Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal verwickelt man sich in Vorgänge, die man eigentlich gar nicht gut findet. Ein richtiger Teufelskreis ist das dann: Zum Beispiel wenn alle sich über die ältere Kollegin lustig machen. Immer wieder wird sie bloß gestellt. Warum sollte ich da nicht mitmachen? Sie haben ja recht: Die Alte ist eine Nervensäge. Oder ist sie bloß so geworden, weil sie sich irgendwie wehren muss?
Jedenfalls gerät sie genauso in den Teufelskreis hinein: Die können mich als Vorgesetzte sowieso alle nicht leiden - denen werde ich zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Die werden schon sehen, was sie davon haben. So wird das Betriebsklima aber bestimmt nicht besser. Und keiner arbeitet gern, wo es so zugeht. Man weiß nicht recht, wie es angefangen hat. Aber am Ende sitzt man fest und kann nicht mehr raus und kann nicht mehr anders. Ein Teufelskreis.
Ich glaube, so ging es auch Zachäus, dem kleinen Zöllner, von dem die Bibel erzählt (Lk 19, 1-19). Zöllner waren damals nicht an Recht und Gesetz gebundene Beamte wie heute, sondern selbständige Pächter einer Zollstelle. Sie mussten Zoll abliefern. Aber wie viel sie den Leuten abgenommen und dann in die eigene Tasche gesteckt haben, das legten sie selber fest. Alle seine Kollegen nahmen, was sie kriegen konnten. Wäre Zachäus nicht dumm gewesen, wenn er es nicht auch getan hätte? Er saugte die Leute regelrecht aus. Und nachdem keiner mehr mit ihm zu tun haben wollte, tat er es erst recht. Warum sollte er die Leute schonen, die ihn sowieso für einen Betrüger und Ausbeuter hielten? Auch ein Teufelskreis.
Bloß einer hat gesagt: Nein. Teufelskreise gibt es nicht. Man kann das ändern. Man kommt da raus. Das war Jesus. Der durchbricht den Teufelskreis. Der lässt Zachäus nicht links liegen, weil bei so einem sowieso nichts zu machen ist. Jesus sucht Zachäus zu Hause auf. Er macht einen Besuch bei dem betrügerischen Abzocker. In den Augen der Leute war das ein Skandal. Ausgerechnet um den kümmert Jesus sich! Aber natürlich war auch Neid dabei. Wahrscheinlich hätten viele Jesus gern als Gast bei sich gehabt.
Und Zachäus? Ich weiß nicht, worüber sie geredet haben bei diesem Besuch. Aber für Zachäus ist der Teufelskreis durchbrochen. Jetzt kann er raus aus dem System, in dem er sich verstrickt hatte. Er will zurückgeben, was er den Leuten zu Unrecht abgenommen hat und sich um Bedürftige kümmern. Wahrscheinlich wird er so zurück finden zu den anderen. Zurück ins Leben. Teufelskreise kann man durchbrechen. Damals in der Zollstation. Und heute im Lehrerzimmer, im Büro und an der Werkbank.

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