Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

   

SWR4

  

Autor*in

 

Archiv

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

11OKT2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Neulich sonntagabends haben meine Frau und ich einen Gottesdienst mitgefeiert. Es gab Musik und Gebet, kleine Predigt-Impulse und gemeinsamen Austausch, auch ein Abendmahl. Über 70 Menschen waren mit dabei und teilweise sehr berührt. Sie waren verteilt über ganz Deutschland. Und wir haben währenddessen noch die Kinder fertig ins Bett gebracht. Der Gottesdienst hat nämlich online stattgefunden. In der Corona-Zeit hat dieses besondere Angebot begonnen, bis heute trifft man sich alle zwei Wochen. (Brot & Liebe)

In der Corona-Zeit konnten ja viele Veranstaltungen nur online stattfinden. Inzwischen, ohne Pandemie, haben wir wieder die Wahl. Viele bevorzugen Treffen in Präsenz, bei denen alle Sinne auf ihre Kosten kommen, nicht nur Hören und Sehen, sondern auch Riechen, Schmecken und Fühlen.

Warum aber Online-Treffen weniger real sein sollen, das leuchtet mir nicht ein. Für mich ist das kein Gegensatz: Real oder online. Auch was online passiert, ist doch wirklich, passiert „in echt“.

Das gilt auch für menschliche Begegnungen. Die Emotionen können da online genauso angeregt werden wie bei einem klassischen Treffen. Dieser eine Gottesdienst die Tage ist ein Beispiel dafür. Oder wenn auf dem Bildschirm die ersten Bilder vom frisch geborenen Enkelkind zu sehen sind. Oder wenn Paare sich über ein Datingportal kennen und lieben lernen. Oder wenn sich gute Freunde stundenlang per Chat austauschen. Das alles hat Bedeutung und ist rundum echt.

Und sachliche Entscheidungen zum Beispiel, die können in einer Videokonferenz sogar besser funktionieren als bei einem Treffen in Präsenz. Es braucht präzise Wortmeldungen, klare Kommunikation – und dann irgendwann ein Ergebnis. Es kann ein gutes und ganz und gar reales Gefühl sein, das gemeinsam online hinzubekommen. Und die Auswirkungen sind spürbar.

Echte Nähe trotz großer Entfernungen – für mich als Christ hat das viel mit meinem Glauben zu tun. „[K]einem von uns ist […] [Gott] fern. Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns und haben wir unser Dasein“, heißt es mal in der Bibel [Apostelgeschichte 17,27b.28a; BasisBibel]. Da gibt es also die Vorstellung, dass durch Gott Menschen eng mit dem Leben und miteinander verbunden sind. Das ist doch gar nicht so weit weg vom heutigen Internet und seinen Möglichkeiten. Dieses gegenseitige Verbundensein über Raum und Zeit hinweg kann ich tatsächlich auch online ab und zu spüren. Ganz echt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38536
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

10OKT2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Herr Renz, können Sie mein Kreuz segnen?“ Das hat Sven mich neulich gefragt. Er arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Ich habe im selben Unternehmen auch regelmäßig zu tun, bin meistens nur ein paar Räume weiter. In der Mittagspause beim Essen begegnen Sven und ich uns meistens. Dann grüßen wir uns, tauschen Neuigkeiten aus und reden über Gott und die Welt.

Und natürlich geht’s dann auch um die Kreuze, die Sven besitzt. Ganze neun sind es insgesamt. Die meisten haben auch eine Jesusfigur mit dran, sind also richtige Kruzifixe. Die größeren Kreuze hat Sven in seinem Zimmer übers Bett gehängt. Dann, sagt er, wacht Jesus über ihn, wenn er einschläft und aufwacht. Und ich spüre, wie die Kreuze ihn auch verbinden mit seinen Eltern. Die haben ihm die Kreuze geschenkt. Sven sieht seine Eltern meistens nur am Wochenende. Aber über die Kreuze im Zimmer ist er immer mit ihnen in Kontakt. Und mit Jesus. Das passt, finde ich. Das war nämlich schon immer typisch für Jesus, dass er Menschen verbunden hat miteinander, auch über Grenzen hinweg.

Eins von Svens Kreuzen ist ganz handlich, nur ein paar Zentimeter lang. Das bewahrt Sven in seiner Brusttasche auf, genau zwischen Handy und Geldbeutel. Dort begleitet es ihn zur Arbeit und auch sonst überall mit hin. Und auch an diesem Kreuz hängt ein kleiner Jesus. „Der ist immer mit dabei. Muss sein. Der hält das aus“, sagt Sven. Und ich denke: Ja, genau so ist es doch. Was Jesus schon zu Lebzeiten alles ausgehalten hat … Und am Ende seines Lebens erst! Und auch danach ging es noch weiter für ihn. Dem traue ich zu, dass er auch unseren Alltag aushält. So beschwerlich oder banal der manchmal sein mag. Wenn ich die Kraft verliere, nicht mehr weitermachen will, dann will ich so einen bei mir haben, der es auch schon mal geschafft hat – und mir das genauso zutraut.

Dieses eine kleine Kreuz habe ich damals tatsächlich gesegnet. Und Sven dabei gleich mit. So ein Segen gibt Kraft fürs Leben. So wie das Kreuz, wenn es einem wichtig ist. Auch Ihnen wünsche ich die Erfahrung, von Jesus beschützt und begleitet zu sein. Und am besten auch ein passendes Symbol, das Sie täglich daran erinnert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38535
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09OKT2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Das neue Schuljahr ist wieder ein paar Wochen alt – und die täglichen Routinen haben sich eingespielt. Zum Beispiel der Schulweg. Bei uns sind das nur ein paar hundert Meter – und morgens auf dem Hinweg läuft jemand von uns Eltern meistens mit.

Unsere Kinder warten dann immer auf einen ganz bestimmten Moment. Kurz vor dem Ziel, ziemlich genau zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn, treffen wir eine große Hündin. Sie und ihr Herrchen kommen da immer von ihrer morgendlichen Runde. Schon von weitem können unsere Kinder sie sehen, und dann geben sie fröhlich Streicheleinheiten und Leckerlis weiter.

Für unseren Sohn ist dieses kleine Ritual besonders wichtig. Wenn die Begegnung mal nicht zu Stande kommt, fehlt ihm richtig was, und er macht sich gleich Gedanken, was wohl passiert sein könnte. In der Schule hat er jetzt gerade ganz neue Lehrkräfte bekommen, muss sich an viel Neues gewöhnen. Da denke ich, dass ihm die Treffen mit der Hündin dann erst recht Halt geben, denn die kennt er schon aus dem letzten Schuljahr. Überhaupt sind feste Strukturen ja wichtig für Kinder in ihrem Alltag.

Aber auch mir als Erwachsenem tut diese tägliche Begegnung gut. Sie gibt mir genauso Halt, auf ganz verschiedenen Ebenen. Zum einen kann ich mich schlicht vergewissern, dass wir pünktlich in die Schule kommen. Zum anderen habe auch ich mit vielen Veränderungen zu tun. Da bin ich darauf angewiesen, dass manches sich nicht ändert, sondern verlässlich bleibt, wie es ist. Und sei es so ein kleines Alltags-Ritual.

Als Christ denke ich auch an Gottes Versprechen, dass das Leben weitergeht Tag für Tag. In der Bibel wird das mal so beschrieben: „So lange die Erde besteht, werden nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ [1. Mose 8,22; BasisBibel] Das ganze Jahr über gibt es verlässliche wiederkehrende Abläufe für uns Menschen. Und vielleicht hat Gott ja damit auch sich selbst Rituale geschaffen, bleibt auf diese Weise in Verbindung mit der Welt und mit uns. Auch diese Vorstellung gibt mir Halt und macht mir Mut.

Übrigens: Von vielen unserer Hörer wissen wir, dass auch diese Radiobeiträge hier zum täglichen Ritual geworden sind. Manche lassen sich davon wecken oder putzen sich parallel zum Hören die Zähne. Einer hat mal erzählt, dass er meistens mittendrin auf den Parkplatz seiner Firma fährt, dann noch bis zum Schluss im Auto sitzen bleibt – und anschließend mit der Arbeit beginnt. Wo hören Sie jetzt gerade zu? Und welche Rituale geben Ihnen Halt?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38534
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Wie kann man gut mit Konflikten umgehen? Wann lohnt es sich, ins Gespräch zu gehen, und wann nicht?

Eine Arbeitskollegin hat neulich erzählt, wie sie persönlich das macht: „Was nach 24 Stunden noch im Kopf ist, sollte man ansprechen.“ Dieses Motto ist mir sofort im Gedächtnis geblieben. Weil ich es einprägsam finde – und vor allem hilfreich.

Mir gefällt zum einen daran, dass es mit dieser Devise auch Kleinigkeiten geben darf. Wo Menschen miteinander zu tun haben, menschelt es halt. Jeder darf mal einen schlechten Tag haben. Und es gibt Dinge, die passieren eben mal, haben aber keine großen Auswirkungen auf das langfristige Miteinander. Also muss ich sie auch nicht auf die Goldwaage legen oder unnötig aufblähen. Ich muss auch nicht groß spekulieren, wie jemand irgendwas womöglich gemeint haben könnte. Sondern ich kann meine erste Irritation zurückhalten und nochmal in Ruhe über die Sache schlafen. Auf diese Weise spare ich mir ja auch jede Menge Energie, die ich anderswo gut brauchen kann.

Genauso gut finde ich aber das Erkennungszeichen, wann ich einem Vorfall nachgehen sollte. Wenn mein Ärger über Nacht geblieben ist und am nächsten Tag immer noch da ist, dann geht es vermutlich um etwas Größeres. Zumindest hat die Sache dann bei mir viel ausgelöst. Das kann auch mit mir persönlich zu tun haben, mit meinen Charaktereigenschaften und wunden Punkten. Dann sollte ich vielleicht erst mal da näher hinsehen. So oder so sollte ich nicht mehr unnötig lang warten, den Konflikt zu klären. Bevor ich ihn weiter im Kopf habe, er dort vielleicht immer größer wird und das Miteinander ausbremst.

Beide Teile dieses 24-Stunden-Mottos finde ich herausfordernd. Erst mal Ruhe bewahren und abwarten – und notfalls mutig in die Offensive gehen und einen Konflikt benennen, das braucht beides viel Selbstbewusstsein und Mut. Dass meine Arbeitskollegin es schon länger so macht, hilft mir. Wie gut, dass sie davon erzählt hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38162
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Um mich herum ist es meistens sehr laut. Eins unserer Kinder will eigentlich immer was zu Hause – und muss dann die anderen irgendwie übertönen … Oder sie spielen und streiten geräuschvoll miteinander. Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, ist genauso viel los. Auch bei der Arbeit erlebe ich viel Geschäftigkeit, viele Gespräche – und auf meinen Bus- und Bahnfahrten dorthin. Mir dröhnt schon manches Mal der Kopf.

Gelegentlich wird es aber doch still um mich herum. Wenn die Kinder alle im Kindergarten und in der Schule sind – oder irgendwann mal im Bett. Und wenn alle Absprachen erledigt sind. Dann sitze ich schon mal für mich am Tisch oder auf dem Sofa.

Oft ertappe ich mich dann dabei, wie ich prompt das Handy in die Hand nehme – und einen Podcast anmache, oder ein Video. Als ob es mir was ausmacht, mal nichts zu hören. Als ob ich Angst habe vor der Stille.

Und meine Gedanken können innerlich ganz gut weitermachen mit dem Lärm. Da kommt mir eine Erinnerung, eine Idee, ein Plan, … Es trägt mich hierhin und dorthin, so dass ich nicht zur Ruhe komme.

„Lass‘ den Gedanken kurz Raum“, hat mir mal jemand gesagt, „und lass‘ sie dann weiterziehen, wie Wolken am Himmel. Und schau’ mal, wie es dir geht, wenn es wirklich ganz still wird.“

Ich probiere das jetzt immer wieder mal aus. Und dann höre ich immer noch was – nämlich meinen Atem. Der ist aber ganz anders als der Lärm um mich herum. Mein Atem gehört komplett zu mir. Er macht mich aus, hält mich am Leben. Und er ist einfach da. Und ich dann auch.

Dann merke ich: Die Stille tut mir gut. Ich kann mir selbst begegnen. Und spüren, was mich im Innersten ausmacht. Ohne das laute Drumherum.

Und immer wieder habe ich den Eindruck, auch Gott ist dann da. Für mich ist Gott nicht nur über mir und nicht nur ein Gegenüber. Sondern auch eine Kraft in mir drin. „Heiliger Geist“, sagen Christen manchmal dazu. Oder „Geistkraft“. „Energie“. Das macht mir viel Mut. Eine göttliche Kraft in mir drin kann ich ja auch nie verlieren.

Wie erleben Sie das so mit der Stille? Jetzt in den Sommerferien ist die Gelegenheit dazu vielleicht günstig dafür.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38161
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Nachbarschaft. Bis letztes Jahr habe ich das gar nicht so richtig gekannt. Da war ich noch Gemeindepfarrer und habe mit meiner Familie in einem Pfarrhaus gewohnt. Natürlich hatten wir auch da Nachbarn, sehr nette noch dazu. Aber mit meinem Beruf war ich immer in einer Sonderrolle – und deshalb nie völlig privat dort. So nebenbei war das immer Thema im täglichen Miteinander.

Inzwischen leben wir in einem ganz normalen Haus. Genauso wie die Leute um uns herum. Wir sind altersmäßig bunt gemischt dort, mit Kindern in fast jedem Alter. Und wir leben alle erst mal unser eigenes Leben. Von manchen Nachbarn weiß ich persönlich gar nicht so viel – und umgekehrt. Das finde ich auch in Ordnung so. Schließlich ist es ja erst mal Zufall, dass wir in derselben Straße wohnen.

Gleichzeitig kriegen wir in der Nachbarschaft so einiges voneinander mit. Erst recht jetzt im Sommer, wenn die Fenster offen stehen. Wenn wir trubeligen Besuch haben oder mal wieder lautstark streiten, bleibt das nicht geheim. Manchmal ist mir das unangenehm. Und dann denke ich wieder: So geht halt Leben – und niemand von uns ist perfekt. Gleichzeitig verstehe ich gut, wie es zu Nachbarschaftszwist kommen kann. Wahrscheinlich muss man den Mut haben, auch störende Kleinigkeiten bald klar anzusprechen – damit sich nicht übermäßig großer Ärger anstaut.

Und – immer wieder entsteht auch persönlich Kontakt in der Nachbarschaft. Wenn es zum Beispiel passt zwischen den Kindern oder Erwachsenen. Oder wenn man sich gegenseitig unkompliziert unterstützen kann – mit einem fehlenden Gartengerät oder bei der Haustier-Versorgung über die Urlaubswochen. Bei uns sitzen einmal im Jahr sogar alle Nachbarn zusammen und verbringen einen gemeinsamen Abend. Mal sehen, wen ich da dieses Mal neu kennenlerne.

Nachbarschaft – ich kann mich gewöhnen an diese besondere Form des Zusammenlebens. Und ich glaube, Gott freut sich darüber mit. Der sagt nämlich ganz vorne in der Bibel: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen“ [1. Mose 2,18a]. Und ich glaube, damit ist noch viel mehr gemeint als klassische Partnerschaft oder Familie. Warum nicht auch die Beziehung zu den Menschen in derselben Straße? Also – auf gute Nachbarschaft!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38160
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Auch Kinder haben Geheimnisse. Und das ist gut so.
„Wie war’s denn in der Schule heute?“ – „Mit wem spielst du gerne?“ – „Welche Urlaubs-Unternehmung hat dir am besten gefallen?“ Wenn wir unserem achtjährigen Sohn solche Fragen stellen, bekommen wir meistens dieselben beiden Antworten: „Sag’ ich nicht!“ Und: „Das musst du nicht wissen!“

Natürlich würden wir manches tatsächlich gerne wissen. Einfach, weil es uns als Eltern interessiert, weil wir Anteil nehmen möchten. Und manchmal ist es auch ganz schön anstrengend, von irgendeiner wichtigen Sache nur zufällig oder ganz knapp vorher zu erfahren.

Aber unser Sohn setzt eben Grenzen. Er legt selbst fest, was er mit uns teilt und was nicht. Und das finde ich erst mal gut und richtig. Weil auch ein achtjähriges Kind schon ein eigenständiger Mensch ist, nicht mit seinen Eltern verschmolzen. Und wenn er uns dann überraschend doch mal was erzählt, ist das seine eigene Entscheidung und um so bedeutsamer.

Der libanesisch-US-amerikanische Dichter Khalil Gibran hat ein Gedicht dazu formuliert: „Eure Kinder sind nicht eure Kinder“, schreibt er da. „Sie kommen durch euch, aber nicht von euch, und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.“ Das klingt erst mal hart, finde ich. Aber die Perspektive ist vielleicht auch heilsam. Für meinen Sohn, der sein eigenes Leben führt und dann eben auch Geheimnisse haben darf. Aber auch mich als Vater entlasten diese Zeilen. Weil die Verantwortung für meinen Sohn nicht uferlos ist. Er hat ganz Recht – ich muss nicht alles von ihm wissen. Letztlich muss ich nur über mein eigenes Leben Bescheid wissen. Auch damit bin ich ja schon ganz gut beschäftigt.

Gut aufgehoben darf ich meinen Sohn und unsere anderen Kinder trotzdem wissen. „Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber“, sagt Gibran in seinem Gedicht. Und als Christ hat das für mich mit Gott zu tun. Gott, die Quelle des Lebens, weiß um unsere Kinder – und auch um das, was sie im Innersten beschäftigt. Das hilft mir dabei, loszulassen.

„Sag’ ich nicht!“ – „Das musst du nicht wissen!“ Mal sehen, wann wir das nächstes Mal wieder hören. Und wenn unsere Kinder dann mal in die Pubertät kommen, sind wir immerhin auf ihre Teenager-Geheimnisse schon ganz gut vorbereitet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38159
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

15AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Fehler machen, das fällt mir nicht leicht. Vor allem, wenn ich sehr viel von mir erwarte. Im Beruf ist das zum Beispiel so. Oder manchmal auch im Familienalltag. Dann können mich auch kleinere Fehler schnell verunsichern und aus der Balance bringen. Weil ich denke, dass sie mir doch eigentlich gar nicht passieren dürfen.

Früher habe ich dann meistens ganz schnell weitergemacht – und versucht, den Fehler sozusagen wieder auszubügeln. Mit anderen Dingen, die mir gelingen. Oder ich habe den Fehler abgestritten, kleingeredet, auf andere oder die Umstände geschoben. Beides ist anstrengend, kostet viel Kraft. Und immer häufiger hat es sich nicht mehr richtig angefühlt für mich.

In letzter Zeit versuche ich, meine Fehler nicht gleich wegzuschieben. Sie genau anzuschauen. Schon das verändert was, finde ich. Ich mache mir damit klar: Fehler dürfen sein. Sie gehören zum Leben und auch zu mir. Das ändert nichts an meinem Wert und an meinen Fähigkeiten.

Und – in manchen Fehlern entdecke ich tatsächlich so was wie ein Muster. Immer wieder mal zum Beispiel bin ich mit irgendwas zu rasch. Und habe dann vorschnell eine Vorstellung von irgendwas. Oder ich vergesse, bestimmte Leute miteinzubeziehen. Wenn sich so was wiederholt, kann ich vielleicht was dran ändern mit der Zeit. Und mir bewusst vornehmen, etwas länger zu warten mit einem Schritt.

Typische Fehler verraten mir auch was über meinen Charakter. Und manchmal kann ich dann auch schmunzeln, wenn ich mich auf diese Weise selbst ertappe. Dinge haben ja auch oft zwei Seiten – meine Schnelligkeit zum Beispiel bringt mich in vielen Fällen weiter.

Mehr Fehlerfreundlichkeit tut mir persönlich sehr gut. Als Christ hat das auch viel mit meinem Glauben zu tun. Wer sich von Gott geliebt weiß, kann auch Fehler gelassener nehmen, glaube ich. Und ich habe den Eindruck, dass sich das mit der Fehlerfreundlichkeit mehr und mehr rumspricht. Immer häufiger lese ich von so genannten „Fuckup Nights“ – das sind Veranstaltungen, bei denen Menschen öffentlich ganz offen von ihren Fehlern erzählen und gerade dadurch anderen Mut machen. Und heute hilft vielleicht auch ein Blick in die USA. Dort wird jedes Jahr am 15. August der „Tag der Fehler“ begangen.

Was war denn Ihr letzter Fehler? Was verrät er Ihnen? Und – wie bringt er Sie weiter?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38158
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14AUG2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Neulich war ich mit unseren drei Kindern ein Wochenende über weg – bei einer Vater-Kind-Freizeit auf dem Zeltplatz. Irgendwann beim Mittagessen in der Schlange sah uns ein älterer Mitarbeiter länger interessiert an – und meinte dann: „Ja, das ist schon was – drei Tage so ganz ohne Mama!“

Natürlich war das als Kompliment für uns vier gedacht. Vielleicht gerade für unsere jüngere Tochter – die war mit knapp sechs Jahren das kleinste Kind in der ganzen Gruppe. Und sicher waren die drei Tage in dieser Zusammensetzung auch ein kleines Abenteuer, keine Frage.

Trotzdem habe ich mich erst mal geärgert. Über das alte Familienbild, das in diesem Satz mitschwingt. Und über die Vorstellung, dass Kinder vor allem ihre Mutter brauchen. Ich bin ja auch sonst oft genug allein mit den dreien. Im Moment ist meine Frau sogar häufiger weg bei der Arbeit als ich. Und – ihr an meiner Stelle würde niemand so was sagen. Dass Kinder länger ohne Papa sind, gilt sozusagen als normal.

Aber dann habe ich weiter nachgedacht. Meine Frau und ich haben in letzter Zeit häufiger über dieses Thema gesprochen. Also darüber, wer eigentlich welche Verantwortung für unsere Kinder trägt. Und wir haben gemerkt: Manche Dinge landen immer noch ganz automatisch bei ihr. Oft sind das nur Kleinigkeiten, aber zusammengenommen den Tag über wird das ganz schön viel. Auch wenn ich meistens mitmache und unterstütze – an viele Dinge muss letztlich sie denken, damit es klappt. Und tatsächlich ist meine Frau insgesamt häufiger mit unseren Kindern in Kontakt als ich. Wir haben uns vorgenommen, das weiter zu ändern nach und nach. Aber wir merken auch immer wieder: Das ist ein langer Weg, den wir beide sehr bewusst gehen müssen. Sonst läuft es doch wieder so wie immer – und die Familien-Last ist weiter ungleich verteilt.

Die Vater-Kind-Freizeit ist da immerhin ein Schritt. Für nächsten Sommer melden wir uns auf jeden Fall wieder an. Dann packe ich hoffentlich auch die Klamotten ganz allein zusammen – was ich vergesse, ist dann meine Sache … Und vielleicht sind drei Tage so ganz ohne Mama bis dahin ja wieder ein Stück normaler geworden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38157
weiterlesen...

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

27MAI2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Neulich ist es mal wieder passiert. Ich sitze in der S-Bahn, vertieft in irgendeine Sache, – und ein Mann stellt sich neben mich. Schäbig gekleidet, stumm, in der Hand ein Schild: „Habe Hunger, bitte helfen Sie mir.“

Ich weiß: In Zügen darf man nicht um Geld bitten. Und deshalb soll man auch nicht darauf eingehen. Manchmal kommt das sogar per Durchsage. Und diese Regel ist wahrscheinlich vernünftig. Mit einzelnen Münzen bekämpft man nicht die Ursachen von Armut. Es gibt ja andere Hilfsangebote durch den Staat oder auch die Kirchen. Und oft sind Leute auch nicht von sich aus unterwegs, sondern im Auftrag irgendwelcher anderer – und müssen oben abliefern, was sie bekommen.

Alles vernünftige Argumente. Stimmt alles. Aber in diesem Moment stand eben dieser eine Mensch neben mir. Und hatte mich konkret um Unterstützung gebeten. Und ich bin reich, habe genügend Geld. Soll ich jetzt lang und breit erklären, warum ich nichts gebe? „Was würde wohl Jesus tun?“ Ich bin natürlich nicht Jesus, aber als Christ doch mit ihm verbunden. Aus der Nummer komme ich also nicht raus.

Ich glaube: In solchen Situationen mache ich so oder so Fehler. Weil ich mich für irgendwas entscheiden muss. Und egal, wie – ich werde dem Menschen da vor mir und dem Gesamtzusammenhang nie komplett gerecht. Das will ich mir eingestehen.

Dazu gehört für mich, dass ich Leuten ins Gesicht schaue, die mich um Geld bitten. Nach Möglichkeit auch zuhöre, ein paar Worte wechsle. Weil sie Menschen sind, nicht irgendein moralisches Problem. Und weil ich ihnen auf Augenhöhe begegnen will, wenn wir schon so unterschiedlich viel haben.

In der einen Situation in der S-Bahn damals habe ich dem Mann dann etwas von meinem Proviant zu essen angeboten. Auch das ist natürlich keine richtige Lösung. Sondern kann bevormundend wirken – so, als ob ich schon genau wüsste, was mein Gegenüber braucht und was nicht. Für mich war es ein möglicher Weg in dem Moment. Und ich kann diese Entscheidungen ja immer nur für den Moment treffen.

Wann passiert es das nächste Mal? Und was tue ich dann? Ich weiß es nicht. Aber mich der Entscheidung stellen, das will ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37688
weiterlesen...