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SWR2 Wort zum Tag

23JUL2021
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Heute beginnen die Olympischen Spiele in Tokio. Ein Jahr verzögert und immer noch gibt es  viele Gründe, die dagegensprechen, dass Olympia in diesem Jahr stattfindet. Aber es gibt einen Punkt, der mich überzeugt, dass es richtig ist, die Spiele in diesem Jahr zu eröffnen: Olympia verbindet Menschen. Das war auch die ursprüngliche Idee.  Vor knapp 130 Jahren hatte ein junger französischer Student den Einfall dazu. Es war Pierre de Coubertin. Er glaubte daran, dass sportliche Wettkämpfe dabei helfen, junge Menschen aus aller Welt in Kontakt miteinander zu bringen. Statt sich Kriege zu liefern, könnte man sich lieber bei fairen Wettkämpfen messen. Das war einer seiner Leitgedanken. Coubertin konnte Athletikverbände für sein Vorhaben gewinnen. Ziemlich zeitgleich entdeckten deutsche Archäologen die antike Olympiastätte, was auf großes Interesse stieß. So war das Olympia-Fieber geboren und die Olympischen Spiele, die einst zu Ehren der Götter abgehalten wurden, lebten neu auf.

Coubertins Idee ist zeitgemäßer denn je: die Menschen verschiedener Nationen brauchen Ereignisse, bei denen sie sich friedlich begegnen können. Und doch scheint dieser Grundgedanke bei Olympia in den Hintergrund gerückt zu sein.

Olympia ist eine riesige Maschinerie, bei der es um Erfolg und Geld geht und nicht unbedingt um den Gedanken „Dabei sein ist alles“. Da ist es wichtiger, welches Land die meisten Medaillen gewinnt, und nicht, wer mit wem neue Freundschaften schließt.

Aber ich kann den Zauber von Olympia und Coubertins ursprüngliche Vision hoffentlich auch in diesem Jahr wieder spüren.

Wenn ein Sportler stürzt und der Konkurrent ihm wieder aufhilft, obwohl er dadurch Zeit verliert. Oder wenn sich auf dem Siegerpodest Sportlerinnen herzlich gratulieren, obwohl sie aus Ländern kommen, die politisch verfeindet sind. Für mich sind genau das die Momente, die unter die Haut gehen und in Erinnerung bleiben. Und solche Momente braucht die Welt auch im Jahr 2021 wieder. Momente des Miteinanders, die gehen über die sportlichen Wettkämpfe hinaus.

Wenn ich in meinem Alltag mit anderen für ein gemeinsames Ziel kämpfe, dann kann das mein Leben um schöne Momente bereichern. Gemeinsam ins Ziel zu kommen ist ein echter Gewinn. Nicht nur bei Olympia.

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SWR2 Wort zum Tag

28NOV2019
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Ich bin Religionslehrerin an einer beruflichen Schule. Ich setze mich jeden Tag mit jungen Menschen auseinander, die mit mir ganz kritisch über Gott und die Welt und vor allem auch über die katholische Kirche sprechen. Und das fordert mich.

Letztens hat ein Schüler mich gefragt, wieso ich mir das als Frau überhaupt antue, Vertreterin einer so frauenfeindlichen Institution wie der katholischen Kirche zu sein. Ich hab‘ erstmal geschluckt und durchgeatmet. Denn mit dieser Frage hat er was in mir getroffen, womit ich ringe. Ich wollte innerhalb der Kirche nie etwas anderes, als Religionslehrerin werden. Ich habe in meinem Leben keine schlechten oder sogar traumatisierenden Erfahrungen mit der Kirche gemacht. Aber mein aufgeklärtes Frauenbild geht tatsächlich nur schwer mit den archaischen Strukturen der katholischen Kirche zusammen. Ich habe dann versucht zu erklären, dass der Glaube an Gott, an Jesus für mich so eine Art Liebesbeziehung ist, die ich als Teil der katholischen Kirche lebe. Sie begleitet mich seit meiner Geburt. Als Jugendliche war ich in den verschiedenen Gruppen in der Kirchengemeinde richtig zuhause. Das war ein Ort, an dem ich genau die sein konnte, die ich war … Damit kann ich nicht einfach brechen, weil mir manche Strukturen nicht gefallen. Das Fundament meiner Liebe ist ja noch da.

So richtig überzeugt hat meine Antwort den Schüler nicht – er meinte dann ganz salopp, dass Liebesbeziehungen ja häufig masochistisch seien.

Der Kommentar hat gesessen – so sehr, dass ich seitdem noch mehr über meine Rolle innerhalb der Kirche nachdenke, als vorher.

Ich finde, dass die Frauen in der katholischen Kirche gerade einen wichtigen Schritt wagen. Sie haben im Mai für eine Woche gestreikt um sich gegen eine männerdominierte Kirche und für den Zugang von Frauen für Weiheämter einzusetzen. Sie haben mit der Aktion gezeigt, welche Rolle die Frauen für das Gemeindeleben spielen. Und wollen darüber hinaus darauf hinweisen, dass innerhalb der Institution Kirche nicht die gleichen Rechte für Mann und Frau gelten. Es geht einfach nicht mehr zusammen mit der heutigen Lebenswirklichkeit.

Mich spricht an, wie die Münsteraner Dogmatikprofessorin Dorothea Sattler in dieser Diskussion argumentiert. Sie weist darauf hin, dass allein die Frage entscheidend ist, was Gott mit seiner Kirche will. Und wenn Frauen in dieser Kirche geweiht werden dürften, könnte durch die Gestalt der Kirche selbst gezeigt werden, dass die Kirche eine Gemeinschaft von Frauen und Männern ist. Weil Frauen und Männer in Christus die gleiche Würde haben. Sie erklärt es mit folgenden Worten: „Frauen sind nicht automatisch die besseren Amtsträger, aber ein Bewerberkreis aus Männern und Frauen würde ermöglichen, strenger zu prüfen und sich stärker an den Charismen zu orientieren: Wer ist kommunikationsfähig? Wer kann zuhören? Wer geht zu den Menschen? Wer ist bereit, sich selbstkritisch prüfen zu lassen?“

Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle. Dieser Ansatz entspricht uns Menschen.

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SWR2 Wort zum Tag

27NOV2019
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Meine Freundin Theresa hat sich plötzlich nicht mehr gemeldet. Ich habe alles versucht, aber es ist einfach nichts zurückgekommen. Mich hat das sehr beschäftigt und ich habe mir Sorgen gemacht. Nach einem dreiviertel Jahr hat sie sich dann endlich wieder gemeldet. Und mir erzählt, dass sie in eine Depression geraten ist.

Oh man, hätte ich das nicht früher erkennen und ihr helfen können?

Ich habe mich auf die Suche gemacht, was ich denn konkret in solchen Situationen tun kann. Dabei bin ich auf einen interessanten Ansatz gestoßen:

In Australien wurde der Ansatz „mental health first aid“ entwickelt– übersetzt heißt das so viel wie „Erste Hilfe für psychische Gesundheit“. Die Idee dahinter ist, dass es genauso wichtig ist, jemanden in akuter seelischer Not zu helfen, wie jemandem, der gerade einen Herzinfarkt erleidet.  

Bei diesem Konzept wird nach einem klaren Schema unterstützt:

Zunächst soll ich auf den Erkrankten reagieren. Das heißt, ich spreche ihn offen an, wie ich seine Situation gerade wahrnehme. Bei meiner Freundin Theresa hätte ich zum Beispiel sagen können, dass ich das Gefühl habe, dass sie sich verändert hat. Irgendetwas ist mit ihr passiert. Und ich hätte sie dazu auffordern können, mir ihre Sicht zu schildern.

Natürlich lässt sich nicht jeder, dem es schlecht geht, auf so ein Gespräch ein. Aber auch dann darf ich hartnäckig sein. Ich könnte so etwas sagen wie: „Ich mache mir große Sorgen um dich. Ich sehe, wie du dich zurückziehst und ich weiß, dass Du das früher nicht gemacht hast. Vielleicht bin ich nicht die Person, mit der du darüber reden kannst, aber es gibt viele Hilfsangebote. Eines davon passt bestimmt auch für dich.“

Es geht darum, der Erkrankten gegenüber offen zu sein, ihr aber auch ganz konkrete Kontakte zu geben, bei denen sie sich Hilfe holen kann.

Der letzte Schritt des Konzeptes ist es, gemeinsam mit der Erkrankten nach Ressourcen in ihrem Leben zu suchen. Gemeinsam zu überlegen, ob es eine Vertrauensperson in ihrem Alltag gibt, die er mit einbeziehen kann.

Durch dieses Training sollen Menschen ihr Problem erkennen können um sich dann professionelle Begleitung zu suchen.

Das Schulungsprogramm ist auch dafür da, ein Erste-Hilfe-System für psychisch Kranke aufzubauen. Da können sich Menschen melden, die dazu bereit sind im Alltag erste Hilfe für Erkrankte zu leisten. In Deutschland entsteht das Projekt erst. Deswegen sollen zuerst Menschen geschult werden, die in großen öffentlichen Einrichtungen arbeiten. Etwa Mitarbeitende in Personalverwaltungen oder Lehrer … So soll mit der Zeit ein erste Hilfe Netz für seelische Erkrankungen entstehen.

Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, mich in dem Bereich schulen zu lassen. Denn endlich wird in der Gesellschaft mehr darüber gesprochen... Und dennoch wissen viele nicht, wie sie mit solchen Erkrankungen umgehen können und sind einfach unsicher. Das habe ich bei der Situation mit meiner Freundin hautnah erlebt.

Erste Hilfe zu leisten ist eine gesellschaftliche Pflicht. Und ich finde den Ansatz gut, Erste Hilfe auch auf psychische Erkrankungen auszuweiten. Ich bin überzeugt davon, dass dies auch helfen kann, Vorurteile abzubauen.

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SWR2 Wort zum Tag

26NOV2019
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Meine Oma ist vor kurzem verstorben. Sie war 97 Jahre alt und es kam nicht sonderlich überraschend. Ihr ging es schon länger schlecht und sie hat sich ihren Tod monatelang herbeigewünscht. Insofern war es für sie eine Erlösung – und für meine Familie auch. Wir haben sie begleitet, aber wir haben auch ihr Leid gesehen.

Der Tag ihrer Beerdigung war schön. Das hat mich überrascht, weil ich sowas nicht erwartet habe. Beerdigungen sind nicht schön. Ich hab‘ aber jetzt in Omas Fall gelernt: doch. Denn es sind ganz viele Freunde und Bekannte gekommen. Sie haben hinter uns gestanden, haben mitgetrauert, uns in den Arm genommen und getröstet. Und nachher bei Kaffee und Kuchen war es richtig nett. Wir haben geredet, gelacht und geweint.

Umso trauriger fand ich es, als ich letztens gelesen habe, dass immer mehr Verstorbene gar keine Trauergemeinde mehr um sich haben. Oft sind die Freunde und Verwandten schon gestorben oder selbst zu alt, um zu einer Beerdigung zu kommen.

Den Gedanken finde ich ganz deprimierend – wenn jemand nicht mehr aus dieser Welt verabschiedet wird, weil einfach keine mehr da ist, die ihn gekannt hat... Ich finde, auch Beerdigungen gehören zum Zyklus des Lebens. Genauso wie es Menschen gibt, die sich freuen, wenn ein Kind geboren wird, gehören für mich Menschen dazu, die trauern, wenn jemand beerdigt wird.

In einem ähnlichen Dilemma hat sich eine dänische Pastorin gesehen. Sie war mit der Beerdigung eines Mannes beauftragt worden, der nur noch drei nahestehende Menschen um sich hatte. Das sind aber nicht genug, um den Sarg zu tragen. In Dänemark ist es Tradition, dass Familienangehörige und Freunde den Sarg zum Grab tragen.

Spontan hat die Pfarrerin übers Internet einen Aufruf gestartet und Menschen gebeten, den Mann bei seiner Beerdigung zu begleiten. Und anders als sie erwartet hat, sind 80 Menschen zu der Beerdigung des Mannes gekommen. Und das, obwohl sie ihn nicht kannten. Das ist doch toll. Ich bin ganz berührt.

Ich finde, niemand sollte alleine beerdigt werden. Deswegen gefällt mir die Aktion der dänischen Pastorin. Und ich denke, das wäre gut auf unsere christlichen Kirchengemeinden übertragbar. Eine Kirchengemeinde ist  eine solidarische Gemeinde – oder sollte es sein. Es wird aufeinander geschaut. Es wäre doch eine schöne und wichtige Aufgabe, sich dafür einzusetzen, dass niemand alleine beerdigt werden muss. Eine Möglichkeit wäre, die Beerdigung mit einem normalen Gemeindegottesdienst zu verknüpfen. So, wie die Taufe eines Kindes die gesamte Gemeinde betrifft, betrifft sie auch der Tod und die Beerdigung eines Menschen. Dann müsste niemand mehr allein aus dieser Welt verabschiedet werden.

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SWR2 Wort zum Tag

25NOV2019
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Ich trainiere gerade für einen Halbmarathon. Eine Freundin hat mich für den Lauf angemeldet, ohne vorher mit mir zu sprechen. Sie meint, wir bräuchten mal eine sportliche Herausforderung.

Normalerweise treffen wir uns einmal die Woche, so 6-7 Kilometer zusammen zu joggen.

Aber 21 Kilometer? Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich das schaffen soll. Aber meine Freundin hat in einem Punkt recht: Wir bewegen uns bisher immer nur in einem Radius, den wir gewohnt sind. Der uns nicht mehr viel abverlangt. Außer, dass wir uns aufraffen, loszulaufen.

Also habe ich beschlossen, das Beste draus zu machen und das Halbmarathon-Training auf eine ganz bestimmte Art anzugehen: Ich will versuchen das Laufen nicht als Pflichtprogramm zu sehen. Sondern ich möchte offen sein für das, was mit mir bei diesem Training passiert.

Normalerweise dröhne ich mich beim Laufen mit Musik zu, um mich anzutreiben. Das lasse ich mal weg.

Vielleicht lerne ich dabei, mehr auf meinen Körper zu hören – es geht nicht darum, mich an meine Grenzen zu bringen, sondern in Einklang mit mir und meinem Körper so weit zu kommen, wie ich kann – ohne ihm zu schaden.

Ich muss zum Beispiel lernen, langsam zu laufen. Den Fuß richtig aufzusetzen, damit er nicht schmerzt. Und vielleicht schaffe ich es, meine Gedanken frei zu lassen - vielleicht sogar mit Gott zu sprechen.

Ich muss mich beim Laufen sehr stark mit mir selbst auseinandersetzen. Wie reagiere ich auf unterschiedliches Tempo, unterschiedliche Außentemperaturen? Wie sehr spielt das, was ich an einem Tag erlebt habe, mit in meinen Lauf rein?

Auch wenn ich noch ganz am Anfang meiner Übung bin – ich merke, es tut mir gut. Ich mache nicht einfach nur Sport, sondern ich bemerke eine spirituelle Seite im Laufen. Ich merke, wie mein gleichmäßiger Laufschritt mir einen Rhythmus vorgibt, der sich verselbstständigt und wie eine Mediation meine Gedanken frei lassen kann.

Ich nehme mir Zeit, zu laufen – dafür breche ich schon die gewohnten Strukturen meines Tages auf. Und ich stoße immer wieder an meine Grenzen. Ich lerne, die Grenzen zu akzeptieren und bis zu einem bestimmten Punkt zu überschreiten. Und innerhalb dieser Grenzen kann ich dann auch erkennen: da ist etwas Größeres, als mein kleines Leben, als mein Laufen. Ich laufe auf ein Ziel hin, dieses Ziel ist ungewiss aber ich weiß, irgendwann komme ich an…

Nach meinem ersten Schock, auf einen Halbmarathon trainieren zu müssen, bin ich jetzt ganz gelassen geworden. Ich laufe – ich breche ab – aber ich fange immer wieder an und es geht mir nicht darum, ob ich es schaffe. Sondern dass ich es versuche.

Was für mich das Laufen ist, ist für andere Singen oder Malen oder Lesen oder etwas ganz anderes. Es gibt bestimmte Hobbys und Erfahrungen im Alltag, die voller spiritueller Tiefe sind. Mich beeindruckt das immer wieder, dass ich gerade in den Situationen, wo ich es am wenigsten erwartet habe, das Gefühl von Gott und Weite erfahre.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29825
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SWR2 Wort zum Tag

Kinder aus aller Welt haben letztes Jahr beschlossen, ihre Spielzeugwaffen abzugeben und einschmelzen zu lassen. Der Plastikklumpen, der dabei entsteht, soll im Spielzeugmuseum in Nürnberg ausgestellt werden. Diese Aktion ist entstanden aus einer Idee des „Papiertheaters in Nürnberg“. Das Papiertheater ist einerseits ein Theater, aber auch ein Diskussions- und Kunstforum in Nürnberg.  Eines seiner Projekte ist die „Konferenz der Kinder“.

Kinder sollen in dieser Konferenz ihre Meinung sagen können – ganz egal, aus welchem Land sie kommen. Sie sollen dort darüber sprechen, wovor sie Angst haben, was sie sich wünschen, und auch was sie von den Erwachsenen fordern.

Die erste Sitzung hat im letzten Sommer stattgefunden. Und eines der wichtigsten Themen dieser Konferenz hieß „Frieden“.

Die Kinder haben beschlossen, ein Vorbild für die Erwachsenen zu werden. Sie rüsten ihre Kinderzimmer ab. Sie rufen Kinder weltweit dazu auf, ihre Plastikwaffen, Cowboyrevolver, Wasserpistolen und ähnliches an das Spielzeugmuseum in Nürnberg einzuschicken.

Einer der Werbesprüche der Kinder lautet: „Keine Kriege mehr – gebt Waffen her.“ Sie wollen damit andere Kinder motivieren, ihre Plastikwaffen einzusenden.

Bei diesem Spruch frage ich mich noch Minuten, nachdem ich ihn gehört habe: Sind da denn jetzt noch die Kinder gemeint? Geht es wirklich nur noch um Plastikwaffen? Ich finde, die Geste dieser Kinder ist stark. Sie wollen zeigen: Frieden fängt im Kleinen an,  und sie geben dafür ein Spielzeug her. Sie wollen damit ein Vorbild werden, dass weltweit abgerüstet wird. Denn oft genug sind die Kinder diejenigen, die das austragen müssen, was wir Erwachsene verpfuscht haben. Schon Jesus hat betont, dass Kinder für Erwachsene ein Vorbild sein können.

 So erzählt das Markusevangelium, dass die Kinder einmal Jesus sehen wollen und die Jünger sie wegscheuchen. Dort heißt es: „Als Jesus das sah, sagte er den Jüngern ärgerlich: 'Lasst doch die Kinder zu mir kommen, und hindert sie nicht daran! Gottes Reich ist ja gerade für solche wie sie bestimmt. Ich versichere euch: Wer sich Gottes Reich nicht wie ein Kind schenken lässt, wird nie hineinkommen.' Dann nahm er die Kinder in die Arme, legte ihnen die Hände auf und segnete sie.» (Mk 10, 14-16)

Gerade deshalb finde ich es toll, dass es jetzt diese „Konferenz der Kinder“ gibt, wo Kinder den Erwachsenen mal deutlich sagen können, was ihnen wichtig ist. Und die Aktion, die Plastikwaffen einzuschmelzen, die finde ich stark. Ein super Vorbild für uns Erwachsene.

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SWR2 Wort zum Tag

Einer meiner besten Freunde ist schwul. Er selbst und ich wussten erst gar nichts davon. Wir haben uns kennen gelernt, als ich in der Jugendarbeit tätig war. Und ich habe mich Hals über Kopf in ihn verliebt. Wir wurden beste Freunde und ich habe lange Zeit gehofft, dass es irgendwann funken würde zwischen uns... Dies ist nie geschehen. Und nach ein paar Jahren haben wir beide erkannt, warum es bei uns nie mit einer Beziehung geklappt hat. Ich habe es  gemerkt, als ich beobachtet habe, wie er mit anderen Männern umgeht… und auch er hat es erst dann wirklich selbst begriffen, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt.

Ich habe ihn bei dem Prozess begleitet, wie er seiner Familie und seinen Freunden mitgeteilt hat, dass er schwul ist. Für ihn ist es kein einfacher Weg gewesen. Für unsere Freundschaft auch nicht – aber wir sind bis heute Freunde geblieben.

Während dieser Phase konnte ich so nah miterleben, dass seine Homosexualität etwas ganz Natürliches ist. Nichts, wofür er sich hätte entscheiden können. Während ich mich weiter neben Studium und Job in der Kirche engagiere, hat mein Freund mir irgendwann gesagt: „Was soll ich in der Kirche. Für mich hat sie keinen Platz.“ Und ich konnte ihm leider nicht das Gegenteil beweisen. Es gibt viele ähnliche Geschichten wie die, die ich mit meinem Freund erlebt habe.

Und ich finde es schade, dass die Kirche es nicht schafft, eine offenere Haltung einzunehmen. Natürlich ist das Thema nicht nur in der Kirche schwierig – erst neulich hat unsere Regierung beschlossen, gegen sogenannte „Schwulenheiler“ vorzugehen. Das sind Ärzte, die meinen, Homosexualität sei etwas Anormales oder etwas, das sich behandeln ließe.

Ich glaube, dass  die kirchliche und die gesellschaftliche Haltung zum Umgang mit   „Homosexualität“ eng zusammen liegen.

Ich weiß, es ist ein großes theologisches Streitthema. Aber für mich ist es ganz leicht: Ich kann nicht an einen Gott glauben, der Menschen ausschließt – weil sie sind, wie sie sind. Jeder Mensch, der an Gott glaubt, ist von ihm auch angenommen. Und dies ist nicht meine rein subjektive Haltung, sondern ein Verständnis, das sich für mich auch aus der Bibel ergibt. Im Buch der Weisheit heißt es: „(Gott,) du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens.“( Die Bibel, Einheitsübersetzung 2016, Buch der Weisheit 11,24-26).

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SWR2 Wort zum Tag

Vor kurzem hat der Antisemitismusbeauftrage der Bundesregierung gewarnt: Juden und Jüdinnen sollten in der Öffentlichkeit besser keine Kippa tragen. Die Gefahr, von Rechtsextremen angegriffen zu werden, sei zu groß.

Kurz darauf gab es eine Veranstaltung in Mannheim: Drei jüdische Mitbürger – die 40-jährige Rut und zwei Studenten, Ruben und Noah – haben zu einem Gesprächsabend eingeladen Wir haben uns einfach in einen Stuhlkreis gesetzt und die drei haben zwischen uns gesessen. Wir sollten miteinander ins Gespräch kommen.

Und dann ging´s los mit einer Fragerunde. Es kamen Fragen wie: Gibt es in der Umgebung koschere Supermärkte? Wie ist das mit den koscheren Lebensmitteln? Wo betet ihr? Was muss am Sabbat beachtet werden? 

Rut hat erzählt, dass ihre Tochter auch überzeugt die Kippa trägt. Ich dachte immer, dass die Kippa nur von Männern getragen wird. Traditionell ist das auch so - aber bei den nicht so streng Gläubigen tragen auch manche Frauen die Kippa. Denn sie ist ein Symbol dafür, dass Gott über den Menschen steht. Das gilt eben auch für Frauen.

In dem Gespräch konnte ich erleben, dass sich meine jüdischen Mitmenschen ganz ähnliche Fragen stellen, wie ich. Zum Beispiel, wie sich die religiösen Gebote in die aktuelle Zeit übersetzen lassen können. So, wie auch ich als Christin mich immer wieder frage, was ist der Kern des Evangeliums in die heutige Zeit übersetzt?

Rut hat erzählt, dass sie im Grunde ihren gesamten Jahresurlaub aufbrauchen müsste, um alle jüdischen Feiertage feiern zu können. Da sie sich nicht vorstellen kann, dass Gott das von ihr erwartet, wählt sie einen Mittelweg und feiert nicht alle Feiertage.

Es war ein interessantes Gespräch auf Augenhöhe. Ohne in theologische Fachdiskussionen abzurutschen.  Es ging ganz einfach darum, wie der jüdische Alltag aussieht.

Als die jüdischen Studenten erzählten, dass es in den letzten Jahren mit den Anfeindungen schlimmer geworden sei, konnten das auch Muslime bestätigen, die da waren.  Die überlegen zum Beispiel, ob es besser wäre, die Moscheen mit Überwachungskameras auszustatten.

Natürlich haben wir auch diskutiert – wir waren nicht immer einer Meinung. Aber das hat das Gespräch auch spannend gemacht. Wir haben erkannt, wo sich unsere Religionen unterscheiden, aber wir haben auch gesehen, dass wir vieles gemeinsam haben.

Ich habe viel an diesem Abend über die jüdische Religion gelernt. Aber noch spannender fand ich, dass durch das Gespräch eine Verbindung entstanden ist zwischen allen, die im Kreis saßen. „Ein gutes Gespräch ist wie eine Brücke“ heißt es ja, und das hat sich an diesem Abend für mich wieder einmal vollkommen bestätigt.

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SWR2 Wort zum Tag

Drei Franzosen sind um die Welt gereist und haben nach Lösungen gesucht, wie unser Planet zu retten ist.

Sie haben interessante Menschen getroffen, die gute Ideen haben. Zum Beispiel Charles und Perrine, ein Ehepaar aus der Normandie. Es betreibt Landwirtschaft nach dem System der „Permakultur“. Das heißt, sie düngen ihre Felder nicht und benutzen auch keine Pestizide. Charles und Perrine versuchen, Flächen nicht industriell zu bewirtschaften und sie dadurch weniger schnell auszulaugen. Sie haben ähnlich hohe Erträge wie bei der industriellen Landwirtschaft.

Einen anderen Ansatz verfolgt die Stadt San Francisco. Robert Reed ist Vertreter der dortigen „Recology Genossenschaft“. Diese hat ein „Kein-Müll- Konzept“ entworfen. Bis zum Jahr 2020 will die Genossenschaft 100 % der Abfälle recyceln – bisher liegt die Quote bei ca. 80 %. Das funktioniert, indem der Müll gut sortiert wird. Teile davon werden kompostiert und dann wieder als Dünger an die Landwirtschaft verkauft.

Das sind nur zwei der Gespräche, aus denen die drei Franzosen einen Film gemacht haben. Er heißt „Tomorrow“ – also „Morgen“ - und macht überraschend gute Laune. In dem gesamten Film geht es darum, welche Möglichkeiten es in dieser Welt gibt, das Leben besser und nachhaltiger zu gestalten. Etwa, wie wir mit dem Klima umgehen, mit unseren Ressourcen und wie ungerecht alles verteilt ist. Aber statt all der Probleme zeigt der Film Menschen, die nach innovativen Lösungen suchen, wie die Welt ein besserer, ein sauberer oder auch ein gesünderer Ort für alle werden kann.

Auf mich wirkt der Film wie das Wort eines Propheten.  Aber er ruft nicht ein Horrorszenario aus, auf das wir Menschen und die Welt zusteuern. Sondern er ist hoffnungsvoll und zuversichtlich.  Er zeigt – jeder kleine Schritt kann zählen.

Tja – und was kann ich damit in meinem Alltag anfangen? Lustigerweise ist mir erst nachdem ich die Doku angeschaut habe ein Gartenprojekt in meiner direkten Nachbarschaft aufgefallen. Dort betreiben Anwohner auf einer vorher brachliegenden Grünfläche, zwischen Supermarkt, Fabrikgebäude und Wohnhäusern einen kleinen Gemüsegarten. Alle dürfen mitmachen und auch ernten. Dadurch merke ich: ich muss nicht das Gemüse aus anderen Ländern essen. Und Grünflächen in der Stadt sorgen für mehr Insekten.

Der Film „Tomorrow“ ist zu keinem Zeitpunkt explizit religiös. Aber für mich ist er trotzdem wie ein religiöser Appell:  In der Welt gibt es viele Krisen. Der Film bringt mich zum Nachdenken, wie wir Menschen verantwortungsvoll mit der Schöpfung Gottes umgehen können. 

Ich empfinde es auch wie einen Auftrag, der sich direkt aus der Bibel ergibt. Verantwortungsvoll mit der Erde umzugehen. So, dass für jeden Menschen ein würdevolles Leben ermöglicht wird. Und das kann schon mit kleinen Lösungen anfangen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29058
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SWR2 Wort zum Tag

Vor einigen Jahren wurde ich von unserem Gemeindepriester gefragt, ob ich mir vorstellen kann, mir im Gottesdienst am Gründonnerstag von ihm die Füße waschen zu lassen. Damit wollte er an die Szene vor dem letzten Abendmahl erinnern, als Jesus seinen Jüngern die Füße gewaschen hat.  

 

Ich habe mich geehrt gefühlt und ohne darüber nachzudenken zugesagt. Aber direkt danach habe ich gedacht: Oh Gott – du willst es jemanden zumuten, deine Füße zu waschen? Und dann noch in einem Gottesdienst? Bis zu der Messe habe ich jeden Abend meine Füße besonders gründlich gewaschen und mit einer Crème gepflegt.

Mir ist durch dieses Erlebnis zum ersten Mal richtig bewusst geworden, was in diesem Ritual der Fußwaschung alles drinsteckt.

Körperpflege ist etwas, das ich eigentlich mit mir allein ausmache. Wenn mir jemand anbietet, meine Füße zu waschen, dann hat das etwas mit Demut zu tun. Mein Gegenüber nimmt sich weniger wichtig, als mich. Er kniet sich vor mich hin, nimmt meinen vom Alltag etwas gezeichneten Fuß in die Hand, wäscht ihn mit Wasser und trocknet ihn ab. Eine sehr demütige aber auch liebevolle Handlung.

Das Johannesevangelium erzählt davon, wie Jesus am Abend vor seinem Tod genau dies mit den Füßen seiner Jünger getan hat, bevor sie gemeinsam das letzte Abendmahl gefeiert haben. Und auch im Kreis seiner Jünger gibt es einen, der sich damit gar nicht wohl fühlt. Petrus weigert sich zunächst, ihm ist es auch unangenehm. Doch Jesus erwidert Petrus: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keinen Teil an mir.“ (Joh 13,8).

Jesus macht seinen Jüngern durch das Fußwaschen deutlich, dass nicht nur er, sondern auch sie bereit sein müssen, anderen zu dienen, liebevoll und demütig zu sein.

Die rituelle Fußwaschung an Gründonnerstag hat sich im letzten Jahr in einer ganz besonderen Form wiederholt: Papst Franziskus hat an diesem Tag im Gefängnis zwölf Straftätern während eines Gottesdienstes die Füße gewaschen. Manche von ihnen sind Christen gewesen, aber auch Muslime und ein Buddhist waren dabei. Papst Franziskus ist vor diesen Straftätern auf die Knie gegangen.

Ich finde diese Geste nach wie vor unglaublich stark. Denn die Kernbotschaft ist: Wer Jesus nachfolgen möchte, darf sich selbst nicht wichtiger nehmen als sein Gegenüber.

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