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SWR2 Wort zum Tag

11JUN2022
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Welche fünf Bücher haben Sie in Ihrem Leben am meisten geprägt? Das wurden schon viele Prominente gefragt. Robert Habeck, der Wirtschaftsminister, nennt zum Beispiel den „Homo Faber“ von Max Frisch oder die Schriftstellerin Carolin Emcke, die unter anderem Jean-Paul Sartres „Überlegungen zur Judenfrage“ auswählt. Ich lese gerne und ich überlege, welche fünf Bücher mich am meisten geprägt haben. Auf jeden Fall wäre der „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier dabei und „Michel aus Lönneberga“ von Astrid Lindgren. Und ich frage mich, ob ich auch die Bibel auflisten würde…

Ich erinnere mich an die kleinen Bibelbüchlein mit der Geschichte von der Erschaffung der Welt oder der Erzählung von Zacharias und den Gleichnissen Jesu. Ich habe die typischen Bilder des niederländischen Malers Kees de Kort noch vor mir: die kräftigen Farben und die einfachen Formen.

Als ich älter war, habe ich an unzähligen Sonntagen im Gottesdienst aufmerksam den Bibeltexten zugehört – jedenfalls aufmerksamer als der darauffolgenden Predigt…

Während meines Theologiestudiums habe ich dann die Bibel einmal komplett chronologisch durchgelesen. Die Professoren damals haben mir gesagt: „Das macht man so.“

Die Bibel ist definitiv nicht mein Lieblingsbuch – aber sie ist das Buch, zu dem ich in den unterschiedlichsten Lebensphasen regelmäßig gegriffen habe. Als mein Opa gestorben ist, habe ich im Buch der Psalmen gelesen und mich in den Texten aufgehoben gefühlt. Und als ich mich mit meinem Mann auf unsere Hochzeit vorbereitet habe, haben wir einen kleinen Text aus dem Buch Rut entdeckt, in dem es darum geht sich gemeinsam auf den Weg zu machen -egal, was die Zukunft bringt. 

Die Bibel ist aber auch ein Buch, mit dem ich immer wieder ringe, weil mir nicht alles gefällt, was ich darin lese. Zum Beispiel ringe ich mit dem Bild eines strafenden Gottes, der andere Völker gewaltsam vernichtet. Und ich muss immer wieder daran arbeiten, wie ich die Texte in die heutige Zeit für mich übersetzen kann.

Als ich angefangen habe zu überlegen, welche fünf Bücher meine Lebensbücher sind, habe ich nicht damit gerechnet, dass die Bibel dabei ist. Ich bin ein bisschen über mich selbst überrascht, aber es ist so.

Zuerst habe ich die Bibel kindlich naiv gelesen und alles geglaubt was darin steht. Als Teenager haben mich die Texte stärker gemacht. Ich habe damals vor allem gelesen: Ich darf sein, wie ich bin. Später im Studium habe ich damit angefangen mich kritisch mit biblischen Texten auseinander zu setzen.

In jeder Phase meines Lebens habe ich in der Bibel etwas für mich entdecken können. Und ich lese die Geschichten nicht nur. Da passiert noch so viel mehr. Die Bibel bringt mich Vers für Vers in Kontakt mit Gott, es ist mein Lebensbuch.

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SWR2 Wort zum Tag

10JUN2022
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Ich habe diesen Sommer das erste Mal seit drei Jahren wieder ein Konzert besucht – und es ist überwältigend gewesen. Wie sehr die Musik mich berührt, wenn sie von einem kompletten Orchester live gespielt wird. Ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich mir heimlich die Tränen aus den Augen gewischt habe, weil es einfach so wunderschön gewesen ist.

Musik begleitet mich immer – ich höre abends CDs von meinen Lieblingskünstlern und tanze beim Putzen zu laut aufgedrehter Musik durch die Wohnung. All das ist mir wichtig, aber es kann nicht das berauschende Gefühl ersetzen, das die Musik entfalten kann, wenn ich sie live mit anderen teile.

Das hat mir in den letzten Jahren gefehlt, aber wie schön es wirklich ist, ist mir erst da im Konzert bewusst geworden.

Beim Konzert habe ich erlebt, wie die Orchestermusik die anderen Zuhörenden und mich existentiell berührt hat. Wenn ich mich umgeschaut habe, konnte ich auch andere im Publikum entdecken, die Tränen in den Augen hatten. Das fasziniert mich an Musik: sie schafft es ganz selbstverständlich und problemlos, unterschiedlichste Menschen zusammen zu bringen und friedlich miteinander zu vereinen.

Das kann auch bei einer Band sein, die ganz multi-kulturell geprägt ist und unterschiedlichste Rhythmen und Stile aus verschiedenen Kulturkreisen zu einem harmonischen Ganzen erklingen lässt. Und die beim gemeinsamen Musizieren und Jammen einfach Spaß hat.

Genauso kann ich selbst diese Verbundenheit spüren, wenn ich mit anderen zusammen singe, etwa im Sonntagsgottesdienst. Oder auch wenn ich ein großes Popkonzert besuche und zusammen mit anderen feiere und tanze oder eben beim Symphonieorchester, wo ich mit hunderten anderen Menschen völlig gebannt und still den grandiosen Klängen des Orchesters lausche. Ich muss nur den Blick kurz durch die Reihen wandern lassen und erkenne, hier stehen Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen, Nationalitäten und sicher auch mit verschiedenen Interessen und Hobbies. Aber uns eint für diesen Moment der Zauber der Musik.

Musik schafft es, meine Seele zu berühren. Wenn das passiert, erlebe ich für einige Augenblicke völlige Harmonie und Glück und kann ahnen, dass hinter dieser Harmonie noch mehr stecken muss, als ich fühlen und begreifen kann. Ich weiß, ich bin nicht allein mit dieser Wahrnehmung von Musik, weil ich es bei Konzerten beobachten kann. Hier kann ich spüren, wie die anderen Zuhörerinnen und Zuhörer ebenfalls in ihrer Seele berührt werden und sich öffnen. Musik schafft, dass Frieden funktioniert – für den Moment, den man ihr lauscht. Deswegen ist sie auch in Religionen so wichtig.

Musik verbindet und das auf einfache und berührende Weise. Wenn ich das erfahre, ist Musik für mich auch etwas Religiöses, denn sie kann Grenzen überwinden.

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SWR2 Wort zum Tag

09JUN2022
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In wenigen Wochen werde ich Mutter und mein Mann und ich suchen nach einem Namen. Wir möchten unserem Kind einen Namen geben, der es gut begleitet.

Meinem Mann und mir fällt das schwer. Vielleicht, weil Namen angeblich so viel über den Charakter oder die Identität einer Person aussagen. Ich kenne das – mit manchen Namen verbinde ich bestimmte Eigenschaften. So gibt es zum Beispiel das Klischee vom Chaoten Kevin und unter einer Madita stelle ich mir direkt ein freches Mädchen vor. Das macht die Namenssuche nicht einfacher. Denn es gibt auch Kinder, die finden, dass ihr Name nicht zu ihnen passt.

Ich hatte da Glück. Ich heiße Anna und mag meinen Namen. Meine Eltern haben mich nach meiner Oma benannt. Sie haben sich gewünscht, dass mir meine Oma eine Art Namensvorbild wird und mir Orientierung auf meinem Weg schenkt. Und sie haben gehofft, dass ich auch durch meine Namenspatronin, die Heilige Anna, Halt im Glauben finde.  Um ehrlich zu sein habe ich mir aus der Heiligengeschichte nie so sonderlich viel gemacht. Aber meine Oma hat mich sehr geprägt – auch ihr Glaube. Das hätte sie wahrscheinlich auch, wenn wir nicht den gleichen Namen getragen hätten, aber es hat mich immer ein kleines bisschen stolz gemacht so zu heißen wie sie. 

In der Bibel finden sich zahlreiche Geschichten, in denen Männer und Frauen Namen tragen, die gut zu ihnen passen. Da ist Adam, der Erdling; Eva, die Lebensmutter oder Jakob der Fersenhalter, weil er ein Zwilling ist. Die Namen in der Bibel stehen für die Geschichte dieser Menschen.

Ich kenne mein Kind noch gar nicht richtig und will aber jetzt schon einen Namen finden, der zu ihm passt. Welche Bedeutung oder welche biblische Geschichte könnte meinem Kind helfen, sich auf seinem Lebensweg zu orientieren?

Ganz egal, ob es ein Name mit biblischem Bezug wird oder nicht. Der Name wird eine wichtige Rolle spielen, weil unser Kind mit seinem Namen ansprechbar wird - auch für Gott. So heißt es im Buch Jesaja: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du gehörst mir.“ (Jes 43,1)

Das ist eine schöne Zusage. Jedes Mal, wenn unser Kind mit seinem Namen angesprochen wird, wird es wissen, ich bin gemeint. Es kann seine Identität entfalten, auch weil alle, die es bei seinem Namen nennen, es hoffentlich so annehmen, wie es ist. Selbst, wenn es seinen Namen am Ende vielleicht gar nicht so toll findet, wie wir. Wie auch immer wir entscheiden werden, ich wünsche mir, dass unser Kind durch seinen Namen ganz viel Liebe erfahren wird.

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SWR2 Wort zum Tag

02APR2022
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Heute beginnt der Ramadan. Und damit fallen die christliche Fastenzeit und der muslimische Fastenmonat eine Zeit lang zusammen.

Christen feiern in gut zwei Wochen Ostern. Muslime feiern in einem Monat das dreitägige Fest des Fastenbrechens. Und bis dahin fasten beide. Samira ist meine muslimische Lehrerkollegin und im Lehrerzimmer hat sie mir erzählt, was ihr der Ramadan bedeutet. Sie sagt: „Mit dem Ramadan beginnt eine ganz intensive Zeit. Da bereite ich mich auf unser Fest des Fastenbrechens vor.“

Das versuche ich im Prinzip mit Ostern genauso. Samira und ich wollen uns mit dem Fasten besinnen. Auf das, was wirklich wichtig ist, im Leben und eben auch in unserer Religion. Meistens verzichte ich auf Süßigkeiten und Alkohol. Für mich ist es wirklich herausfordernd, nicht mal eben schnell zu meinem Kaffee ein Stück Schokolade zu naschen. Freunde von mir verzichten lieber auf Fleisch, oder auch auf das Smartphone. 

Samira erzählt mir: „Ich esse und trinke mehrere Stunden am Tag nichts – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Außerdem bete ich in dem Monat mehr, rezitiere den Koran und tue meinen Mitmenschen etwas Gutes.“ Und dann erklärt sie mir noch strahlend: „Und das Beste ist: jeden Tag werde ich wieder neu motiviert. Immer abends, wenn wir gemeinsam mit der Familie oder den Freunden das Fasten brechen. Das ist so schön!“ 

Im Gespräch mit Samira wird mir klar, wie nah wir uns im Fasten sind. Uns geht es beiden um eine Art innere Reinigung und wir versuchen, uns auf das zu konzentrieren, was uns im Glauben wichtig ist. Für mich als Christin heißt das zum Beispiel, dass ich Gott in allem, das lebt, erkennen kann und dass Gott  Freiheit für alle möchte. Wenn ich auf etwas verzichte, kann ich mich neu ausrichten - auf Gott hin, auf andere hin und auf mich selbst hin. Ich finde durch den Verzicht zu einer Art inneren Ruhe.

Samira und ich gestalten unsere Fastenzeit unterschiedlich und ich habe großen Respekt vor ihr, wie sie es schafft den ganzen Tag auf Essen und Trinken zu verzichten. Da kommt mir mein Fasten auf Süßigkeiten und Alkohol im Vergleich ganz einfach vor…

Egal, ob als Christin oder Muslima: es geht um unseren Weg zu Gott, und Gott finden wir beide nur über den Frieden. Über so einen größeren inneren Frieden, den Samira und ich durchs Fasten anstreben und wenn wir versuchen achtsamer und friedlicher mit anderen umzugehen.

Deswegen wünsche ich heute Morgen allen Muslimen und Christen eine gesegnete und vor allem friedliche Fastenzeit.

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SWR2 Wort zum Tag

01APR2022
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„Die Priesterweihe für Frauen ist möglich!“– „April, April“ – das ist nur ein Aprilscherz und keine Realität.

Und dennoch – vielleicht haben Sie ja kurz irritiert gezögert, weil die Schlagzeile beim ersten Hören doch nicht ganz so abwegig erscheint. Denn das, womit ich Sie heute Morgen in den April geschickt habe, wünschen sich viele Katholikinnen und Katholiken.

Schon seit einigen Jahren engagieren sich Frauen in der Bewegung Maria 2.0. Sie werben für mehr Mitspracherecht und Teilhabe in der katholischen Kirche und sie wollen aufzeigen, wie veraltet das Frauenbild und die Machtstrukturen  der katholischen Kirche sind.

Auch wenn die Kirche so verkrustet und unbeweglich wirkt, es tut sich doch was, nicht nur in Sachen Frauenweihe.

Zum Beispiel haben sich Ende Januar mehr als hundert nicht-heterosexuelle Angestellte der katholischen Kirche öffentlich geoutet. Sie haben in der Fernsehdokumentation „Out in Church“ ihre persönliche Geschichte und ihre Beziehung zur katholischen Kirche beschrieben. Seitdem läuft eine Petition von Gläubigen, in der Unterschriften gesammelt werden, damit rechtsverbindliche Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht erfolgen. Konkret soll das darauf hinauslaufen, dass keine Angestellten mehr Angst haben müssen, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ihre Arbeit zu verlieren, zum Beispiel weil sie homosexuell sind.

Auch sexueller Missbrauch ist für die katholische Kirche schon lange Thema, und leider auch deren unzureichende Aufarbeitung. In diesem Zusammenhang hat mich das Beispiel einer Gemeinde in Aschaffenburg berührt. Dort haben der Priester und der Gemeinderat im Februar beschlossen, ihre Sonntagsgottesdienste ausfallen zu lassen und stattdessen ihre Kirche für Missbrauchsopfer zu öffnen. Betroffene haben erzählt, wie es ihnen geht, es wurden Kerzen angezündet und gemeinsam geschwiegen.

Mir macht es Mut, dass es Gemeinden wie die in Aschaffenburg gibt, die für sich eine Form des Protests suchen, um sich gegen die verkrusteten Strukturen aufzulehnen. Die etwas Gutes und Versöhnendes tun. Das möchte ich mir immer wieder vor Augen halten: es gibt nicht nur die hohen Würdenträger, die mit ihrer Macht verantwortungslos umgegangen sind, sondern auch diejenigen die sich jeden Tag für die Werte Jesu einsetzen. In den Gemeinden, in den Schulen oder Krankenhäusern. Da sind die kreativen Religionslehrerinnen, die unermüdlich an den Kindern und Jugendlichen dran bleiben oder die Krankenhausseelsorger, die für die Kranken und deren Familien auch dann noch da sind, wenn es schwer wird.

Ich könnte noch viel mehr aufzählen und auch wenn meine Schlagzeile zu Beginn nur ein Aprilscherz war, und vermutlich kein besonders gelungener, so drückt er für mich doch eine Hoffnung aus. Ich hoffe darauf, dass sich die katholische Kirche endlich ihrer Verantwortung stellt und sich für die Zukunft öffnet.

Ich bin hoffnungsvoll, dass die Kirche das schafft. Zusammen mit vielen anderen möchte auch ich dazu beitragen.

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SWR2 Wort zum Tag

31MRZ2022
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„Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das ist eine der populärsten Erkenntnisse des österreichischen Kommunikationsforschers Paul Watzlawick. Heute jährt sich sein Todestag zum fünfzehnten Mal.

Watzlawick hat mich sehr geprägt – er ist mir schon in meiner Schulzeit begegnet, und später in meinem Studium. Mich hat fasziniert, dass ich Dinge so oder so verstehen kann – je nachdem, wie ich eingestellt bin. Und noch etwas: Ich strahle immer etwas in die Welt aus, auch wenn ich bewusst eigentlich gar nichts nach außen kommuniziere.

Soweit zu Watzlawicks Theorie. Ich kann darin viel erkennen, was mit meinem Glauben an Gott zu tun hat. Da ist es mir auch wichtig, dass Gott auf ganz unterschiedlichen Wegen mit mir kommuniziert – nicht nur, wenn ich bete.

Dass ich das so erlebe, ist bereits in meiner Kindheit angelegt–, in der Art wie meine Eltern mich erzogen haben. Sie haben mir eine Wirklichkeit vorgelebt, in der Gott immer da ist. Watzlawick würde sagen, dass ich mir dadurch zusammen mit meinen Eltern diese religiöse Wirklichkeit konstruiert habe. Er hat viel geforscht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Einzelne und die Gesellschaft ihre Wirklichkeiten selbst schaffen und dann annehmen, dass die Welt auch genauso ist. In meinem Fall heißt das, dass ich Gott in meinem Leben mitdenke.

Das bedeutet jedoch nicht, dass ich ständig bete. Aber trotzdem, auch, wenn ich nicht ständig bewusst mit Gott kommuniziere, verrät das etwas über meine Beziehung mit ihm. Ich fühle mich ihm momentan vielleicht fern und zweifele an ihm. Und dann meldet sich meine, von mir konstruierte Wirklichkeit wieder zurück. Wenn ich eine berührende Begegnung mit einem anderen Menschen habe, oder wenn ich spazieren gehe und mir die Schönheit der Schöpfung ins Auge springt. In solchen Momenten empfinde ich das so, als ob ich von Gott berührt bin. Dann scheint es wie ein Wechselspiel, nicht nur ich kann nicht nicht mit Gott kommunizieren, auch andersherum ist das so. 

Ich erkenne Gott also in ganz vielen Situationen. Auch wenn Menschen sich gegenseitig spontan helfen oder sich ein Paar liebevoll umarmt. Für mich als Konstruktivistin lässt sich in solchen Szenen ablesen, dass es Gott gibt. In Erinnerung an Paul Watzlawick sage ich sogar: Gott und Mensch können nicht nicht kommunizieren. Oder anders: Es gibt sie immer, die Kommunikation zwischen göttlicher und irdischer Sphäre.

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SWR2 Wort zum Tag

22DEZ2021
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Nur noch zwei Tage bis Weihnachten. Als Kind konnte ich es kaum erwarten, bis endlich der Heilige Abend da war. Bei uns in der Familie war dann alles so spannend. Meine Eltern haben am 23. Dezember abends die Glastüren zum Wohnzimmer mit Bettlaken verhangen und uns Kindern erzählt, dass in der Nacht das Christkind kommt. Natürlich waren meine Geschwister und ich dann ganz aufgeregt. Wir haben uns die ganze Zeit gefragt: Wird das Christkind wirklich kommen? Jedes Jahr hatten wir Glück: es hat über Nacht den Weihnachtsbaum aufgestellt, ihn geschmückt und uns natürlich auch viele Geschenke gebracht.

Ich habe dieses Vorgehen meiner Eltern nie in Frage gestellt - im Gegenteil - ich habe die Tradition geliebt und war auch nicht sauer auf meine Eltern, als ich irgendwann herausgefunden habe, dass sie für uns Christkind gespielt haben.

Mittlerweile bin ich selbst in der Elternrolle und andere Eltern haben mir erzählt, wie sie das heute mit ihren Kindern an Weihnachten machen.

Eine gute Freundin sagt: „Wir feiern mit unseren Kindern einfach den Geburtstag Jesu. Bei uns kommt kein Christkind.“ Sie feiern als Familie gemeinsam ein Geburtstagfest, so, als sei Jesus ein Familienmitglied. Nur dass nicht Jesus die Geschenke bekommt, sondern jeder in der Familie, vor allem die Kinder. Meine Freundin erklärt dann dazu, dass der Heilige Abend so ein besonderer Tag ist, weil Gott die Menschen so sehr liebt und ganz nahe bei ihnen sein möchte. An Weihnachten vor über 2000 Jahren ist Gott als kleines Baby auf die Welt gekommen, und auch heute noch können wir von Gott etwas erkennen, wenn wir anderen eine Freude machen.  

Meine Freundin sagt: „Für unsere Kinder ist Weihnachten ein ganz besonderes Fest – auch ohne den märchenhaften Charakter mit so einem zauberhaften, vielleicht sogar unsichtbaren Christkind.“

Momentan ist unser Kind so klein, dass ich noch nicht entscheiden muss, wie wir Weihnachten als Familie gestalten. Aber mir gefällt die Version meiner Freundin. Sie fokussiert von Anfang an, worauf es zu Weihnachten ankommt: Gott kommt zu den Menschen. Das ist das größte Geschenk von Gott und gleichzeitig auch der eigentliche Grund, warum Menschen in diesen Tagen besonders aufeinander achten und sich gegenseitig eine Freude machen.

Eigentlich ist es dann auch zweitrangig, woher die Geschenke genau kommen. Hauptsache ist, ich kann diesen eigentlichen Zauber von Weihnachten spüren.

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SWR2 Wort zum Tag

21DEZ2021
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Heute ist der 21. Dezember – der dunkelste Tag des Jahres. Das ist gar kein so gutes Omen, denn die Dunkelheit hat eher einen schlechten Ruf. Ich merke das an mir selber - wenn ich allein im Dunkeln unterwegs bin, bin ich schnell angespannt und unsicher.

Aber ich kann in der Dunkelheit und Nacht auch etwas Gutes sehen. Die junge Poetin Mona Harry hat dazu ein Gedicht geschrieben. Darin heißt es:

„Nur weil Dunkelheit uns still umringt

Kann neues Licht entfachen

Nur weil die Nacht ein Ende ist

Wo Altes gestern werden kann

Nur weil gestern niemals heute ist

Ist jeder Morgen Neuanfang.“

Ich persönlich kann in diesen Gedanken ganz viel entdecken, was auch an Weihnachten wichtig ist: In einer dunklen, unscheinbaren Nacht beginnt die Geschichte mit Jesus von Nazareth. Für Christinnen und Christen ist Jesus der Messias und so ist es kein Zufall, dass das christliche Weihnachtsfest auf einen der dunkelsten Tage des Jahres fällt.

Der Tag der Wintersonnenwende ist meist der 21. oder 22. Dezember. Ab jetzt werden die Tage Stück für Stück heller, zumindest in unseren Breitengraden.

Die Menschen haben schon immer diese dunklen Tage religiös gedeutet. In Persien und im Vorderen Orient hat man weit vor der Zeitwende den Tag der Wintersonnenwende dem Sonnengott Mithras gewidmet und entsprechend gefeiert. Symbolisch wird an diesem Tag die „neue“ Sonne geboren und lässt die Tage wieder heller werden.

Diese Idee haben sich die frühen Christen abgeschaut. Und sie passt ja auch gut zu ihrem Glauben. Für sie ist Jesus das Licht der Welt. Da war es naheliegend an diesem besonderen Festtag seine Geburt zu feiern. Die Menschwerdung Gottes ist die Zeitenwende für die Christen und wird daher auch an einem der dunkelsten Tage des Jahres gefeiert. 

In dem Sinne ist heute ein wunderbarer Tag – auch wenn er dunkler erscheinen mag als manch anderer. Hoffentlich gilt das nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinn:  Ab heute werden unsere Tage Stück für Stück heller. Ich wünsche es uns.

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SWR2 Wort zum Tag

20DEZ2021
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Über manche Dinge spricht man nicht… diese Haltung habe ich seit meiner Jugend verinnerlicht. Meine Eltern haben bewusst manche Themen in unserer Kommunikation ausgeklammert. Zum Beispiel Themen wie die psychische Erkrankung meines Onkels oder auch Geldsorgen.

Es scheint ein gesellschaftliches Phänomen zu sein – über manche Themen wird einfach nicht offen gesprochen, über bestimmte Krankheiten, wie zum Beispiel Depressionen oder das Thema Tod.

Ich kann es auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis und nicht zuletzt an mir selbst beobachten. Schwierige Themen spreche ich oft nicht an, weil ich Sorge habe, ich könnte jemanden zur Last mit dem Thema fallen. Oder ich könnte die gute Stimmung kaputt machen, die gerade in einem lockeren Gespräch herrscht. Manche Dinge muss ich auch eine Weile bewusst für mich behalten, um mich zu schützen.

Wie oft habe ich auf die typische Small-Talk-Frage „Wie geht es Dir?“ mit „Gut.“ geantwortet, obwohl es in mir ganz anders ausgesehen hat.

Mir ist das so richtig bewusst geworden, als ich ein Baby verloren habe. Ich habe in der zwölften Schwangerschaftswoche einen Abgang erlebt. Nur ein paar wenige Vertraute wussten von dieser Schwangerschaft. Mir war bewusst, dass die ersten drei Schwangerschaftsmonate eine sehr unsichere Zeit sind, deswegen war ich von Anfang an vorsichtig. Meinen Eltern habe ich zum Beispiel nichts erzählt. Ich wolle nicht, dass meine Eltern zu euphorisch auf ein Enkelkind reagieren, dass es dann am Ende vielleicht nicht geben wird – und in diesem Fall dann auch nicht gegeben hat.

Aber als ich das Kind dann verloren hatte, war ich so traurig und hatte das Bedürfnis, mit ganz vielen Menschen darüber zu sprechen – auch mit meinen Eltern. Ich habe es ihnen erzählt und auf einmal war da ganz viel Raum für emotionsgeladene Gespräche. Ich habe mich getraut, traurig, wütend und zerbrechlich zu sein. Genau das hat mir gutgetan.

Ich hatte Glück. Keine der Personen, denen ich mich anvertraut habe, hat in irgendeiner Form unangemessen reagiert oder mir das Gefühl gegeben, ich belaste sie mit dem Thema. Ganz im Gegenteil – ich habe erfahren, dass meine Geschichte so etwas wie ein Türöffner gewesen ist

So traurig manche Themen sind –es kann richtig befreiend sein, darüber zu sprechen.  Mir hat geholfen zu hören, dass auch andere Verluste erlebt haben. Und es hat gut getan, mit Menschen zu sprechen und dabei zu erfahren, dass ich in meiner Ohnmacht und Trauer nicht allein bin.

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SWR2 Wort zum Tag

24JUL2021
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Beten, das heißt „Danke sagen“. Zumindest habe ich das so als kleines Kind gelernt. Wenn meine Eltern mich abends ins Bett gebracht haben, durfte ich überlegen, wofür ich dankbar bin. „Danke lieber Gott, dass ich heute den ganzen Tag bei Oma Süßigkeiten essen durfte.“ Oder „Danke, dass wir heute ins Schwimmbad gefahren sind.“ Ein schönes Ritual, an das ich mich gerne erinnere.

Erst als ich älter wurde habe ich gemerkt, dass mir das Dankgebet alleine nicht reicht. Denn ich bin nicht immer dankbar.

Wenn ein Freund eine schwere Krankheitsdiagnose erhält oder ich die Nachrichten angesehen habe und wieder so ein mulmiges Gefühl in mir bleibt, dann ist mir nicht nach „Danke sagen“ zumute.

Im Buch der Psalmen, in der Bibel, habe ich entdeckt, dass Gebete auch anders funktionieren können. Denn dort gibt es neben den Gebeten, die Gott loben und ihm danken, auch die Gebete, in denen Gott angeklagt wird. Dort zeigen sich die Betenden wütend, traurig und verzweifelt. Also genau die Emotionen, die ich mir beim Beten vor Gott oft nicht erlaube. In den Psalmen werden diese Gefühle ehrlich formuliert, oft mit starken Bildern. Da heißt es zum Beispiel in Psalm 77: „Hat Gott vergessen, dass er gnädig ist? Oder hat er im Zorn sein Erbarmen verschlossen?“

Die Texte sind zwar uralt, aber sie sprechen mich an. In den Gebeten wird nichts schöngeredet oder verschleiert und gerade das empfinde ich als aufbauend.

Wenn ich verzweifelt bin oder einfach nicht weiterweiß, nehme ich das Buch der Psalmen in die Hand und fange an zu lesen. Und im besten Fall entdecke ich einzelne Verse, in denen ich mich wiederfinde und die ich dann ehrlich mitbeten kann. Und manchmal scheint kein Vers zu meiner Lage zu passen. Ich lese dann trotzdem weiter und versuche, die Texte als Brücke zu nehmen, um mir meiner eigenen Gefühle klar zu werden. Wenn ich in der Bibel Verse lese wie „Warum, HERR, verstößt du mich, verbirgst vor mir dein Angesicht?“  dann ermutigt mich das, Gott auch heftige Dinge vorzuwerfen. „Gott, mein Bruder ist so krank. Wo bist du denn jetzt? Mach was!“

Mir fällt das nicht leicht, weil ich gerade wenn ich wütend bin, am liebsten alles sein lasse. Da nochmal extra auf Gott zuzugehen, dazu muss ich mich manchmal fast zwingen. Aber ich bin sicher, dass es mich in meiner Gottesbeziehung stärkt, wenn ich genau das tue. Ich muss nichts ausklammern, ich kann ehrlich sein, wenn ich bete. Ich kann auf Gott wütend sein, an ihm zweifeln. Eine gute Beziehung hält das aus.

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