SWR1 3vor8

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Lob den Losern, Evangelium der Verlierer könnte man den Bibeltext nennen, der heute in vielen Kirchen gelesen wird. Seligpreisungen der Bergpredigt lautet die korrekte Bezeichnung. Selig die Armen im Geiste, selig die Trauernden, selig die Gewaltlosen, selig die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, selig die Barmherzigen - lauter Leute werden hier genannt, die irgendein Defizit haben oder die sich eine Schwäche zugestehen, die aus einer Position der Schwäche mit andern umgehen. Und ausgerechnet die werden selig genannt, oder anders übersetzt: glücklich. Glücklich meint eher, dass sie jetzt schon froh sein können über sich und ihr Leben, selig meint eher, dass für sie einmal alles gut ausgehen wird, dass ihr Leben auf ein unzerstörbares Glück zuläuft, auch wenn es jetzt noch vielleicht hart ist. Und dann werden die ganzen Belohnungen genannt: die barmherzig sind, mit denen wird auch barmherzig umgegangen. Die arm sind vor Gott oder arm im Geiste, die bekommen nichts weniger als den Himmel. Die Hunger und Durst haben nach Gerechtigkeit, denen wird versprochen, dass sie satt werden. Die Trauernden werden getröstet werden. Die keine Gewalt anwenden, werden Land erben. Und dann noch: selig seid ihr, wenn euch die Leute verfolgen und verleumden um Gottes Willen- ihr könnt jubeln, denn ihr bekommt großen Lohn im Himmel.
Die Schwachen, die Verlierer sind also die großen Gewinner? Ich fürchte mich oft, Schwächen zu zeigen. Ich muß zwar nicht unbedingt reich sein, aber arm wäre ich auch nicht gern. Weder materiell noch geistig. Ich möchte lieber die wichtigsten Dinge wissen, ich möchte jetzt schon in einigermaßen gerechten Verhältnissen leben. Und ich möchte lieber untadelig dastehen als auf Barmherzigkeit angewiesen zu sein.
Aber genau darum geht es offenbar in diesen Seligpreisungen: Mangel haben heißt auch aufnehmen können. Nicht bedürfnislos, nicht hart und abgeschottet, sondern sehnsüchtig nach dem, was über mich hinausgeht, denn sonst bleibe ich im Klein aber mein. Jesus verspricht hier denen Glück und Seligkeit, die die nicht voll und nicht fertig sind. Sehnen, hungern, dürsten, Leid fühlen und mitfühlen können, sich demütigen lassen beim Einsatz für etwas wichtiges. Das klingt befremdlich, aber es ist menschlich. Das ist Leben im Verdanken und Vertrauen.

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