oder Fossilien. Eine Frau hat mir neulich von einer ungewöhnlichen Sammelleidenschaft erzählt: Sie sammelt Abendgebete. Wenn sie ein schönes findet, schreibt sie es in ein Heft. Oder klebt es ein. Inzwischen hat sie schon eine Menge davon.

Mit ihren Abendgebeten ist es nicht so wie mit anderen Sammlerstücken, die nur herumstehen und oft irgendwo in der Ecke verstauben. Nein, sie sammelt die Gebete nicht nur, sie betet sie auch. Jeden Abend ein anderes. Dafür braucht sie ihre große Sammlung.

„Ich bin ein Fan von Abendgebeten“, hat sie mir erzählt. „Es tut einfach so gut, am Abend noch einmal auf den Tag zurückzublicken – auf die guten, gelungenen Dinge, aber auch auf das, was schwierig war. Und dann alles bei Gott abzulegen.“

Eines von ihren Lieblingsgebeten hat sie mir auch gleich vorgelesen. Es stammt von Jörg Zink:

Gott, so heißt es in dem Gebet, du allein weißt, was dieser Tag wert war. Ich habe vieles getan und vieles versäumt. Ich habe vieles versucht und vieles nicht vollendet. Ich bin den Meinen viel Liebe schuldig geblieben. Ob dieser Tag seinen Ertrag brachte, weiß ich nicht. Du allein siehst es. Ich lege ihn in deine Hand. Ich bin umgeben von Nacht. Aber ich weiß, dass ein Morgen kommt und die Sonne aufgeht: deine Liebe und dein Licht. Amen

Wenn sie abends so betet, hat mir die Frau erzählt, dann hilft ihr das beim Einschlafen. Weil sie alles loslassen kann, was ihr im Kopf herumgeht und auf dem Herzen liegt. „Aber das Beste“, hat sie gesagt, „das Beste ist, dass es mir nicht nur am Abend hilft. Es verändert auch meine Tage. Es strahlt irgendwie auf sie aus.“

Ich verstehe, was sie meint: Wenn ich am Abend loswerden kann, was mich belastet, dann gehe ich auch gelassener durch den Tag. Ich setze mich weniger unter Druck, dass ich alles schaffen muss. Und ich werde nicht so schnell sauer auf mich und andere, wenn etwas nicht klappt.

„Ich sammele Abendgebete!“ Erst habe ich mich über die ungewöhnliche Sammelleidenschaft der Frau gewundert. Aber inzwischen denke ich: Was für eine gute Idee, für jeden Abend ein neues Gebet zu haben! Und dabei zu spüren: Ich muss nicht alles mit mir allein ausmachen – und ich kann jeden Tag neu beginnen. Ein Satz aus dem Lieblingsgebet der Frau lässt sich ja auch morgens wunderbar beten: Ich weiß, dass ein Morgen kommt und die Sonne aufgeht: deine Liebe und dein Licht.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05JUN2025
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„Haben die … denn jegliche Bodenhaftung verloren?“ Das schreibt Magda auf Insta. Sie meint damit die Reichen und Mächtigen. Und sie ist sich sicher: „So kann das nicht weitergehen.“

Magda heißt eigentlich Magdalena Scherer. Sie ist eine selbstbewusste junge Frau aus Stuttgart, und was sie zu sagen hat, ist oft ziemlich aktuell. Dabei schreibt Magda gar nicht über heute. Sie hat nämlich vor 500 Jahren gelebt. Ihren Insta-Account hat das Württembergische Landesmuseum angelegt. Die wirkliche Magdalena Scherer hat den Bauernkrieg erlebt, der vor genau 500 Jahren, im Frühjahr und Sommer 1525, getobt hat. Und darüber schreibt sie auf Instagram. Eine gute Idee.

Die Bauern haben vor 500 Jahren um ganz grundlegende Rechte gekämpft: Etwa darum, dass jeder Mensch frei ist – und dass es keine Leibeigenschaft mehr geben darf, also keine totale Abhängigkeit von einem Herrn. Auch dafür, dass die Natur und ihre Güter nicht einzelnen gehören, sondern allen zugutekommen müssen, haben die Bauern gestritten. Ihre Forderungen haben sie in Zwölf Artikeln zusammengefasst – und auch begründet. Und zwar mit ihrem Glauben und den Aussagen der Bibel: Christus hat uns alle erlöst, schreiben sie zum Beispiel, keinen ausgenommen. Darum ergibt sich aus der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen. Auch sei es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, dass der arme Mann nicht jagen dürfe und sein Brennholz zu teuer einkaufen müsse.

Die Bauern und ihre Familien damals litten an Hunger und Kälte. Für sie ging es ums nackte Überleben. Trotzdem wurden ihre Aufstände im Jahr 1525 von den Fürsten brutal niedergeschlagen. Es hat Jahrhunderte gedauert und viele weitere Kämpfe gebraucht, bis ihre Forderungen endlich nach und nach verwirklicht wurden.

Gott sei Dank profitieren wir heute davon. Aber es macht mich nachdenklich, wie aktuell manche Forderungen und Klagen aus jener Zeit trotzdem klingen.

 „Haben die … denn jegliche Bodenhaftung verloren?“, fragt sich Magdalena Scherer mit Blick auf die Reichen ihrer Zeit. Das kann ich mich heute auch fragen, wenn ich höre, dass Leute, die selbst im Luxus leben, sich gar nicht darum kümmern, wie es Leuten geht, die wenig Geld haben.

Und dass die Natur allen gehört, scheint heute auch nicht klar zu sein. Rohstoffe, die wir für unsere Handys brauchen, werden in ärmeren Ländern oft so abgebaut, dass dort schlimme Schäden für die Natur und die Menschen entstehen.

Das ist doch unfair. Oder, wie die Bauern vor 500 Jahren geschrieben haben: Es ist unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß. Ich finde, sie haben recht. Und man kann heute noch von ihnen lernen. Und sich dafür einsetzen, dass sich was ändert.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

05JUN2025
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Mit ausgestreckter Hand steht meine Nachbarin auf dem Balkon. Sie blickt hinauf in die grauen Regenwolken und dann auf die Regentropfen auf ihrer Hand. Dabei strahlt sie und ich kann von meiner Wohnung direkt gegenüber sehen, wie sie sich freut. Mit ihr bestaunen ihre beiden kleinen Kinder, wie die Regentropfen auf das Balkongeländer und auf ihre Hände prasseln. Lange stehen sie nicht da, aber es ist jedes Mal so: Wenn es regnet, gehen sie raus, spüren kurz den Regen auf ihren Händen und freuen sich. Ich habe sie leider noch nie gefragt, warum sie das tun. Ob sie in einer Gegend aufgewachsen sind, in der es fast nie geregnet hat? Oder ob sie etwas Besonderes mit dem Regen verbinden?

Aber ich habe mir etwas von der Familie abgeschaut: Ich versuche auch darüber zu staunen, wenn es regnet. Eigentlich hat mich der Regen immer eher geärgert. Ich fahre viel Fahrrad und werde ungern nass. Mit Regenklamotten ist Fahrradfahren zwar problemlos möglich, aber längst nicht so schön wie bei Sonnenschein. Daher hoffe ich immer, dass es nicht genau dann regnet, wenn ich raus muss.

Inzwischen staune ich lieber. Denn Regen ist doch eigentlich etwas Wunderbares – gerade, wenn es eher tröpfelt oder ein kurzer Schauer vorüberzieht.

In diesem Frühjahr hat es wieder einmal viel zu wenig geregnet. Wir Menschen können das Klima nicht beherrschen und wir können auch keinen Regen künstlich erzeugen. Auch nicht im Jahr 2025. Wir sind – genau wie die Menschen zu früheren Zeiten auch – dem Wetter ausgeliefert. Schon früh wussten die Menschen: Gott es ist, der Sonne und Regen schickt und alles, was lebt, versorgt. Einer hat es in der Bibel so gesagt: „Bittet den HERRN, dass er zur rechten Zeit den ersehnten Regen sende! Denn der Herr ist es, der die Wetterwolken zusammenballt; er gibt Regen und lässt für alle etwas wachsen.“ (Sacharja 10,1)

Daran halte ich mich: Ich bitte Gott um ausreichend Regen. Für alle Menschen und Tiere und für alle Pflanzen. Und wenn es dann regnet – dann mache ich es wie die Nachbarsfamilie: Ich strecke meine Hand in den Regen, staune und freue mich. Und sage: „Danke, Gott! Du bist es, der die Wetterwolken zusammenballt und uns Regen gibt. Du lässt für alle etwas wachsen.“

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

04JUN2025
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Fast jeden Tag fahre ich auf dem Radweg an einem Wegkreuz vorbei. Ein großes Kreuz aus dunkelbraunem Holz, oben der Körper des gekreuzigten Jesus, darüber eine Art schützendes Vordach. Davor steht eine Blumenschale, die immer wieder frisch bepflanzt wird. Jetzt im Frühjahr leuchten darin bunte Blumen.

Seit vielen Jahren fahre ich fast jeden Tag an diesem Kruzifix vorbei. Klar, nicht auf jeder Fahrt nehme ich es bewusst wahr. Aber ich bin froh, dass es da ist. Denn immer wieder fällt mein Blick doch auf den Mann am Kreuz: Schmal, fast nackt und verkrampft hängt er da – und schaut mich traurig an. Der Schmerz hat sich tief in seine Gesichtszüge eingegraben.

Ich weiß: Viele mögen solche Kruzifixe nicht. Weil das, was darauf dargestellt ist, so brutal ist. Und das ist es ja auch. Trotzdem: Für mich ist es gut, dass das Wegkreuz am Radweg steht. Denn oft, wenn mein Blick im Vorbeifahren an Jesus am Kreuz hängen bleibt, hat er mir etwas zu sagen.

Wenn ich beschwingt durch den Frühsommer radle und mich am satten Grün um mich herum freue, dann zeigt er mir: Wie gut, dass du heute hier unterwegs sein kannst, frei, mit genügend Kraft – ohne Angst und ohne Schmerzen. Das ist nicht selbstverständlich, deshalb: genieß‘ es! Und vergiss dabei die anderen nicht, die das nicht können. Dann fällt mir zum Beispiel die alte Dame ein, die ich besucht habe. Früher war sie gern mit dem Rad unterwegs – heute kommt sie nicht mehr aus ihrer Wohnung.

An anderen Tagen strample ich eilig am Wegkreuz vorbei, ganz außer Atem, um ja rechtzeitig zu einem Termin zu kommen. Dann trifft mich der Blick von Jesus – und scheint zu fragen: Ist das, wofür du dich da abhetzt, wirklich so wichtig? Oder gibt es eigentlich ganz andere Probleme in deinem Leben und auf der Welt, die wichtiger wären?

Und manchmal bin ich auch schon mit Tränen in den Augen am Wegkreuz vorbeigefahren. Weil ich traurig war über einen Streit, weil ich mir schlimme Sorgen gemacht habe, oder mich einfach mit allem überfordert gefühlt habe. Dann hat es mir gutgetan, in die traurigen Augen von Jesus am Kreuz zu schauen. Und zu spüren: Er weiß, wie es mir geht. Er fühlt mit mir mit. Ich bin nicht allein mit meinen Tränen. Gott ist da.

Ja, es ist gut für mich, dass das Kreuz am Radweg steht. Und es freut mich, dass andere das auch so sehen. Und deshalb manchmal frische Blumen bringen.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03JUN2025
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Kleine Macke an der Backe macht uns wunderschön! Das steht auf einem Sticker, den ich mir auf meinen Terminkalender geklebt habe. Weil ich ihn so gelungen finde: Da ist eine fröhliche Gemüsetruppe gezeichnet. Lauch, Paprika, Aubergine und Co, alle grinsen entspannt – aber sind eben nicht perfekt, sondern haben sichtbare Macken: Kleine Macke an der Backe macht uns wunderschön!

Der Aufkleber wirbt eigentlich für die „Tafel“ – ein Projekt, das überzählige Lebensmittel aus Läden und anderen Einrichtungen abholt, damit Menschen mit wenig Geld sie in den Tafelläden zu sehr günstigen Preisen kaufen können.

Und mit dem Gemüse mit der Macke macht der Sticker gleichzeitig darauf aufmerksam, dass Lebensmittel nicht genormt sein müssen, um gut zu schmecken. Und dass man Obst und Gemüse mit kleinen Macken durchaus noch essen kann und nicht gleich wegschmeißen muss, was leider viel zu oft passiert.

Kleine Macke an der Backe macht uns wunderschön! Auf meinem Terminkalender klebt der Sticker noch aus einem anderen Grund. Ich finde: Was für Gemüse gilt, gilt erst recht für Menschen! Auch Menschen müssen nicht perfekt sein und schon gar nicht perfekt aussehen. Im Gegenteil: Ich finde, es sind oft unsere Macken – die äußeren, aber auch die inneren – die uns zu dem machen, was wir sind: unverwechselbar!

Auch die Leute, von denen die Bibel erzählt, haben Macken. Und sogar für große Aufgaben sucht Gott offenbar keine perfekten Menschen aus.

Ich denke zum Beispiel an den Apostel Paulus. Er hat der den christlichen Glauben im ganzen römischen Reich verbreitet, die Briefe, die er geschrieben hat, füllen einen Großteil des Neuen Testaments. Er war also so etwas wie ein Star unter den ersten Christen. Aber bevor er dazu wurde, hat er die Christen verfolgt. Diese krasse Kehrwende in seinem Leben hat Spuren hinterlassen, auch in ihm selbst. Und außerdem hat Paulus wohl an einer Krankheit gelitten, die ihm immer wieder zu schaffen machte. Kein perfekter Held auf jeden Fall, sondern ein Mensch mit Macken – aber für Gott war er offenbar trotzdem der richtige.

Kleine Macke an der Backe macht uns wunderschön! Die selbstbewusste und fröhliche Gemüsetruppe auf dem Sticker auf meinem Terminkalender erinnert mich jeden Tag daran: Auch du musst nicht perfekt sein. Nicht vor Gott und auch nicht vor anderen Menschen. Deine Macken gehören zu dir. Und machen dich auf deine Weise wunderschön.

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

02JUN2025
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Feste feiern und die Höhepunkte des Lebens genießen – wie schön, wenn man Freunde hat, um solche Momente zu teilen. Aber wie sieht es aus, wenn einem nicht nach Feiern zu Mute ist, wenn’s einem schlecht geht? Wer von den Freunden und Bekannten ist dann noch da?

Bei uns im Dorf zeigt sich das auf dem Friedhof. Besonders dann, wenn der Musikverein spielt. In Freud und Leid zum Spiel bereit! Das steht als Motto auf der Fahne des Musikvereins. Und es steht nicht nur da – es wird auch gelebt.

Klar, der Musikverein spielt, wenn’s was zu feiern gibt – bei Dorffesten, Hochzeiten und an runden Geburtstagen. Aber eben nicht nur: Ich staune jedes Mal, wenn ich eine Beerdigung von einem Vereinsmitglied zu halten habe. Da stehen dann an einem normalen Wochentag um zwei Uhr mittags mindestens ein Dutzend Musikerinnen und Musiker auf dem Friedhof. Sie sind da, um bei der Trauerfeier zu spielen. Auch viele jüngere, die tagsüber eigentlich eingespannt sind: Schülerinnen radeln extra schnell von der Schule heim und schnappen sich ihre Querflöte, junge Eltern lassen die Großeltern die Kids vom Kindergarten abholen und eilen mit dem Klarinettenkoffer herbei. Und Angestellte nehmen den Nachmittag frei, um rechtzeitig mit der Trompete auf dem Friedhof zu sein.

So zeigen sie: Der Verstorbene oder die Verstorbene ist uns wichtig. Wir vergessen sie nicht, und wir lassen auch ihre Familie in diesem schweren Moment nicht allein. Und wir möchten etwas dazu beitragen, dass es ein guter Abschied wird.

Und tatsächlich finde ich es immer total tröstlich und bewegend, wenn bei der Beerdigung dann die feierliche Musik erklingt – und manchmal auch ein fröhliches Lieblingslied des Verstorbenen. Oft ist das ein Moment, in dem bei den Angehörigen die Tränen fließen – und der Schmerz einen Weg nach draußen findet.

In Freud und Leid zum Spiel bereit! Ich finde, das ist ein großartiges Motto für einen Musikverein. Und ich bin denen, die das mit Leben füllen, echt dankbar dafür. Genauso wie den Kirchenchören, Gesangvereinen, Posaunenchören und vielen anderen Musikgruppen landauf, landab, die da sind, wenn’s Trost braucht. Die es aushalten, an offenen Gräbern zu stehen und auch dort zu spielen oder zu singen.

Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Das hat der Apostel Paulus an die Christinnen und Christen in Rom geschrieben. Für ihn war das ein Markenzeichen der christlichen Gemeinschaft: dass man zusammen lacht und weint. Dass man zusammen feiert – aber einander auch in der Trauer nicht allein lässt. Genau so macht es unser Musikverein: In Freud und Leid zum Spiel bereit!

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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

31MAI2025
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Mein Schwiegervater ist fast 80 Jahre alt und vor ein paar Tagen hat er das erste Mal in seinem Leben versucht, mit Stäbchen zu essen. Seine Enkelkinder haben ihm gezeigt, wie es geht und er hat es einfach ausprobiert. Das fand ich richtig toll!

Für Kinder ist es ja völlig normal, jeden Tag was Neues zu lernen. Ob in der Schule oder zuhause, von Freundinnen oder auch über die Medien. Unsere Kinder lieben zum Beispiel die Sendungen von Checker Tobi. Die Podcasts hören wir am liebsten gemeinsam auf langen Autofahrten. Da geht es um spannende Fragen wie: Was ist die größte Zahl der Welt? Was mache ich, wenn ich Angst habe? Und was bedeutet das Grundgesetz für uns?

Keine Frage ist zu klein oder zu groß, um sie zu erforschen und darüber zu staunen, was wir neu gelernt haben. Und nach so mancher Folge haben wir schon festgestellt, dass wir uns etwas bisher ganz anders vorgestellt haben, dass wir manchmal sogar unser Verhalten korrigieren müssen.

Was für Kinder ganz normal und alltäglich ist, fällt uns Erwachsenen oft schwer. Unser Weltbild setzt sich aus all dem zusammen, was wir im Laufe unseres Lebens erfahren und erleben.
Das Trügerische daran ist: was sich für mich vielleicht wahr anfühlt, widerspricht möglicherweise dem, was für jemand anderen richtig ist. Meine Erfahrungen sind nur bedingt aussagekräftig, denn sie spiegeln eben nur meinen Blick auf die Welt wider.
Wichtig ist es deshalb: Mitzubekommen, was andere denken und was die Wissenschaft Neues herausfindet - das kann meinen Horizont erweitern.

Ich habe beispielsweise in den letzten Jahren viel darüber gelernt, wie es Menschen geht, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer Identität permanent als „die Anderen“ ausgegrenzt werden, die einfach ganz normal dazugehören wollen. So wie wir alle. Ich habe in der Vergangenheit sicher vieles gesagt und gefragt, was andere verletzt hat- weil ich es nicht besser wusste. Und ich bin froh, dass ich dazulernen durfte und es heute anders machen kann. Ich bin begeistert davon, was Expertinnen und Experten täglich neu entdecken; sei es beim Thema Klimawandel oder in der Medizin. Und wie gut, dass sie nicht müde werden, sich immer wieder zu korrigieren, weil jede neue Erkenntnis unser Weltbild möglicherweise verändern kann.

Ich glaube, uns Erwachsenen tut es gut, uns von der Begeisterung und Offenheit von Kindern anstecken zu lassen und auch im hohen Alter noch Neues auszuprobieren, dazuzulernen und neugierig auf diese wunderbare Welt und unsere Mitmenschen zu bleiben.

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30MAI2025
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Wir schlagen in dieser Woche ein neues Buch der Tora auf – Sefer Bamidbar, das vierte Buch Mose. Auf Deutsch nennen wir es „Numeri“, also „Zahlen“. Denn gleich zu Beginn wird gezählt: Die Stämme Israels, ihre Angehörigen, ihre Lagerordnung in der Wüste.
Für viele klingt das erst einmal trocken – wie eine lange Liste aus einem alten Register. Doch dahinter steckt eine tiefe Botschaft. Denn im Hebräischen heißt das Buch nicht „Zahlen“, sondern Bamidbar – „In der Wüste“.
Ein Ort der Leere, der Unsicherheit. Und ausgerechnet dort beginnt die Ordnung. Dort zählt jeder Einzelne.
Was sagt uns das heute? Vielleicht dies: Auch in Zeiten der Ungewissheit – wenn wir uns verloren oder orientierungslos fühlen – wird jeder Mensch gesehen. Jeder zählt.
Im Judentum ist Zählen nie nur Mathematik. Es bedeutet: Du bist Teil eines Ganzen. Du wirst nicht vergessen. Du trägst Verantwortung – für dich und für die Gemeinschaft.
Und noch etwas: Die Ordnung des Lagers ist so gestaltet, dass die Stiftshütte – das Heiligtum – in der Mitte steht. Nicht Macht, nicht Geld, nicht Status. Sondern das Heilige, das Verbindende.
Vielleicht ist das der Anstoß dieser Woche: Uns zu fragen, was in unserer Mitte steht. Und ob wir – trotz allem Durcheinander – die Kraft haben, Ordnung zu schaffen.
Ein guter Gedanke für diese unruhigen Zeiten.

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28MAI2025
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„Lieber Bruder Papst Leo“ schreibt Sr. Martha Zechmeister aus El Salvador an den neugewählten Papst. Sie schreibt ihren Brief von Ordensfrau zu Ordensmann:
„Leo, Du wirst als Mann beschrieben, der zuhören kann. Und deshalb habe ich auch den Mut mich ohne Angst und ohne Umschweife an Dich zu wenden: Es ist höchste Zeit, dass Frauen ohne jede Einschränkung in alle Ämter und Ebenen der Kirche einbezogen werden. Nicht als Geste, nicht als Ausnahme, nicht als symbolisches Zeichen. Sondern in voller Gleichwertigkeit. Es geht nicht um Macht. Es geht um Würde. Es geht um Wahrheit. Es geht um das Evangelium.“

Mich hat dieser Brief von Sr. Martha an den Papst sehr bewegt. Sr. Martha schreibt über sich selbst, sie sei als konservative Ordensfrau erzogen worden, die sich anpasst und nicht widerspricht – und doch fühlt sie: Ich darf nicht länger schweigen, nicht länger mittragen, was ungerecht ist. Sie ruft deshalb alle Christinnen weltweit auf, sich nicht trennen zu lassen in die „bösen Feministinnen und die braven Angepassten“, sondern gemeinsam solidarisch für eine gerechtere und menschlichere Welt einzustehen.

Solidarisch zusammenstehen, auch wenn uns manches unterscheidet und uns für eine bessere Welt einsetzen. Das finde ich nicht nur unter Frauen und in der Kirche wichtig. Ich glaube, dass wir die großen Probleme und Aufgaben in der Gesellschaft und Welt nur so lösen können.

Deshalb ist es auch in der Politik notwendig, dass Frauen gleichermaßen an demokratischen Entscheidungen beteiligt sind und ihre Perspektiven einbringen. Im neu gewählten Bundestag sind allerdings nicht einmal mehr ein Drittel der Abgeordneten Frauen.
Das ist ein großes Problem. Viele Gesetze, die die Lebenssituation von Frauen verbessert haben, sind nur zustande gekommen, weil die weiblichen Abgeordneten parteiübergreifend gemeinsam für ihre Rechte eingetreten sind. Zum Beispiel Reformen des Sexualstrafrechts, die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, oder dass Frauen ohne die Erlaubnis des Mannes ein Konto eröffnen und arbeiten dürfen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam solidarisch dafür einsetzen, dass Frauen in Kirche und Politik mitbestimmen können – ob vor Ort oder auf höheren Ebenen. In einer Welt, in der weder Geschlecht noch Herkunft darüber entscheiden sollten, wie wir leben und wo wir unsere Stärken einbringen können, brauchen wir die Perspektive von Männern UND Frauen!
Danke Sr. Martha für diese Erinnerung an Papst Leo und uns alle!

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27MAI2025
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Im Herbst fange ich eine neue Stelle an. Das heißt nicht nur neue Aufgaben und neue Kolleginnen und Kollegen. Sondern auch: ich muss eine neue Wohnung suchen, neue Wege zum Einkaufen, zum Sport finden und, und, und... Jede Menge Neues. In mir ist ein ganzer Gefühlscocktail aus Vorfreude und Neugier, Ängstlichkeit und Abschiedsschmerz. Und sobald ich daran denke, kreisen jede Menge Fragen durch meinen Kopf: wie wird es werden? Was erwartet mich?

In der Bibel habe ich eine Stelle entdeckt, bei der Menschen auch an so einem Übergang stehen. Ein Übergang zwischen dem, was gewohnt und vertraut ist, und dem Neuen.

Das Volk Israel ist nach dem Auszug aus Ägypten schon lange unterwegs. Und irgendwann stehen sie endlich am Jordan. Auf der anderen Seite liegt das „gelobte Land“, das sie so gerne erreichen wollen. Aber der Jordan hat Hochwasser und weit und breit ist keine Brücke in Sicht.
Da meldet sich Josua, ihr Anführer, zu Wort und sagt zu den Priestern: „Heiligt euch, denn morgen wird der HERR mitten unter euch Wunder tun. … Nehmt die Bundeslade und zieht dem Volk voran!“ (Jos 3,5f.) Das klingt zunächst etwas seltsam. „Heiligt euch“ könnte bedeuten, sich bewusst zu machen, dass der Mensch auch heilig ist, d.h. eine Verbindung nach oben hat. Und dass man sich daran erinnert: nicht alles liegt in meiner Hand. Auch wenn ich vieles kann, Gott ist größer. Es lohnt sich, mit ihm zu rechnen. Und die „Bundeslade“, die sie mitnehmen sollen, ist eine Truhe mit den Steintafeln, auf denen die zehn Gebote stehen. Sie ist ein Symbol für die Verbindung mit Gott und dafür, dass Gott sie schon lange auf diesem Weg begleitet hat.

Am nächsten Morgen wagen sich die Israeliten ins Wasser des Jordans. Und tatsächlich. Als sie ihre Füße ins Wasser tauchen, weicht der Jordan zurück. Der Weg ist frei. Ausgerechnet dieser Moment, in dem alles so aussieht, als ob es nicht weitergeht, wird zum Moment, in denen Gott ihnen besonders nah ist. Wie gut, dass sie riskiert haben, sich die Füße nass zu machen. Sonst wären sie da noch lange gestanden.

Ich wünsche allen, die gerade auch an so einem Übergang stehen, weil sie wie ich die Stelle wechseln oder nach der Schule eine Ausbildung oder ein Studium anfangen, weil sie heiraten oder sich trennen, ein Kind bekommen, umziehen, in Rente gehen oder sonst vor irgendeiner Veränderung stehen: Habt Mut die Füße ins Wasser zu stecken. Tretet Euren Ängsten entgegen und vertraut auch darauf: Gott ist mit dabei!

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