Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der erste Monat ist schon so gut wie vorbei. Ein Zwölftel des Jahres, das sind immerhin 8,3 Prozent. Für eine solide Bilanz ist es natürlich noch viel zu früh, und doch könnte man auf die Idee kommen, schon mal einen ersten Trend zu suchen, zu schauen, was bisher war und daraus in aller Vorsicht einzuschätzen, wie es wohl weitergehen wird. Was habe ich schon in Angriff genommen? Kann ich sogar schon was abhaken, einen Besuch, einen Brief, eine kleine Aufräumaktion? Wo ist ein zarter Ansatz, den ich im Lauf des Jahres ausbauen kann? Und dann gibt es vielleicht noch was, wo ich bei Licht besehen sagen muss: Das wird nichts, auch nicht in diesem Jahr. Woran liegt's, dass ich Vorsätze oft nicht halten kann? Da gibt es ganz unterschiedliche Gründe, und jeder einzelne klingt wie eine persönliche Niederlage. Deshalb will ich's mal anders versuchen und mir bewusst machen, unter welchen Voraussetzungen es mir gelingt, das was ich mir vornehme, auch wirklich zu tun. Ich schrecke davor zurück, irgendetwas nie mehr zu tun, oder was anderes von jetzt an immer. Das funktioniert nicht, jedenfalls nicht bei mir. Deshalb will ich diese beiden Begriffe aus meinem Kopf und vor allem aus meinem Herzen verbannen. Ich weiß schon jetzt, dass ich auch in diesem Jahr nicht zu einem Vorbild an Ordnungssinn werde, aber was hindert mich, heute, jetzt gleich, dieses kleine Häufchen Papier zu sortieren und wegzuräumen? Und morgen wieder, nur zehn Minuten Ordnung machen? Und wenn ich es morgen nicht hinkriege, dann eben übermorgen. Hauptsache, ich fange an. Und noch eine Hauptsache gibt es: Ich rechne von vornherein mit meinen Schwächen und Grenzen. Ich kann sagen: einmal pro Woche gilt eine Ausnahme, da schere ich mich nicht um gesunde Lebensweise, da sehe ich einen Spätfilm, da gibt es Schokolade satt oder beides zusammen. Diese Ausnahmen brauche ich, sonst lasse ich mich vom ersten Ausrutscher ganz entmutigen und denke: jetzt kommt es eh nicht mehr drauf an. Es kommt aber drauf an. Nicht darauf, dass ich eisern durchhalte, sondern darauf, dass ich immer in der Gegenwart bleibe. Immer das tue, was mir heute, was mir jetzt möglich ist. Und darauf, dass ich bei allen Vorsätzen barmherzig bin und mich annehme, mit all den kleinen Macken. Denn selig gepriesen werden schließlich nicht die Perfekten, sondern die Barmherzigen - auch die, die mit sich selbst barmherzig sind.

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