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SWR Kultur Wort zum Tag

27JAN2025
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Ein Bekannter von mir, hat ein echtes Wunder erlebt. Jo war mit einer ganzen Horde Jugendlicher unterwegs auf dem Jakobsweg in Spanien. Mein Respekt, wenn ich bedenke, wie schwer meine Kinder schon zum Spazierengehen zu bewegen sind.

Jo hatte auch seine Mühe die Gruppe am Laufen zu halten. Vor allem an dem Tag, als das Wunder geschehen ist. Es hat den ganzen Tag nur geregnet, und alle waren nass und schlecht gelaunt. Um sie zu motivieren hat Jo in einem Anfall von Leichtsinn gesagt: „Heute Abend in Santa Cilia lade ich euch alle in eine Kneipe zum Essen ein, versprochen!“ Das wirkt. Die Laune steigt und das Marschtempo auch. Vor dem geistigen Auge der Pilgergruppe taucht eine gemütliche spanische Gaststube mit einer großen Paella auf.

Doch in Santa Cilia angekommen platzt das Traumbild wie eine Seifenblase. Die einzige Dorfpinte hat geschlossen, und zudem sind alle Pilgerherbergen voll bis unters Dach. Eine Idee hat Jo noch: Er klingelt nass und ausgehungert am Pfarrhaus. Glück im Unglück, dass der Pfarrer die Gruppe im Gemeindesaal schlafen lässt, aber die Mägen knurren, und die Jugendlichen murren.

Und so sitzen sie alle frustriert im Kreis, in der Mitte ein paar Äpfel, Trauben und Müsliriegel. Plötzlich streckt eine freundliche Spanierin den Kopf zur Tür rein und fragt, ob sie noch Hunger hätten. Eifriges Nicken. Sie lacht und sagt: „Prima, wir sitzen nämlich im Stockwerk über euch und haben noch so viel übrig. Nicht mal die Hälfte von uns ist gekommen, und jetzt quälen wir uns mit dem Essen rum.“ Kurze Zeit später werden eine riesige Paellapfanne und Rotweinkaraffen hereingetragen, und die Spanierin sagt: „Lasst es euch schmecken, ihr seht aus, als ob ihr es brauchen könnt.“

Erst mal ist Jo froh, dass die Meuterei abgewendet ist. Und im zweiten Nachdenken kann er es nicht fassen, was für ein Glück sie doch gehabt haben. Und da Jo ein spiritueller Mensch ist, schreibt er die Unterkunft, die Paella und den Rotwein nicht nur dem Glück zu.

Er beschließt, das Abendgebet heute sausen zu lassen, denn heute haben sie alle Gott live in Aktion erlebt.

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SWR3 Gedanken

04JAN2025
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Wie kommt das Böse in die Welt – all die Gräuel und Verletzungen, die Menschen sich antun? Ich habe etwas dazu gelesen, was mir ganz gut gefällt. Es stammt von Wladimir Kaminer, einem deutsch-russischen Kolumnisten aus Berlin. Er sagt mit einem Augenzwinkern: „Schuld (am Bösen) sind Adam und Eva. Seit ihrem Frühstück unterm Baum (…)  kann der Mensch Gut und Böse, Sinn und Schwachsinn nicht mehr richtig auseinanderhalten. Seit dem Sündenfall gibt es das Gute auf der Welt nicht mehr in reiner Form. Das Gute ist mit dem Bösen gestreckt.“

Mit der Erzählung von Adam und Eva haben die Menschen in biblischer Zeit versucht, sich zu erklären, wie das Böse in die Welt gekommen ist. Für sie war klar: Gott kann es nicht erschaffen haben, denn im Urzustand war die Schöpfung gut. Und dann wurde eben „das Gute mit dem Bösen gestreckt“, wie es Wladimir Kaminer ausdrückt.

Wäre es wohl möglich, das Rad wieder ein bisschen zurückzudrehen, in Richtung friedlichem Urzustand? Eine Idee, wie das klappen könnte, hat Gott für uns: Er hat uns als großes Beispiel Jesus vor Augen gehalten. Wenn alle so leben würden wie er, dann könnte es klappen: Gott lieben, die Nächsten lieben, mich selbst lieben. Aber so leben wie Jesus - das sind ziemlich große Fußstapfen. Vielleicht wäre es ein Anfang, erst mal ein paar Schritte in den Schuhen von ihm zu versuchen. Das Böse wäre damit noch lange nicht aus der Welt, aber wir könnten es mit dem Guten strecken.

Zitat aus: Wladimir Kaminer: Coole Eltern leben länger, Goldmann Verlag, München 2016.

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SWR3 Gedanken

03JAN2025
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Hier ist die Geschichte von Mister Miesepeter, und manchmal habe ich das Gefühl, es könnte auch meine Geschichte sein. Sie heißt: Ein ganz mieser Tag.

Um sechs wecken mich die lärmenden Kinder. In der Wohnung herrscht das übliche Chaos, draußen regnet´s wie aus Eimern. Und dann verpasse ich auch noch den Bus. Bei der Arbeit bekomme ich wieder mal eine Aufgabe nach der anderen aufs Auge gedrückt. Und auf dem Heimweg muss ich auch noch den täglichen Einkauf erledigen. Abends bin ich so fertig, dass ich völlig erschöpft ins Bett falle. Das war´s dann für diesen Tag.

Für alle, die solche Tage kennen, gibt es eine gute Nachricht: Wenn ich die Dinge mit anderen Augen anschaue, dann ändert das alles, vor allem meine Laune. Die gleiche Geschichte hört sich aus der Perspektive von Herr Dankbar nämlich ganz anders an. Sie heißt: Ein Tag voller Leben.

Wie schön, dass ich so lebendige Kinder habe, und das sogar schon am frühen Morgen. Die Unordnung in der Wohnung stört mich gar nicht, viel wichtiger ist doch, dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Draußen tränkt der ergiebige Regen die Natur. Hätte ich den frühen Bus erwischt, dann wäre mir nicht die Zeit an der Haltestelle geschenkt worden, in der ich einfach nur dasitzen und Menschen beobachten konnte. Mein Chef traut mir etwas zu und erteilt mir heute wieder verantwortungsvolle Aufträge. Beim Bezahlen im Supermarkt schaue ich auf den vollen Korb und denke: gut, unsere Versorgung ist gesichert. Wenn ich am Abend dann müde ins Bett falle, dann bin ich mir sicher: es war ein Tag voller Leben.

Eine Geschichte, zwei Perspektiven. Und wie schauen Sie aufs Leben?

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SWR3 Gedanken

02JAN2025
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Was ist wichtiger - Geld oder Liebe? Diese Frage hat mich im Sommer in St. Tropez eingeholt, wo ich mit VW-Bus und Familie unterwegs war.

Wir hatten unsere Handtücher zufällig in der Nähe eines ziemlich exklusiven Beach-Clubs ausgelegt. Dort haben wir vor Augen geführt bekommen, welch ein Leben Reiche führen können: Cocktails, Schatten, bequeme Liegen und sogar einen Shuttle-Service vom Club zur eigenen Yacht.

Und dann beobachte ich noch eine Szene - ein paar Handtücher weiter. Da liegen zwei junge, frisch Verliebte am Strand. Haben nichts als ein Handtuch und eine Wasserflasche dabei. Sie leben sprichwörtlich von Luft und Liebe - wie ein Gegenentwurf zu den Leuten im Beach-Club. Und sie scheinen nicht unglücklicher zu sein – im Gegenteil.

Später laufen wir am Hafen von St. Tropez entlang. Die haushohen Luxusyachten dort sprengen jeden Rahmen. Da entdeckt meine Frau eine Skulptur aus Metall. Ein Männchen, das knapp überm Boden schwebt. In der linken Hand einen schweren Geldsack, der es zu Boden zieht. Und in der Rechten ein Luftballon-Herz, das nach oben zieht. „Geld oder Liebe?“, scheint es zu fragen. Geld kann runterziehen, Liebe nach oben.

Während ich die Skulptur betrachte, denke ich: Die passt gut hier her. Denn gerade wer viel Geld hat, sollte ab und zu überlegen, wie wichtig man es nimmt, ob es mich regiert, ob es mich gierig oder oberflächlich macht - runterzieht. Und wer nicht so viel davon hat, darf sich immer wieder bewusst machen, welch wunderbares Geschenk doch die Liebe ist.

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SWR3 Gedanken

01JAN2025
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Wir Menschen sind alle aus Sternenstaub. Das hört sich etwas esoterisch an, ist aber wissenschaftlich anerkannt. Nach dem Urknall sind die ersten Gas-Sterne entstanden - so etwas wie kosmische Kraftwerke, in denen sich chemische Elemente bilden konnten. Wenn so ein Stern explodiert, wird das ganze Material ins All geschleudert und trifft dort irgendwo auf Reste anderer Explosionen. Daraus werden neue Himmelskörper und letztlich auch alles, woraus die Erde besteht. Egal ob Steine, Insekten Menschen oder Pflanzen, wir sind alle aus dem gleichen Material - faszinierend.

Wenn ich mir das bewusst mache, dann fühle ich mich nicht nur mit dem Universum verbunden, sondern auch mit allem, was mich hier umgibt. Und das macht wieder mal deutlich, dass wir Menschen alle die gleiche Würde haben, uns also gleich behandeln sollten, und ebenso die Natur.

Der Astrophysiker Heino Falcke hat viel über die Entstehung des Universums geforscht. Er sagt: „Wenn ich frage: Wo kommt das alles her? (…) Dann komme ich vielleicht zum Urknall - aber wo kommt der her? Und wo kommen die Regeln her, aus denen alles entstanden ist? Und diese Grundfragen, die kann die Naturwissenschaft einfach nicht beantworten.“

Wenn ich an diesen unbeantworteten Fragen nicht verzweifeln möchte, dann kann ich eine Grundentscheidung treffen. Nämlich die, dass ich darauf vertraue, in guten Händen eines Schöpfers zu sein. Heino Falcke hat diese Entscheidung getroffen und ist froh darüber. Denn deshalb kann er voller Überzeugung sagen: „Ja, wir sind rein physikalisch gesehen eine Ansammlung von Sternenstaub. Aber mit unserem „Ja“ zum Schöpfer sind wir geliebte Krümelchen im All.“

 

Heino Falcke zitiert nach: SWR Kultur „Zum Feiertag Christi Himmelfahrt“ vom 18.05.2023. Interview mit Heino Falcke. (https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=37680) am 17.12.2024

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SWR3 Gedanken

31DEZ2024
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Woher kommt dieser Ausdruck - „zwischen den Jahren“? Ich dachte immer, das „zwischen“ bezieht sich auf das alte und das neue Jahr. Jetzt habe ich gelesen, dass ein ganz anderer Zwischenraum gemeint ist: der zwischen Sonnenjahr und Mondjahr. Die Sonne braucht genau 365 Tage, um wieder an derselben Stelle zu stehen wie im Vorjahr. Der Mond aber elf Tage weniger. Und diese elf Tage nennt man „zwischen den Jahren“. Sie dauert von Heiligabend bis Dreikönig.

Früher wurde sie betrachtet als „Zeit außerhalb der Zeit“ oder des normalen Rhythmus - und damit eine freie und geschenkte Zeit. Und so fühlt sie sich vielleicht auch heute noch an. Meistens weiß ich gar nicht mehr, welcher Wochentag gerade ist.

Ein, zwei Stunden reserviere ich in dieser „Zwischenzeit“ gerne für meinen Terminkalender. Ich setze mich in Ruhe hin und gehe Woche für Woche das vergangene Jahr durch. Da sehe ich, was alles los war und erinnere mich nochmal an die schönen und auch die schweren Momente des Jahres: Wer ist zur Welt gekommen? Wer ist gestorben? Welche Feste haben wir gefeiert und wo war ich in Urlaub?

Und weil ich den Terminkalender schon mal vor mir habe, werfe ich gleich auch noch einen Blick ins kommende Jahr: Welche wichtigen Termine stehen schon drin? Wen sollte ich mal wieder treffen? Worauf freue ich mich schon?

Mich sammeln, das Alte abschließen und mich aufs Kommende einstellen - ich glaube das ist ein guter Plan, um bewusst zu leben. Und ein guter Plan für heute oder die kommenden Tage.

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SWR3 Gedanken

30DEZ2024
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Die Tage nach Weihnachten nennt man „Raunächte“. Vielleicht, weil sie besonders rau und unwirtlich sind. Früher hat man sich in den Raunächten abends in der Stube am Kaminfeuer getroffen, um Geschichten von den Ahnen und von Geistern zu erzählen. Man hat Hausmusik gemacht, Körbe geflochten und auf seine Träume geachtet.

Heute klingt das überholt. Ich finde die ursprüngliche Idee dahinter trotzdem gut. Es ging ja darum, die Zeit gut zu nutzen, in der man zur Pause verdonnert war, weil die Natur gerade Pause macht und weil es draußen kalt und dunkel ist. Und da hat man offenbar Wert darauf gelegt, Zeit für sich, für andere und für das Übersinnliche zu haben.

Das geht auch heute noch: sich mit Freunden oder der Familie treffen. Vielleicht nicht in einer Bauernstube am Kamin, aber auf dem Sofa oder in einer gemütlichen Kneipe. Statt Körbe zu flechten könnte ich einem vernachlässigten Hobby nachgehen – mal wieder die Klarinette auspacken oder ein altes Möbelstück auf Vordermann bringen. Und warum nicht Bilder von alten Freunden oder Verstorbenen aufstellen und sich an ihre Spleens oder Sprüche erinnern.

Von jeher waren die Raunächte eine Zeit, in der man sensibel war für alles Sinnliche und Übersinnliche. Eine Zeit, in der man seine Gefühle und Träume ernst genommen hat. Vielleicht führe ich ein kleines Tagebuch, in das ich schreibe, wie ich mich gerade fühle oder was ich geträumt habe.

Die Raunächte – genau die richtige Zeit, um mir mal wieder klar zu machen, wo ich herkomme, was mich ausmacht und wie´s in mir aussieht.

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SWR3 Gedanken

29DEZ2024
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Ich war mit meiner Familie auf der Eislaufbahn. Wenn ich gewusst hätte, wie rutschig das ist, hätte ich nicht so schnell zugestimmt. Mit klobigen Schlittschuhen betrete ich die Eisfläche, mache vorsichtige Schrittchen und ausladende Armbewegungen. Um mich herum schnelle Flitzer und elegante Schwünge, alle scheinen in ihrem Element zu sein, nur ich nicht.

Mit Weihnachten hat sich Gott auch ein Stück aufs Glatteis begeben. Im übertragenen Sinn hat er seinen fest stehenden Himmelsthron verlassen und muss nun in Kinderschuhen die Mühen der Welt ertragen: abhängig von Maria und Josef, Masern, Karies, Streit mit den Geschwistern, ein blauer Fingernagel vom Hämmern in Papas Werkstatt – für Gott vielleicht ein Gefühl wie für mich auf dem Eis.

Bei mir ist es allerdings nicht bei diesem Gefühl geblieben. Nach ein paar vorsichtigen Runden hat die Sache angefangen Spaß zu machen – das mühelose Gleiten, die immer tollkühneren Kurven, und nicht zuletzt auch die Glühwein-Pause an der Bande.

Auch Jesus ist irgendwann mal in den Flow gekommen. Mit 30 Jahren hatte er seinen Weg gefunden von der Hobelbank in die Sandalen des Wanderpredigers. Er hat das gemacht, was seine Berufung war: Minderheiten geschützt, Menschen geheilt und von Gott seinem Vater erzählt. Was ihm wichtig war, würde er vielleicht so zusammenfassen: „Mein Vater ist kein rachsüchtiger Herrscher, sondern ein liebevoller Papa und Mama für alle. Auch wenn das Leben hart sein kann, wenn alle anderen schneller sind, wenn ihr ausrutscht oder das Leben euch wehtut – mein Vater wird bei euch sein. Fürchtet euch nicht!“ 

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SWR3 Worte

07DEZ2024
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Einen ganz besonderen Engel hat der Autor Frank Howaldt vor ein paar Jahren im Züricher Hauptbahnhof erlebt. Er erzählt:

„Engel“ wird sie genannt. (…) Niemand weiß, wie sie wirklich heißt (…). Arm sieht sie aus, mit beiden Händen hält sie sich an ihrem (…) Rollstuhl fest. (…) Sie steht einfach da. (…) Mitten im Getümmel des Züricher Hauptbahnhofes. (…)

Es hat sich herumgesprochen, wofür sie da ist. Sie segnet. (…) Meistens tut sie es beiläufig – ohne große Gesten und lautlos segnet sie die vorbeieilenden Reisenden. Wie ein immerwährendes Gebet.

Manchmal bleibt jemand stehen. Scheinbar sorgenvoll, weil etwas Schweres bevorsteht. Auch dann bleibt sie leise, oft mit geschlossenen Augen. Aber die Menschen in Zürich vertrauen ihrem Engel am Rande der Bahnhofshalle. (…) Fürchte dich nicht!

Quelle:
Andere Zeiten e.V. (Hg.): Adventskalender 2013 / 14, Andere Zeiten e.V., Hamburg 2013, Seite: 1. Dezember

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SWR3 Worte

06DEZ2024
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Eine Nikolausgeschichte der Bloggerin und Autorin Susanne Niemeyer

Einmal fand ich eine Rose an der Windschutzscheibe (…). Eine rote Rose, sie klemmte hinter dem Scheibenwischer. Kein Zettel dabei, keine Nachricht (…). Ich war beflügelt, in Gedanken bei einem heimlichen Verehrer oder einem gewitzten Freund (…). Mit einem Lächeln schwebte ich durch den Tag.

Heute werde ich Rosen kaufen. Und sie hinter die Scheibenwischer einiger Autos klemmen. Oder ein paar Nikoläuse in Briefkästen verteilen. Vielleicht auch einen Stern an die Türen meiner Nachbarn hängen. Und dann werde ich mir vorstellen, dass der eine oder die andere überrascht ist. Sich freut und gute Laune bekommt. Weil jemand an ihn gedacht hat.

Quelle:

Susanne Niemeyer: Rosen, in: Andere Zeiten e.V. (Hg.): ach!, Hamburg 2007.

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